Interlakner MordprozessVerteidiger: Es war kein schwerer Streit
hn, sda
7.12.2022 - 12:55
Eine Profi-Boxerin soll ihren Ehemann getötet haben und muss sich deshalb vor dem Regionalgericht in Thun verantworten. Der Verteidiger der 36-Jährigen misst einem Streit des Paares weniger Bedeutung zu.
07.12.2022, 12:55
07.12.2022, 14:17
SDA
Im Interlakner Mordprozess hat der Verteidiger der Angeklagten ein etwas anderes Bild der Beziehung seiner Mandantin zu ihrem Ehemann geschildert. Ein Ferienstreit der beiden sei lange nicht so schlimm gewesen, wie die Staatsanwaltschaft das beschreibe.
Es wäre völlig unrealistisch anzunehmen, dass es in einer Paarbeziehung nie Meinungsverschiedenheiten gebe, betonte der Verteidiger. Einen solchen habe es in den gemeinsamen Familienferien seiner Mandantin zweifellos gegeben.
Die Angeklagte reiste daraufhin mit ihrem Sohn zurück ins Berner Oberland. Am Morgen danach habe sich der Ehemann nach ihrem Befinden erkundigt. Die Angeklagte wiederum habe auf Facebook Ferienbilder gepostet und geschildert, wie schön und glücklich die Ferien für alle waren. Alles Dinge, die man nach einer heftigen Auseinandersetzung kaum erwarten würde.
Verteidiger sieht Racheaktion von Befragten
Weiter habe die Angeklagte auch nach den Ferien noch Zugang zur Wohnung ihres Mannes gehabt, mit seiner Zustimmung. Als einziger der vielen Befragten habe nur ihr Sohn ausgesagt, die Angeklagte und ihr Ehemann hätten sich trennen wollen.
In einer zweiten Einvernahme habe der Sohn dann sehr widersprüchliche Angaben gemacht. Es sei klar, dass Kinder einen Streit der Eltern durchaus anders und bedrohlicher wahrnehmen könnten als er wirklich sei.
Die meisten anderen Befragten hätten von einer guten Beziehung des Paares berichtet. In Befragungen negative Äusserungen über seine Mandantin stammten vornehmlich von einem Ex-Freund und einem anderen ehemaligen Beziehungspartner. Sie seien von seiner Angeklagten abgewiesen worden und wollten sich nun rächen, bilanzierte der Verteidiger.
Staatsanwältin sieht klare Indizien für Verurteilung
Die Staatsanwältin hält die Indizien unterdessen für genügend erhärtet, um die ehemalige Profi-Boxerin hinter Gitter zu bringen. Sie soll im Oktober 2020 ihren Mann in Interlaken erschlagen haben. Das sagte sie am Mittwochmorgen in ihrem Plädoyer.
Jemand habe ihren Mann umgebracht und nun stehe sie vor Gericht, hatte sich die Angeklagte Anfang Woche zum Beginn des Prozesses beschwert. Und sie fragte: «Warum? Weil ich Brasilianerin bin, weil ich Boxerin bin, weil ich 27 Jahre jünger bin als mein Mann.»
Dieses Zitat nahm die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer auf und Antwortete mit einem klaren Nein. Die Frau stehe vor Gericht, weil umfangreiche und breit geführte Ermittlungen ergeben hätten, dass nur die Angeklagte ihren Mann habe umbringen können. Die Indizien sprächen eine klare Sprache.
Aufgrund des Spurenbildes vor Ort müsse man davon ausgehen, dass die Täterin massive Gewalt gegen das Opfer angewendet habe. Die Täterin habe ihren sterbenden Mann allein zurückgelassen. Die vielen Blutspuren in der Wohnung zeugten von einem langen Todeskampf des Ehemannes.