Die negativen Schlagzeilen rund um zu hohe Chlorothalonil-Werte in mehreren Schweizer Gemeinden lassen nun auch den Bund aufhorchen: Er erwägt, die Bewilligung von Pflanzenschutzprodukten mit dem Wirkstoff zu widerrufen. Ein Entscheid soll im Herbst fallen.
Zunächst startet das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) am Dienstag ein Vernehmlassungsverfahren, wie es in einer Mitteilung vom Montag heisst. Dabei sollen Umwelt-NGOs Stellung nehmen zu den Ergebnissen der Überprüfung von 15 Fungiziden.
Das entspreche dem seit längerem vorgesehenen Prozess, schreibt der Bund. Gemäss dem Gesetz über den Natur- und Heimatschutz besteht ein Beschwerderecht, welchem nun mit der eingeleiteten Vernehmlassung Rechnung getragen wird.
Seit 40 Jahren im Einsatz
Chlorothalonil ist ein Wirkstoff, der in der Landwirtschaft seit den Siebzigerjahren als Fungizid eingesetzt wird, insbesondere zum Schutz von Getreide gegen zahlreiche Krankheiten. Im Rahmen der Überprüfung wurden gewisse Abbauprodukte im Grundwasser in zu hohen Mengen gemessen.
Zur raschen Korrektur dieser neuen Situation erwägt das BLW in Absprache mit dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV), die Bewilligung für alle Fungizide mit diesem Wirkstoff zu widerrufen.
Neue Erkenntnisse
In den vergangenen Jahren seien die Anforderungen für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln verschärft worden, schreibt der Bund weiter. «Produkte, die vor zwanzig Jahren zulassungsfähig waren, sind es nicht zwingend auch heute noch.»
Mit der Überprüfung älterer Produkte lasse sich in Erfahrung bringen, ob diese die aktuellen Anforderungen nach wie vor erfüllten. Bei Bedarf würden die Anwendungsvorschriften der Produkte angepasst – und wenn dies nicht ausreicht, werden die Bewilligungen widerrufen.
EU-Verbot ab 2020
Im vergangenen März hatte die europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde erstmals darauf hingewiesen, dass für die Abbauprodukte von Chlorothalonil eine Gesundheitsgefährdung bestehen könne. Die EU erliess daraufhin ein Verbot des Pflanzenschutzmittels ab 2020.
Da die Behörden das Abbauprodukt neu als relevant einstuften, untersuchten auch Schweizer Chemiker die Wasserproben erstmals auf diese Rückstände. In den vergangenen Wochen wurden verschiedene Überschreitungen des Grenzwerts publik. Umweltorganisationen forderten seither ein sofortiges Chlorothalonil-Verbot.
Trinkwasser beschäftigt
Der Bund kann mit dem Aktionsplan Pflanzenschutz und der Agrarpolitik 22+ Massnahmen treffen gegen mit Pestiziden belastetes Trinkwasser. Das geht einigen aber zu wenig weit. Gleich zwei Volksinitiativen zum Trinkwasser sind momentan hängig.
Der Nationalrat lehnt wie der Bundesrat sowohl die Trinkwasser- als auch die Pestizidverbots-Initiative ohne Gegenvorschlag ab. Der Ständerat hat über die beiden Initiativen noch nicht beraten. Volk und Stände haben voraussichtlich im kommenden Jahr das letzte Wort.
Bundesrat lehnt Ernährungsinitiative ohne Gegenvorschlag ab
Der Bundesrat lehnt die Ernährungsinitiative ab. Diese verlangt, die Schweizer Lebensmittelproduktion vermehrt auf pflanzliche Kost auszurichten. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass diese Umstellung in der von der Initiative verlangten Zeit nicht möglich ist. Einen Gegenvorschlag zur Initiative will er nicht.
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