Finanz-Experte erklärtZinserhöhung der Nationalbank ist «positiv für alle»
Von Uz Rieger
16.6.2022
Wirtschaftsminister Guy Parmelin zur Erhöhung des Leitzinses
Überraschung bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB): Der Leitzins wird deutlich angehoben. Die straffere Geldpolitik soll verhindern, dass die Inflation breiter übergreift.
16.06.2022
Die SNB hebt die Leitzinsen überraschend und deutlich um einen halben Prozentpunkt an. Was das bedeutet und welche Folgen der Schritt für Privatpersonen hat, sagt der Finanzexperte Martin Spieler.
Von Uz Rieger
16.06.2022, 15:10
16.06.2022, 19:30
Von Uz Rieger
Wer einen Hausbau finanzieren will, dürfte angesichts der überraschenden Erhöhung der Leitzinsen durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) leer schlucken. Kredite werden nun nämlich teurer. Warum der Schritt trotzdem richtig ist – und wer davon profitiert, erklärt der Wirtschaftspublizist und unabhängige Finanzexperte Martin Spieler.
Warum kommt die Anhebung der Leitzinsen so überraschend?
Martin Spieler: Die Schweizerische Nationalbank SNB stimmt ihre Geldpolitik üblicherweise stark auf die Europäische Zentralbank EZB ab. Jetzt zieht die SNB die geldpolitischen Zügel aber sogar schneller an und erhöht die Zinsen rascher, als das in Europa getan wird. In der Vergangenheit hat sie das bewusst nicht gemacht, damit der Franken nicht deutlich erstarkt. Das ist nun zwar auch passiert, aber die Nationalbank nimmt das bewusst in Kauf, um die auch bei uns gestiegene Inflation zu bekämpfen.
Zur Person
zvg
Martin Spieler war Chefredaktor der «HandelsZeitung» und der «SonntagsZeitung». Heute ist er als unabhängiger Finanzexperte, Interviewer und Kolumnist für verschiedene Medien tätig. Zudem moderiert Spieler TV-Sendungen und führt einen eigenen Geld-Blog beim Tages-Anzeiger/Newsnet.
Welchen grundsätzlichen Effekt hat das in der Geldpolitik?
Es geht darum, die Teuerung zu bekämpfen, nachdem diese auch in der Schweiz vom April in den Mai einen Sprung gemacht hat. Letztendlich werden die Kredite durch steigende Zinsen teurer. So versucht die SNB den Wirtschaftsmotor etwas abzukühlen. Sie zieht also die geldpolitischen Zügel an, um die Inflation im Griff zu behalten.
Was bedeutet das für Privatpersonen?
Wer Wohneigentum finanziert oder Wohneigentum kaufen will, für den wird es teurer, denn die Kredite werden teurer. Geld bekommt damit langsam wieder einen Preis. Die SNB hat die Zinsen um 50 Basispunkte erhöht, wobei wir immer noch einen Zins von –0,25 Prozent haben und uns im Minus befinden. Die Zeit für Negativzinsen dürfte damit jedoch bald vorbei sein.
Was bedeutet das für die Schweizer Wirtschaft?
Mit der Massnahme wird versucht, ähnlich wie gerade auch in den USA, den Konsum etwas zu dämpfen. International besteht allerdings auch das Risiko, dass sich die Konjunktur mit den steigenden Zinsen abschwächt. Das gilt vor allem für die USA, aber auch Europa. Das bekommen wir in der Schweiz dann natürlich auch zu spüren. Die Wirtschaft läuft hier zwar nach wie vor auf guten Touren. Doch wenn sich die Wirtschaft in Europa abschwächt, wird der Wirtschaftsmotor auch hier langsamer laufen.
Wer profitiert von dem Schritt?
Grundsätzlich positiv sind die höheren Zinsen für die Versicherten und die Sparer. Sie bekommen derzeit ja nichts für ihr Geld auf dem Konto. Kurzfristig wird der Schritt allerdings noch nicht zu spüren sein – man muss noch Geduld haben. Wenn die Zinsen aber weiter steigen, kriegt man auch auf seinen Sparbatzen langsam wieder was.
Was wir momentan erleben, ist letztendlich eine Normalisierung der Geldpolitik nach einem jahrelangen Ausnahmezustand mit den Negativzinsen. Die Notenbanken versuchen, diesen Ausnahmezustand zu beheben. Prinzipiell ist die Leitzins-Anhebung ein guter Schritt der Nationalbank und für uns alle positiv, denn die Teuerung nagt am Wert des Geldes.
Geraten Hauskäufer nun unter Druck?
Wir haben seit Anfang Jahr bei den Hauskrediten bereits eine Verteuerung gesehen und die werden sicher noch teurer werden. Generell werden die Kredite teurer – auch für die Unternehmen. Wachstumsfirmen, die viel Kapital brauchen, sind nun etwa im Nachteil.
Auf der anderen Seite rechne ich auch bei den Hypotheken nicht mit einem massiven und schnellen Anstieg. Das ist ein Prozess, der langsam eingeleitet wird und schrittweise erfolgt. Es wird aber sicher so sein, dass einige Leute vorsichtiger werden, wenn es um hohe Hypotheken geht. Schliesslich muss man damit rechnen, dass die Zinsen künftig noch weiter stark steigen. Und dann kann es für manche schwer werden.