Bauarbeiter überflüssigChinas 180 Meter hoher Staudamm aus dem 3D-Drucker
Von Philipp Dahm
14.5.2022
China will in nur zwei Jahren im Hochland von Tibet ein 180 Meter hohes Wasserkraftwerk hochziehen, ohne dass Bauarbeiter Hand anlegen: Der Damm soll mit Künstlicher Intelligenz und 3D-Druckern gebaut werden.
P. Dahm
14.05.2022, 17:15
15.05.2022, 11:45
Philipp Dahm
China ist ein 1,4 Milliarden Einwohner starker Riese, doch das Wachstum wird ein Ende haben: In acht Jahren soll das Land seinen Höchststand an Einwohnern erreichen. Nach 2030 wird es abwärts gehen: Wegen der einstigen Ein-Kind-Politik nimmt die Bevölkerung danach ab. Bis 2080 könnte sie auf 1,2 Milliarden schrumpfen.
Auch deshalb hat China ein Interesse daran, arbeitsintensive Prozesse wie etwa das Bauwesen zu automatisieren. Ein Pilotprojekt soll aufzeigen, wie das gehen soll: In Yangqu soll per 3D-Drucker und Künstlicher Intelligenz ein Wasserkraftwerk entstehen, ohne dass Bauarbeiter zum Einsatz kommen, berichtet die «South China Morning Post».
Ein Computer steuert zentral den Bau des 180 Meter hohen Damms im Gelben Fluss im Hochland von Tibet: Er soll automatisierte Bagger lenken, die Schutt abräumen, auf fahrerlose Laster laden und deponieren. Im 3D-Druckverfahren werden passgenaue Stücke erstellt, die dann wiederum mit Füllmaterial beladen und von ferngesteuerten Walzen planiert werden.
Grösster 3D-Drucker der Welt
Betreut wird das Pilotprojekt von Forschern der Tsinghua-Universität, die das Vorhaben am 20. April 2022 veröffentlicht haben. In nur zwei Jahren soll dabei ein Bauwerk entstehen, das demnach jährlich 5000 Gigawatt Strom produziert, der über 1500 Kilometer bis in die zentralchinesische Provinz Huan fliessen soll. Zum Vergleich: Die grössten Schweizer Wasserkraftanlagen in Bieudron VS und Pradella GR erzeugen 2271 und 1004 Gigawatt.
Effektiv werde auf der Baustelle in Yangqu der grösste 3D-Drucker der Welt entstehen, berichtet die «South China Morning Post»: Die Künstliche Intelligenz sei nun reif, die riesige Druckmaschine und die Flotte von nötigen Fahrzeugen zu steuern, ist sich der leitende Wissenschaftler sicher. Liu Tianyun sieht in dem neuen Ansatz viele Vorteile.
Die neue Technik sei gerade «in rauen und gefährlichen Umgebungen» geeignet, um Menschen dort «von schweren, monotonen und riskanten Jobs» zu befreien, so der Forscher der Tsinghua-Universität. Ausserdem werde weniger Material verbraucht, weil die Maschinen passgenau arbeiten. Und präziser: Mit Sensoren ausgestattete Planierraupen oder Walzen sollen genau erfassen, wo beispielsweise das Füllmaterial weniger dicht ist als anderswo.
So baut man ein Haus per 3D-Drucker
Der 3D-Druck schickt sich aber nicht nur in China an, das Bauwesen zu verändern: In Bayern hat im letzten Jahr das Familienunternehmen Michael Rupp Bauunternehmung das erste Haus per 3D-Drucker hochgezogen, das den deutschen Bauvorschriften entspricht. Hier sparen Bauherren in Weissendorn bei Ulm nicht nur Zeit beim Hochziehen der Mauern, sondern sorgen auch dafür, dass andere Gewerke weniger zu tun haben.
Die deutsche Firma Peri beschreibt, wie das 3D-Druckverfahren beim Hausbau funktioniert.
Die Stromdose etwa wird beim Giessen der Mauern vom Computer einberechnet und der Beton dort ausgespart. Die neue Mauer muss so nicht mehr bearbeitet werden, und auch der Elektriker kommt später schneller voran. «Dem Drucker ist es egal», erklärt dazu Fabian Rupp der «Süddeutschen Zeitung», «ob er gerade oder geschwungene Wände drucken soll, glatte oder raue Oberflächen.»
Das höchste Haus aus dem 3D-Drucker stand einst in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Der Sitz der Dubai Future Foundation ist allerdings bloss sechs Meter hoch und muss sich 2021 dem dreigeschossigen Wohnhaus in Bayern geschlagen geben. Dass diese Bestmarken nun von Chinas 180-Meter-hohem Staudamm bei Weitem übertroffen werden sollen, passt zum Zeitgeist.