Katastrophenflieger «Von Clowns entworfen»: Boeing-Mitarbeiter lästern über 737 MAX

SDA/uri

10.1.2020 - 13:23

Kritische E-Mails von Boeing-Mitarbeitern über den Umgang mit dem Unglücksmodell 737 MAX werfen ein schlechtes Licht auf die Unternehmenskultur: Das Flugzeug «sei von Clowns entworfen, die wiederum von Affen beaufsichtigt wurden», schrieb ein nicht genannter Mitarbeiter. (Archiv)
Kritische E-Mails von Boeing-Mitarbeitern über den Umgang mit dem Unglücksmodell 737 MAX werfen ein schlechtes Licht auf die Unternehmenskultur: Das Flugzeug «sei von Clowns entworfen, die wiederum von Affen beaufsichtigt wurden», schrieb ein nicht genannter Mitarbeiter. (Archiv)
Source: KEYSTONE/AP/TED S. WARREN

Boeing hofft, dass sein Modell 737-Max bald wieder fliegen kann. Kritische E-Mails von Boeing-Mitarbeitern über den Umgang mit dem Unglücksmodell werfen jedoch ein schlechtes Licht auf den US-Flugzeugbauer.

Das Flugzeug «sei von Clowns entworfen, die wiederum von Affen beaufsichtigt wurden», schrieb ein nicht genannter Mitarbeiter, der sich im April 2017 mit einem Kollegen über Probleme mit der Computer-Flugsteuerung austauschte.

Zwei Boeing 737 MAX stürzten 2018 und 2019 nach technischen Problemen ab, 346 Menschen verloren dabei ihr Leben. Seither dürfen Flugzeuge dieses Typs auf Geheiss der US-Luftsicherheitsbehörde FAA nicht mehr starten und landen.

Aus vielen der Mails und anderen Kurznachrichten, die Boeing in der Nacht zum Freitag veröffentlichte, spricht Verachtung für das Boeing-Management, aber auch für die FAA und andere Genehmigungsbehörden.

«Würdest Du Deine Familie in ein Flugzeug stecken, dessen Piloten an einem MAX-Simulator geschult wurden? Ich nicht», schreibt ein Boeing-Mitarbeiter Anfang 2018 an einen anderen. «Nein», antwortet dieser.

Boeing hält Lästereien für inakzeptabel

Boeing erklärte, man habe die internen Mitteilungen – insgesamt mehr als 100 Seiten – in einer Transparenz-Offensive gegenüber der FAA öffentlich gemacht. Die Aussagen darin «spiegeln nicht das Unternehmen wider, das wir sind und das wir sein müssen, und sie sind völlig unakzeptabel», betonte der Flugzeugbauer. Am Montag tritt der neue Boeing-Chef Peter Calhoun sein Amt an.

Die FAA erklärte, «Ton und Inhalt der Formulierungen in den Dokumenten seien enttäuschend». Die Behörde sei im Zusammenhang mit dem 737-MAX-Simulator «weder gründlich noch fordernd», hiess es in einer der veröffentlichten Mails.

Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im US-Repräsentantenhaus, Peter DeFazio, sagte, die Mitteilungen zeichneten ein «zutiefst verstörendes Bild davon, wie weit Boeing zu gehen bereit war, um einer Überprüfung durch Regulierungsbehörden, Flugzeugbesatzungen und der Öffentlichkeit zu entgehen, obwohl eigene Mitarbeiter die Alarmglocken schrillen liessen». DeFazio leitet die Untersuchung der beiden Abstürze im Parlament.

«Gott hat mir noch nicht vergeben»

Boeing hatte sich lange dagegen gewehrt, dass Piloten vor einem Einsatz in der 737 MAX überhaupt im Simulator geschult werden sollten, weil der Flugzeugtyp dem Vorgängermodell 737 NG ähnle. «Wir werden das nicht zulassen. Wir werden uns mit jedem Regulierer anlegen, der das verlangt», schrieb ein Boeing-Manager im März 2017 in einer E-Mail.

Nach Gewerkschaftsangaben mussten 737-MAX-Piloten bisher nur einen einstündigen Kurs am iPad absolvieren, ehe sie die Maschine zum ersten Mal flogen. Erst in dieser Woche hatte Boeing einen Kurswechsel vollzogen und Flugzeugführern ein Simulator-Training empfohlen, ehe sie wieder in einer 737 MAX sässen.

In anderen Mails beklagen sich die Boeing-Mitarbeiter bitter über die Unternehmenskultur. Der Flugzeugbauer versuche immer den billigsten Lieferanten zu finden und sage Zeitpläne zu, die nicht einzuhalten seien, hiess es in einer internen E-Mail mit Bezug auf den Flugsimulator für die 737 MAX.

«Ich weiss nicht, wie man das wieder hinkriegen soll... das ist systemisch. Es ist Tatsache, dass wir ein Führungsteam haben, das sehr wenig vom Geschäft versteht und uns doch zu bestimmten Zielen steuert», schrieb ein Mitarbeiter im Juni 2018. «Gott hat mir noch nicht vergeben, was ich vergangenes Jahr verschleiert habe», schrieb ein anderer einen Monat zuvor.

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