FrankreichNestlé mit zwei neuen Klagen in Pizza-Affäre eingedeckt
SDA
10.2.2023 - 18:30
In der Affäre um mit Kolibakterien verseuchten Pizzen sind gegen Nestlé in Frankreich zwei weitere Klagen eingereicht worden. Die dortige Nestlé-Tochter weist alle Anschuldigungen zurück.
10.02.2023, 18:30
SDA
Die Klagen beziehen sich auf Gefährdung des Lebens anderer durch Unvorsichtigkeit, Fahrlässigkeit oder Verstoss gegen die Vorsichts- oder Sicherheitspflicht, die gesetzlich oder durch Reglemente vorgeschrieben sind. Dies sagte die Klägeranwältin Nathalie Goutaland am Freitag der Nachrichtenagentur AWP, nachdem zuerst der Sender «Franceinfo» darüber berichtet hatte.
Weitere Vorwürfe sind eine «schwerwiegende Täuschung» und das Fehlen von Gesundheitszulassungen, wobei alle drei Punkte zusammenhängen würden, hiess es.
Das Verfahren richte sich gegen die Nestlé-Tochter «Société de produits alimentaires de Caudry (SPAC)», welche die Lebensmittelfabrik betreibt und dafür eine Zulassung hätte besitzen müssen, sowie gegen Nestlé Frankreich, erklärte die Anwältin.
Zwei Kinder gestorben
Der Fall reicht rund ein Jahr zurück. Im März 2022 hatte Nestlé seine Pizzas zurückgerufen und die beiden Produktionslinien der Buitoni-Pizzafabrik in Caudry (Nord) geschlossen, nachdem es dort zu dutzenden schweren Vergiftungen durch Escherichia Coli-Bakterien gekommen war. Auch der Tod von zwei Kindern durch Nierenversagen wurde mit dem Konsum der Produkte in Zusammenhang gebracht.
Nestlé selbst hatte sich gegen die Vorwürfe gewehrt. Man habe trotz durchschnittlich mehr als 10'000 Kontrollen pro Woche die Bakterien nicht entdeckt, hiess es. Unmittelbar nachdem die Verunreinigung aber bekannt geworden sei, habe man alle Pizzas aus den Regalen genommen, die Lieferungen gestoppt und die Produktion eingestellt.
Der Nestlé-Frankreich-Chef Christophe Cornu hatte sich bereits im Sommer für die Vorkommnisse entschuldigt und damals angegeben, dass ein Fonds zur Unterstützung der Opfer eingerichtet worden sei. In der Affäre wurden mehrere Klagen vor Gericht eingereicht.
Mitte Dezember durfte Nestlé die Produktion in der Fabrik in Caudry teilweise wieder aufnehmen – allerdings nur auf der Produktionslinie, auf der Pizzas mit vorgekochtem Teig hergestellt werden. Die Linie, auf der rohe Pizzas produziert werden und auf der die Verunreinigung passiert sein dürfte, ist nach wie vor stillgelegt.
Klagen ein Jahr nach Auffliegen der Affäre
Auf die Frage, warum die jetzigen Klagen fast ein Jahr nach Bekanntwerden der Affäre eingereicht wurden, erklärte Anwältin Goutaland, dass sie mit den beiden betroffenen Familien «schon seit einer ganzen Weile» in Kontakt stehe: Es sei manchmal nicht einfach, die Beweise in Fällen von Lebensmittelvergiftung zu sammeln. «Wir haben gewartet, bis wir bereit waren».
Der Vorwurf der Täuschung wurde bereits in einer anderen Klage vorgebracht, wo er sich aber auf die Qualität der Lebensmittel bezog. Sie fokussiere sich dagegen auf den Vorwurf der Täuschung in Bezug auf die Durchführung von Kontrollen, sagte die Klägeranwältin.
Wenn es sich herausstelle, dass eine Gesundheitszulassung gefehlt habe, obwohl sie erforderlich gewesen wäre, dann hätten das die Inspekteure bei ihren Kontrollen in den Jahren 2012, 2014 und 2020 feststellen müssen. Es könnte sich dabei um ein Versagen der Kontrollen handeln, sagte die Anwältin. Sie hoffe Zugang zu den Akten, insbesondere den Inspektionsberichten zu erhalten.
Nestlé: Alle Bewilligungen vorhanden
Nestlé seinerseits wies in einer Stellungnahme gegenüber der Nachrichtenagentur AWP alle Beschuldigungen der Anwältin zurück: «Der Standort Caudry verfügt über alle erforderlichen Genehmigungen und hat diese auch immer gehabt», sagte ein Sprecher von Nestlé Frankreich.
In der Fabrik in Caudry seien keine Rohstoffe verwendet werden, die eine Gesundheitszulassung erfordern würden. Das Unternehmen betonte erneut seine Bereitschaft zur uneingeschränkten Kooperation mit den Behörden.
Schadenersatz von 250 Millionen Euro gefordert
Im Zivilverfahren wird ein Gericht in Nanterre am 9. Mai eine Klage gegen den Nestlé-Konzern auf Schadenersatz in Höhe von 250 Millionen Euro prüfen. Diese Klage ist von 55 Opfern wegen des Vorwurfs «grober Fahrlässigkeit» eingereicht worden.