Infektionen vermeiden Wie viel Abstand ist wirklich sinnvoll?

tafu

17.6.2020

Sind zwei Meter Abstand im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus zu viel oder zu wenig?
Sind zwei Meter Abstand im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus zu viel oder zu wenig?
Bild: Keystone

Ein Meter, zwei oder gar drei? Wie viel Abstand im Kampf gegen das Coronavirus tatsächlich nötig ist, sehen die Länder unterschiedlich. Auch Wissenschaftler tun sich schwer mit einer eindeutigen Aussage.

Im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus setzen die meisten Länder auf ähnliche Massnahmen: Maskenpflicht, Hygieneregeln und vor allem Abstand. Doch wie viel Distanz ist wirklich nötig, um eine Ansteckung zu verhindern?

Viele Länder wie beispielsweise Deutschland setzen auf 1,5 Meter, die eingehalten werden sollen, in Österreich und Frankreich gilt sogar nur eine Ein-Meter-Mindestabstandsregel. Strenger ist es dagegen in der Schweiz geregelt, hier werden vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) noch zwei Meter empfohlen. Und auch in Grossbritannien sollen sich Menschen mindestens zwei Meter entfernt voneinander begegnen.



Sind zwei Meter zu viel?

Diese Vorgaben halten Kritiker allerdings für zu streng und berufen sich auf eine im Fachblatt «Lancet» veröffentlichte Studie, wie der «Spiegel» berichtet. Für viele Gastronomen sei es unter Einhaltung der Abstandsregel kaum möglich, wieder zu öffnen. Lediglich 20 bis 30 Prozent der Pubs in Grossbritannien könnten die vorgeschriebene Distanz einhalten, beklagt die British Beer and Pub Association. Bei nur einem Meter Abstand wäre eine Wiedereröffnung immerhin für 70 Prozent möglich.

Die «Lancet»-Studie ist eine der bisher umfangreichsten Analysen zur Wirksamkeit der Abstandsregeln. Dabei wurden im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mehr als 200 Untersuchungsergebnisse zum Infektionsrisiko zusammengetragen. Da  Ergebnisse mehrerer Studien zusammengefasst worden sind und somit auf höheren Fallzahlen beruhen, gleichzeitig aber auch Widersprüche aufgedeckt werden könnten, gelten diese Analysen als besonders zuverlässig.



Laut der Studie sei ein Meter Abstand vollkommen ausreichend, das Infektionsrisiko steige nur minimal im Vergleich zu zwei Meter Abstand. Allerdings hinke die Argumentation der Studie: Noch immer weiss man nicht, wie viel Abstand ausreicht, um wirklich eine Infektion zu verhindern.

Welche Rolle spielen Aerosole?

Auch sei bisher nicht geklärt, wie gross die Rolle der sogenannten Aerosole, also virenbelasteter Schwebeteilchen, bei der Ausbreitung ist. Ausserdem beschäftigten sich die in der Studie berücksichtigten Ergebnisse nicht nur mit dem neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2, sondern ebenfalls mit den verwandten Erregern Sars und Mars, bei denen Forscher von ähnlichen Verbreitungswegen ausgehen.

Kritiker einer strengen Abstandsregel berufen sich auf eine bestimmte Abbildung innerhalb der Studie, welche zeigt, dass das Risiko, sich anzustecken, bei einem Abstand von mindestens zwei Metern bei 1,3 Prozent liege, bei einem Meter dagegen bei 2,6 Prozent.



Genau diese Annahme, dass sich das Risiko mit jedem zusätzlichen Meter halbiere, wird unter anderem von dem Statistikprofessor David Spiegelhalter der Universität Cambridge in Zweifel gezogen. Zwar sei davon auszugehen, dass ein Abstand von mindestens zwei Metern sicherer ist, aber wie viel sicherer, darüber lasse sich anhand der Daten keine Aussage treffen.

Obendrein sei nicht nur der Abstand entscheidend, ob sich jemand ansteckt, sondern auch, wie viel Zeit er mit einem Infizierten verbringe und mit wie vielen Viren er in Kontakt komme.

Auch die Autoren der Studie hatten tatsächlich nie behauptet, dass ein Meter Abstand ausreichend sei, sondern lediglich, dass das Risiko, sich anzustecken, ab dieser Distanz signifikant sinke. Noch sicherer wären vermutlich sogar drei Meter.

Wissenschaftlich lässt sich demnach noch immer nicht genau beziffern, welcher Abstand das geringste Risiko birgt. Doch in einem Punkt ist man sich einig: Abstandhalten ist der zuverlässigste Schutz, bis es eine Impfung gibt.

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