China gegen JapanWer hat die Nase vorne im Rennen um den schnellsten Zug?
tsha
26.11.2020
China und Japan arbeiten beide an neuen Magnetschwebebahnen. Wer als erster fertig ist, könnte die Zukunft der Technologie prägen.
Mit bis zu 430 km/h über den Boden gleiten – in China kann man schon heute erleben, wie die Zukunft des Reisens eines Tages vielleicht aussehen wird. Nach gut sieben Minuten ist der Spass allerdings schon wieder vorüber, denn die Strecke, die der Transrapid auf seinem Weg vom Shanghaier Flughafen Pudong in Richtung Stadtzentrum zurücklegt, ist nur rund 30 Kilometer lang.
In Betrieb genommen wurde der von deutschen Firmen konzipierte Transrapid vor 17 Jahren – passiert ist seitdem wenig. Die Strecke in Shanghai hat nicht zu einem Boom von Magnetschwebebahnen gesorgt, im Gegenteil: Lange Zeit galt die Technik als viel zu teuer.
In Deutschland, wo der Transrapid einst erfunden worden war, steht bis heute nur eine Teststrecke; Pläne für eine geplante Magnetschwebebahn vom Münchner Flughafen zum Hauptbahnhof im Zentrum der bayerischen Landeshauptstadt wurde vor ein paar Jahren mit Verweis auf die horrenden Kosten wieder aufgegeben.
Nun aber könnte die Technologie doch noch eine Wiederauferstehung feiern – und zu einem erbitterten Wettstreit zwischen Japan und China führen. Denn beide Nationen arbeiten an längeren Strecken für Magnetschwebebahnen. Und beide Länder wollen erster sein, wenn es darum geht, die superschnellen Züge in Betrieb zu nehmen.
«Riesiges Exportpotenzial»
«Die Magnetschwebebahn-Technologie hat ein riesiges Exportpotenzial, und die nationalen Projekte Chinas und Japans sind wie Schaufenster, die zeigen, wie die Technologie im Ausland erfolgreich umgesetzt werden könnten», sagte Professor Christopher Hood von der Universität Cardiff unlängst der Nachrichtenagentur Bloomberg. Hood ist Experte für den japanischen Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen, der seit Mitte der 60er-Jahren viele japanische Städte miteinander verbindet.
Derzeit arbeitet Japan an einer Magnetschwebebahn, die die beiden Metropolen Peking und Osaka näher zusammenrücken soll. Der sogenannten Chuo Shinkansen soll voraussichtlich 2037 fertiggestellt werden. Bei einer Reisegeschwindigkeit von rund 500 km/h soll sich die Reisezeit zwischen den beiden Städten auf etwas über eine Stunde verkürzen.
Das ehrgeizige Projekt soll mit umgerechnet 86 Milliarden US-Dollar zu Buche schlagen; derzeit ist lediglich eine knapp 43 Kilometer lange Teststrecke fertiggestellt.
Doch die japanische Regierung drückt aufs Gas. Denn der Regierung geht es um mehr als nur um die Strecke zwischen Japan und Osaka. «Es herrscht das Gefühl, dass Japan in der technologischen Welt immer weiter hinter China zurückfällt. Wenn es also diese neue Technologie zuerst realisieren kann, würde dies dem Nationalstolz einen grossen Boost verleihen», glaubt Bahnexperte Hood.
Konkurrenz aus China
Denn auch China arbeitet mit Hochdruck an einem ähnlichen Projekt: Zwischen Shanghai und der Hafenstadt Ningbo soll für umgerechnet rund 15 Milliarden US-Dollar eine Magnetschwebebahn gebaut werden. Schon 2035, also zwei Jahre vor dem Projekt in Japan, könnten hier erste Züge verkehren. Sollte China seine Pläne tatsächlich derart schnell verwirklichen, könnte das Land dem Rivalen Japan den Rang als führende Nation beim Bau von Hochgeschwindigkeitsbahnen ablaufen.
Noch ist es allerdings nicht so weit. Zwar entwickelte China unlängst einen Hochgeschwindigkeitszug, der auf verschiedenen Spurweiten fahren kann, und beeindruckte damit die Fachwelt.
Andrerseits war das Land offenbar nicht in der Lage, den Bau der ersten indonesischen Hochgeschwindigkeitsbahn von der Hauptstadt Jakarta nach Bandung zu realisieren: Als das Projekt ins Stocken geriet, wurde Japan mit ins Boot geholt.
Umso mehr ist Japan darauf bedacht, dass Rennen gegen China zu gewinnen. «Wir unternehmen alle Anstrengungen, um den Chuo Shinkansen so schnell wie möglich in Betrieb zu nehmen», sagte eine Sprecherin der Eisenbahngesellschaft JR Central gegenüber Bloomberg. Denn die Technologie soll nicht nur im eigenen Land für einen schnelleren Schienenverkehr sorgen, sondern möglichst auch exportiert werden.
Etwa in die USA, wo JR Central zusammen mit lokalen Partnern eine Magnetschwebebahn zwischen New York und Washington bauen will. Die japanische Regierung unterstützt das Projekt mit Milliardensummen – wegen seiner «Bedeutung für den Ausbau der japanischen Eisenbahnsysteme in Übersee», wie die Sprecherin der Eisenbahngesellschaft betont. Ob die Ostküstenstrecke, die auf den Namen «Northeast Maglev» getauft wurde, aber jemals gebaut wird, ist derzeit noch völlig offen.