ETH-Experte erklärt James-Webb-Bilder «Das verspricht sehr viel für die Zukunft»

Von Philipp Dahm

12.7.2022

Die ersten fünf Bilder des James-Webb-Teleskops sind da. Adrian Glauser von der ETH Zürich, der an dem Bau beteiligt war, erklärt, was uns die Bilder zeigen – und wie weit wir in die Vergangenheit zurückschauen.

Von Philipp Dahm

Die ersten fünf Bilder des James-Webb-Teleskops sind nun öffentlich. blue News hat Dr. Adrian Glauser von der ETH Zürich um eine Einschätzung gebeten.

Zur Person
ETH Zürich

Adrian Glauser lehrt am Institut für Teilchen- und Astrophysik der ETH Zürich. Der Schweizer war ausserdem am Cern in Genf, beim Paul-Scherrer-Institut in Villigen und am deutschen Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg tätig.

Die James-Webb-Bilder feiern Premiere: Wie fühlt sich der Wissenschaftler dabei?

Für mich ist es ein wichtiger Moment, weil ich bei der Entwicklung dieses Gerätes seit vielen Jahren beteiligt war. Und als allgemeiner Astronom, der interessiert ist, finde ich den Blick ins Universum, den wir so noch nie hatten, einfach fantastisch.

Das erste veröffentlichte Bild zeigt den Galaxienhaufen SMACS 0723: Warum hat die Wissenschaft gerade hierhin geschaut?

Man hat bewusst Objekte gesucht, die einerseits schön darzustellen sind und die andererseits möglichst gut die Wissenschaft, die man damit betreiben will, abbilden, um sie für den Laien allgemein verständlich zu machen.

Und warum genau diese Beispiel?

Das liegt daran, das man einen Galaxiehaufen in der Mitte hat. Er hat so starke Gravitationsfelder, dass das Licht von Galaxien, die hinter diesem Haufen liegen, durch einen Linseneffekt verstärkt wird. Es ist tatsächlich so, dass man Galaxien auf diesem Bild sieht, die sehr verkrümmt aussehen, was mit dieser Gravitationslinse zu tun hat. Einige Galaxien werden sogar mehrfach abgebildet: Man sieht die gleiche Galaxie also mehr als einmal.

Wie weit guckt das James-Webb-Teleskop in diesem Fall zurück?

Man hatte zwar noch nicht genug Zeit, um die Daten gründlich auszuwerten, aber man hat Spektren dieser Galaxie aufgenommen, durch die man feststellen kann, dass eine dieser Galaxien 13.1 Milliarden Jahre alt ist.

Wie ist der Vergleich mit Hubble? Kann man sagen, das Teleskop konnte nur halb so weit gucken und musste dafür auch noch 10 Tage «belichten», während James Webb für das Doppelte nur 12.5 Stunden brauchte?

Grundsätzlich ist das so richtig. Hubble war auf den für uns sichtbaren Bereich optimiert. Wenn man damit weit in die Vergangenheit schauen wollte – also Galaxien, die weit ins Rot verschoben werden – gab es Limite. Mit Hubble hat man zwar alte Galaxien, aber mit James Webb sehen wir mehr. Wir sehen Galaxien wie Sand am Meer, wenn wir das erste veröffentlichte Bild betrachten. Das gelingt dank des besseren Spiegels, aber auch, weil es ein Infrarot-optimiertes Teleskop ist. Es ist sehr sensitiv und kann ein Bild, für das Hubble länger gebraucht hat, in sehr kurzer Zeit aufnehmen. Das verspricht sehr viel für die Zukunft.

Hat James Webb für die anderen Bilder auch stundenlang schauen müssen?

Die anderen Daten, die gezeigt werden, haben auch sehr lange gebraucht, weil die Felder viel grösser sind. Bei Smacks 0723 hat man nur ein Feld genommen und ganz lange auf denselben Punkt geschaut. Bei den anderen Objekten, die gezeigt werden, hat man auch lange hingeschaut, aber die Art und Weise, in der man beobachtet, ist eben eine andere.

Die weiteren Bilder zeigen andere Objekte. Was macht den Carinanebel so interessant?

Auf den Carinanebel dürfen Sie sich freuen: Der ist wirklich spektakulär! Er zeigt ein Gebiet, dass Sternformationen macht – darin werden also neue Sterne geboren und mit ihnen ganze Planetensysteme. Hubble s^dort schon viele fantastische Bilder gemacht, aber das Problem ist, dass die neuen Sterne immer noch eine Schicht von Staub um sich herum haben, durch die das sichtbare Licht nicht durchkommt. Infrarot erlaubt uns, da genauer reinzuschauen: Wir können die Objekte viel genauer untersuchen. Was uns im Carinanebel gezeigt wird, ist schon optisch wunderschön. Es ist unglaublich, was da alles an Struktur zu sehen ist. Es ist ein Wimmelbuch der Sternen-Entstehung, wenn man so will.

Und wie verhält es sich mit dem und den Südlichen Ringnebel?

Beim Südlichen Ringnebel gibt es das andere Ende des Lebenszyklus eines Sterns: Hier ist er gestorben. Ein Schicksal, das unserer Sonne auch erleben wird. Wenn sie in viereinhalb Milliarden Jahren stirbt, bläht sie sich zuerst etwa bis auf die Grösse unserer Erdumlaufbahn auf. Dann werden die äusseren Hüllen abgestossen, die sich mit Schockwellen vom zentralen Gestirn entfernen. Die Sonne wird dann zu einem Weissen Zwerg. Und so einen sieht man in dem Nebel mit James Webb wunderschön. Der Stern schleudert aus diesem planetaren Nebel Materialien heraus, die anderswo, wo Sterne entstehen, gebraucht werden. Man sieht auf dem Bild, wie Eisen herausgeschleudert wird. Auch das Eisen auf der Erde wurde in so einem Prozess zu uns katapultiert.

Hat die Nasa den Gasriesen Wasp-96 b ins Visier genommen, um an dem Exoplaneten zu demonstrieren, wie gut die Spektralanalyse funktioniert?

Ja. Die Untersuchung der Atmosphären von Exoplaneten ist ein wissenschaftliches Thema, auf das ich mich besonders freue. Man hat jetzt diesen Planeten genommen, weil er sehr nahe an der Sonne ist und man wusste, dass man hier sicher ein gutes Spektrum hinkriegt. Man hat noch ein Spektrum dieser Wellenlänge und dieser Qualität machen können. Dabei wurde die Aufnahme schnell, also in wenigen Stunden, gemacht. 

Forscher zum James-Webb-Teleskop: «Ich glaube an Leben ausserhalb der Erde»

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Was macht Stehphans Quintett so besonders?

Es sind fünf Galaxien, wobei sich eine, die im Vordergrund steht, hereingeschmuggelt hat. Die anderen vier sind gravitationell gebunden. Das heisst, sie ziehen sich gegenseitig an. Sie zeigen, wie Galaxien im Laufe der Evolution des Universums miteinander interagieren. 

Nun beginnt die reguläre wissenschaftliche Arbeit: Wie läuft das mit der Verteilung der Arbeitszeit beim James-Webb-Teleskop?

Wir haben als Erbauer der Instrumente ein kleines Privileg. Wir bekommen ein bisschen der Beobachtungszeit. Aber grundsätzlich ist es so, dass man sich bewerben darf – und die besten Vorschläge gewinnen. Sie werden von einem Expertengremium begutachtet und verglichen mit den anderen Vorschlägen. Das ist sehr kompetitiv.