Rechtlich heikel Darum kann sich die CS-Spitze kein «Sorry» leisten

Von Gil Bieler

23.3.2023

CS-Präsident: «Es ist ein trauriger Tag»

CS-Präsident: «Es ist ein trauriger Tag»

Die Zukunft der Credit Suisse ist entschieden: Die Grossbank UBS wird ihre Konkurrentin übernehmen. Axel Lehmann, Präsident des Verwaltungsrats der Credit Suisse, gibt an der Medienkonferenz am Sonntagabend derweil zu: «Es war klar, dass es so nicht weitergehen kann».

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Die CS-Spitze fährt die Bank in den Abgrund – und steht nicht einmal hin und entschuldigt sich. Zum Kopfschütteln? Vielleicht. Juristisch sei das aber nachvollziehbar, erklärt Wirtschaftsrechts-Experte Peter V. Kunz.

Von Gil Bieler

23.3.2023

Die Empörung von Lukas Hässig ist mit Händen greifbar: «CS-Lehmann total ab Rolle», titelt der Wirtschaftsjournalist auf seinem Portal «Inside Paradeplatz». In dem Beitrag geht er mit Credit-Suisse-Präsident Axel Lehmann hart ins Gericht: «Statt sich beim Volk für eine Pleite der globalen Sonderklasse zu entschuldigen, statt bei den Menschen und den Mitarbeitern um Verzeihung zu bitten für die nicht absehbaren Schäden, die er mitzuverantworten hat, lobt er seinen CEO.»

Mehrere Tage ist die geschichtsträchtige Medienkonferenz nun her, an der das Ende der CS verkündet wurde. Doch die Emotionen haben sich keineswegs gelegt. Das zeigt ein Blick in die Kommentarspalten jedes Onlinemediums. «Jeder normal arbeitende Mensch muss für solche Unfähigkeit die Konsequenzen tragen. Es wird Zeit, dass dies für alle gilt», echauffiert sich etwa ein Leser von blue News. 

Es geht um Tausende Jobs – und Milliarden vom Staat

Die Tragweite dessen, was sich in den letzten Tagen abgespielt hat, ist tatsächlich immens. Eine traditionsreiche Grossbank muss mittels Staatsgarantien gerettet werden – was im schlimmsten Fall 209 Milliarden Franken an öffentlichen Geldern kostet. Tausende Angestellte müssen um ihre Jobs bangen. Aktionär*innen fühlen sich übergangen, viele Kund*innen verunsichert.

Wäre da nicht ein Wort der Entschuldigung von der CS-Spitze zu erwarten, fragen sich viele. Nun: Nicht unbedingt. Denn ein «Sorry» könnte für CS-Präsident Axel Lehmann und CEO Ulrich Körner verheerende Folgen haben.

Die Hintergründe erläutert Peter V. Kunz, Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Bern: «Eine Entschuldigung wäre juristisch gesehen eine Art von Schuldeingeständnis. Und das ist besonders relevant, da Verwaltungsräten und Managern durchaus droht, dass sie mit Klagen eingedeckt werden.» Nicht etwa von Kleinaktionären, sondern von Grossinvestoren aus dem arabischen Raum.

«Wir sprechen hier von Millionenklagen», sagt Kunz im Gespräch mit blue News. Und dafür würden Axel Lehmann und Ulrich Körner mit ihrem gesamten Privatvermögen haften. «Es gibt da keine Limite.»

Der Versicherungsschutz ginge auch verloren

Für solche Verantwortlichkeitsklagen sei das «Verschulden» ein ganz wesentlicher Punkt. Hinzu komme ein anderes Problem: Zwar seien alle Topmanager durch eine Haftpflichtversicherung geschützt, eine sogenannte D & O Liability Insurance. Doch diese zahle nicht, wenn die Versicherten eine Schuld einräumten, sagt Kunz.

Das heisst: Das Risiko einer Klage würde erhöht, der Versicherungsschutz falle weg. «Daher würde ein Axel Lehmann sich niemals persönlich entschuldigen, selbst wenn er das von tiefstem Herzen tun wollte. Juristisch gesehen ist das absolut nachvollziehbar.»

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Ganz abgesehen davon: Die nun amtierende CS-Spitze sei relativ kurze Zeit am Ruder, sagt Kunz. «Die Bank wurde zwar heruntergewirtschaftet, aber nicht von Axel Lehmann und Ulrich Körner.» Beide sind noch kein Jahr im Amt. Wofür genau sie sich also persönlich entschuldigen sollten, sei ihm nicht klar, sagt Kunz. Er stellt sich damit auf denselben Standpunkt wie die meisten Parlamentarier*innen, die ebenfalls vor allem das frühere Management der CS in der Verantwortung sehen.

Ausserdem gebe es in der Schweiz – und der westlichen Welt generell – keine Entschuldigungskultur in der Wirtschaft. Dies im Gegensatz etwa zu Japan, wo der Konzernchef sich nach einer Fehlleistung öffentlich verbeugen und sein Bedauern äussern müsse.

Vor diesem Hintergrund erklärt sich wohl, dass CS-Präsident Lehmann auch bei der Verkündung der Übernahme seiner Bank zwar sagte, es sei «ein historischer, trauriger und sehr herausfordernder Tag für die Credit Suisse, die Schweiz und die globalen Finanzmärkte». Aber kein Wort der Entschuldigung. 

Was juristisch angebracht sein mag, schützt freilich nicht vor der Internet-Community. Das Netz verspottet die CS-Spitze mit diebischer Freude. Dass Lehmann seinem CEO gar ein Kränzchen wand und seine «höchste Hochachtung für Uli Körner und sein Leadership-Team» aussprach, findet nicht nur Wirtschaftsjournalist Lukas Hässig unverständlich.

Ärger droht im In- und Ausland

Und Spott dürfte noch das kleinste Problem sein, das die unmittelbare Zukunft für die neue XXL-UBS bereithält. National- und Ständerat treffen sich im April zu einer ausserordentlichen Session, um über die Zwangsfusion und die milliardenschweren Staatsgarantien zu beraten. Und in den USA stehen bereits Sammelklagen im Raum

Dass in den Vereinigten Staaten am Ende Gerichtsprozesse auf die Schweizer Banken warten, steht für den Wirtschaftsrechts-Experten ausser Frage. Doch: «Das gehört für UBS und CS zum Tagesgeschäft und wird den Verantwortlichen keine schlaflosen Nächte bereiten», sagt Kunz.

Interessanter findet er die Frage, ob auch der Bund eingeklagt werde. «Das wäre meines Wissens nach der erste solche Fall und für die Schweiz ein Reputationsproblem in den USA.»