Die Schweizer Wirtschaft ist im zweiten Quartal wegen der Coronapandemie um 8,2 Prozent eingebrochen. Laut Bund ist dies der grösste jemals gemessene Rückgang.
Das Bruttoinlandprodukt (BIP) ging zwischen April und Juni 2020 gegenüber dem Vorquartal um 8,2 Prozent zurück. Es handelt sich damit um den stärksten Rückgang seit Beginn der Aufzeichnung von Quartalszahlen im Jahre 1980.
Die Wirtschaftsaktivität im Inland sei im Zuge der Pandemie und der Eindämmungsmassnahmen stark eingeschränkt gewesen, schreibt das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) in seiner Mitteilung vom Donnerstag. Gleichzeitig sei die Weltwirtschaft in eine scharfe Rezession gestürzt.
Der Einbruch in dieser Dimension kommt allerdings nicht ganz überraschend. Von AWP befragte Ökonomen hatten zum Teil noch schwächere Zahlen erwartet: Die Schätzungen gingen von einem BIP-Einbruch zwischen 6,3 und 10,1 Prozent aus.
Die Zahl für das erste Quartal wurde leicht auf -2,5 Prozent (von -2,6%) revidiert. Gegenüber der Situation vor der Coronakrise im vierten Quartal 2019 sei das BIP damit in der ersten Jahreshälfte 2020 kumuliert um 10,5 Prozent eingebrochen, so das Seco. Die Struktur der hiesigen Wirtschaft habe aber dazu beigetragen, dass der Rückgang im internationalen Vergleich «verhältnismässig glimpflich» ausgefallen sei.
Pharmaindustrie hält dagegen
Ein noch stärkeren Einbruch der Produktion verhinderte vor allem die hierzulande gewichtige Pharmaindustrie. Sie konnte ihre Umsätze trotz der Pandemie nämlich steigern, sodass das Minus im Total des verarbeitenden Gewerbes «lediglich» 9,0 Prozent betrug, wie das Seco weiter mitteilte.
Im Gegensatz dazu mussten die konjunktursensitiven Industriebereiche, wie jene der Maschinen und Metalle sowie der Präzisionsinstrumente und Uhren, herbe Rückschläge hinnehmen. Die Warenexporte (-9,4 %) gingen entsprechend stark zurück.
Der Dienstleistungssektor war im Berichtsquartal am stärksten vom Lockdown bzw. von den Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie betroffen. So brach etwa die Wertschöpfung im Gastgewerbe (-54,2 %) oder im Transport- und Kommunikationssektor (-21,7 %) ausserordentlich stark ein. Aber auch in diesem Sektor habe sich die Schweizer Branchenstruktur im internationalen Vergleich als stabilisierend erwiesen, so das Seco. Der BIP-Anteil des Tourismus ist nämlich geringer als in den meisten Nachbarländern.
Auch der Handel (-3,6 %) vermeldete laut Seco einen vergleichsweise glimpflichen Rückgang der Wertschöpfung. Zum einen sei der Transithandel erheblich gewachsen, zum anderen habe sich der Detailhandel angesichts der geschlossenen Gastronomiebetriebe und der Reisebeschränkungen relativ solide entwickelt. Einen kräftigen Rückgang registrierten schliesslich auch der Gesundheitssektor (-8,6 %) und die unternehmensnahen Dienstleistungen (-8,6 %).
Konsum und Investitionen stark rückläufig
Der mehrwöchige Lockdown wirkte sich wenig überraschend stark auf die privaten Konsumausgaben (-8,6 %) aus. Im Zuge geschlossener Geschäfte und Lokale sowie weiterer anderer Einschränkungen sind die Ausgaben in den meisten Konsumbereichen ausserordentlich stark zurückgegangen. Alternative Vertriebswege wie der Onlinehandel hätten die Ausfälle nur teilweise wettmachen können, heisst es.
Ebenfalls stark rückläufig entwickelten sich die Bauinvestitionen (-4,0 %) und die Ausrüstungsinvestitionen (-11,7 %). Stützend wirkte sich dagegen der Staatskonsum (+0,2 %) aus, der im zweiten Quartal gar leicht zulegen konnte. In Summe registrierte die inländische Endnachfrage (-7,4 %) aber einen historischen Rückgang.
Auch wenn das zweite Quartal möglicherweise etwas weniger stark geschrumpft ist als erwartet und die weitgehende Aufhebung des Lockdowns eine Erholung im dritten Quartal gebracht hat, dürfte das BIP im Gesamtjahr ebenfalls massiv schrumpfen. Ökonomen erwarten für 2020 gemäss den aktuellen Schätzungen ein BIP-Minus zwischen etwa 4 und 8 Prozent und damit den schärfsten Rückgang seit Mitte der siebziger Jahre.
Für 2021 wird zwar eine deutliche Erholung erwartet mit Wachstumsraten zwischen 3 und 6 Prozent; das würde aber bedeuten, dass Ende 2021 das Niveau von Ende 2019 noch nicht erreicht ist. Das Ausmass der Erholung dürfte vor allem vom Pandemie-Verlauf abhängen.