Viren-Falle InnenraumWarum es im Herbst mit Corona hart wird
dpa/uri
18.8.2020
An der frischen Luft ist Corona fast kein Problem – davon sind die meisten Forscher überzeugt. Gefährlich wird es in geschlossenen Räumen. Und da kann es einen Unterschied machen, ob man im Büro oder im Fitnessstudio ist, im Restaurant oder im Flugzeug.
Eines der einfachsten Mittel zum Schutz gegen Corona: Ab an die frische Luft. Dort wirbelt – vereinfacht gesagt – der Wind die Viren davon, was eine Ansteckung unwahrscheinlicher macht.
Das heisst aber auch: Spätestens im Herbst, wenn wir wieder mehr drinnen sind und Fenster geschlossen bleiben, steigt das Ansteckungsrisiko.
Das Gros der Forschergemeinde ist überzeugt, dass Tröpfchen und die noch kleineren Aerosol-Partikel eine entscheidende Rolle bei der Übertragung von SARS-CoV-2 spielen. Aerosol-Teilchen können Stunden bis Tage in der Luft schweben. Der frühere Präsident der Internationalen Gesellschaft für Aerosole in der Medizin, Gerhard Scheuch, sagt mit Blick auf symptomlose Infizierte, die nachweislich das Virus übertragen haben: «Ich glaube, dass einfaches Atmen schon genügt.»
Und genau hier liegt im Grunde das Problem: In einem geschlossenen Raum atmet, hustet, niest ein Erkrankter immer wieder schubweise Virenwolken. Weht kein Wind, verteilen die Viren sich im Raum, die Coronakonzentration steigt. Daher warnt das deutsche Robert-Koch-Institut: Bei längerem Aufenthalt in kleinen, schlecht oder nicht belüfteten Räumen könne sich die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung durch Aerosole auch über eine grössere Distanz als zwei Meter erhöhen.
Innenraum ist nicht gleich Innenraum
Wie viel höher ist die Gefahr in Innenräumen als draussen? Darauf gibt es keine konkreten Antworten. Scheuch verweist auf eine Studie aus China, nach der von untersuchten 318 Ausbrüchen mit drei oder mehr Infektionsfällen ein einziger an der frischen Luft stattgefunden hat.
Doch Innenraum ist nicht gleich Innenraum, wie Scheuch erklärt: «In Fitnessstudios kann natürlich durch die körperlichen Anstrengungen die Produktion der Aerosole durchs Atmen deutlich erhöht werden.» In einem Klassenzimmer mit vielen schreienden, durcheinanderlaufenden Kindern sei die Gefahr auch grösser als in einem Büro mit wenigen (gesittet sitzenden) Erwachsenen. Im Wirtshaus wiederum könnten lautes Sprechen, Lärmen und Singen die Ausbreitung verstärken.
Die Lösung lautet auch hier: Wind. Und die Luft sollte am besten so frisch wie möglich sein. Der Leiter des Hermann-Rietschel-Instituts, dem Institut für Energietechnik an der TU Berlin, Martin Kriegel, hat mit seinem Team untersucht, wie sich die Partikel im Raum verteilen. Er kommt zu dem Ergebnis: «Ganz grundsätzlich kann man festhalten, dass bei typischen Luftwechselraten in Wohn- und Bürogebäuden die Erreger über Stunden im Raum verbleiben. Die Sinkgeschwindigkeit und auch die Lufterneuerung dauern sehr lange. Jede Erhöhung der Aussenluftzufuhr ist daher generell sinnvoll.»
Gekippte Fenster besser als Lüftungsanlage
Ähnlich argumentiert Dieter Scholz vom Department Fahrzeugtechnik und Flugzeugbau an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Eine Querlüftung mit geöffneten Fenstern an gegenüberliegenden Seiten einer Wohnung beispielsweise sei das Beste. Auch gekippte Fenster brächten noch mehr als eine eingebaute Lüftungsanlage, so Scholz. Das Problem dabei gerade mit Blick auf den Herbst: Genauso schnell, wie dann mögliche Viren herausgeweht werden, verschwindet auch die Wärme.
Die kalten Jahreszeiten Herbst, Winter und wohl auch noch Frühling bringen dieses Jahr also ein grosses Problem mehr mit sich. Was tun?
Ein Team vom Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik an der Universität der Bundeswehr München hat einen Raumluftreiniger untersucht, mit dessen Filterkombination selbst sehr kleine Aerosol-Partikel zu 99,995 Prozent aus der Raumluft abgeschieden werden. In einem 80 Quadratmeter grossen Raum könne die Aerosolkonzentration in sechs Minuten halbiert werden. Weil die Aerosole rausgefiltert werden, würden die Geräte auch nicht zur Virenschleuder, hält das Team um Christian J. Kähler fest. Sie empfehlen Raumluftreiniger etwa für Schulen, Büros, Geschäfte, Wartezimmer, Vereinshäuser, Aufenthalts- und Essensräume.
Aerosol-Experte Scheuch hält auch CO2-Messgeräte bei geschlossenen Räumen für hilfreich. «Der CO2-Gehalt ist ja ein Mass für die Luftqualität in einem Raum mit mehreren Personen. Dann würden sie als Warnanlage helfen», erklärt er. Doch wenn man gleichzeitig Raumluftreiniger einsetze, helfen sie nicht mehr. «Denn dann geht zwar der CO2-Gehalt im Raum hoch, die Luft bleibt aber dennoch ziemlich Viren-Aerosol-frei.» Hier könnte dann ein zusätzliches Partikelmessgerät helfen, das die Aerosolkonzentration bestimmt.
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