Prozess in New York Jury spricht Ex-Filmmogul Weinstein wegen Sexualverbrechen schuldig

dpa

24.2.2020

Tagelang haben zwölf Laienrichter beraten, um zu einem einstimmigen Urteil über Harvey Weinstein zu kommen. Sie sprechen den einstigen Hollywood-Mogul im Vergewaltigungsprozess nun schuldig — allerdings nicht in allen Anklagepunkten.

Gut zwei Jahre nach dem Start der MeToo-Bewegung durch Vorwürfe gegen Harvey Weinstein hat ein US-Gericht den früheren Hollywoood-Mogul wegen Sexualverbrechen schuldig gesprochen. Das teilten die Geschworenen am Montag dem Obersten New Yorker Gericht nach tagelangen Beratungen mit. Weinstein drohen nun Jahre in Haft. Das Strafmass wird von Richter James Burke später verkündet.

In dem spektakulären Vergewaltigungsprozess kam die Jury aus Laienrichtern zu der Entscheidung, den 67-Jährigen wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung zu verurteilen. Nicht schuldig sei Weinstein jedoch im schwersten Anklagepunkt des «raubtierhaften sexuellen Angriffs» und dem Vorwurf einer weiteren Vergewaltigung.



Seit 2017 haben mehr als 80 Frauen Weinstein sexuelle Übergriffe vorgeworfen. In dem aufsehenerregenden New Yorker Prozess geht es seit Januar aber vor allem um zwei Vorwürfe: Weinstein soll 2006 die Produktionsassistentin Mimi Haleyi zum Oral-Sex gezwungen und die heutige Friseurin Jessica Mann 2013 vergewaltigt haben.

Weinstein wurde nach der Urteilsverkündung in Handschellen abgeführt. Er muss bis zur Verkündung des Strafmasses durch Richter Burke am 11. März im Gefängnis bleiben. Der Ex-Filmmogul hat die Möglichkeit, Berufung gegen die Entscheidung einzulegen. Einer seiner Anwälte hatte das gegenüber der Deutschen Presse-Agentur für den Fall einer Verurteilung bereits angekündigt. Dabei könnten Weinsteins Verteidigung beispielsweise die Rolle des Richters ins Visier nehmen und diesen in seiner Verfahrensführung als voreingenommen darstellen.

Harvey Weinstein am Montag bei der Ankunft vor Gericht. Die Jury sprach ihn schuldig.
Harvey Weinstein am Montag bei der Ankunft vor Gericht. Die Jury sprach ihn schuldig.
Bild: KEYSTONE/AP/John Minchillo

Der Prozess gilt als Meilenstein der MeToo-Ära, die von dem Fall ausgelöst wurde. In den vergangenen Wochen hatte die Staatsanwaltschaft in dem Verfahren versucht, mithilfe von insgesamt sechs Hauptzeuginnen in teils drastischer Detailtiefe ein Muster Weinsteins offenzulegen — das eines Mannes, der seine Macht in der Filmindustrie systematisch ausnutzte, um sich junge Frauen gefügig zu machen; eines Mannes, der Frauen für Sex Karrierehilfe versprach und sie bei einem Nein zum Geschlechtsverkehr zwang.

Die Verteidigung hingegen hatte den Zeuginnen eine Mitschuld gegeben und Weinstein in einer Opferrolle dargestellt. Frauen hätten ihn über Jahrzehnte wegen seines Einflusses und Geldes ausgenutzt, sie seien sich ihrer Handlungen und Signale an ihn bewusst gewesen. Jeglicher Sex habe einvernehmlich stattgefunden.

Weinsteins Anwälte hatten hervorgehoben, dass Jessica Mann eine längere Beziehung mit dem heute 67-Jährigen geführt habe. Sie zeigten Nachrichten und E-Mails von dem mutmasslichen Opfer, die ein positives Verhältnis zu Weinstein auch nach den vorgeworfenen Taten widerspiegeln sollten. Damit versuchten die Verteidiger, bei den Juroren Zweifel an der Schuld Weinsteins zu säen.

Zumindest bei den schwersten Vorwürfen des «predatory sexual assault» — die lebenslängliche Haft möglich gemacht hätten — schienen die Juroren unentschlossen. Dies bedeutet, dass sie dem mutmasslichen Opfer Annabella Sciorra, einer Schauspielern, nicht einstimmig glaubten. Wegen Übergriffen gegen Haleyi und Mann jedoch waren die Geschworenen übereinstimmend der Meinung, dass Weinstein sich Verbrechen schuldig gemacht habe.

Die Anschuldigungen gegen den Produzenten, im Herbst 2017 von der «New York Times» und dem Magazin «New Yorker» veröffentlicht, waren der Anfang der MeToo-Bewegung. Überall auf der Welt erkannten viele Frauen und auch einige Männer in der Folge ihre eigenen Geschichten in denen der mutmasslichen Weinstein-Opfer wieder — sie begannen, diese Geschichten unter dem Schlagwort «Me too» («Ich auch») zu sammeln.

Der Prozess hatte von Anfang an gegen eine mögliche Vorverurteilung des Angeklagten zu kämpfen — wegen der breiten gesellschaftlichen Debatte und der intensiven Berichterstattung in den vergangenen Jahren. Kundgebungen und Gesänge gegen männlichen Machtmissbrauch und sexuelle Gewalt veranlassten die Verteidigung zu Beginn des Verfahrens, erneut eine Verlegung der Sitzungen ausserhalb von New York zu beantragen. Dies wurde nicht bewilligt.

Bei der Auswahl der Geschworenen zu Beginn des Verfahrens erklärten sich auffallend viele der potenziellen Kandidaten von vornherein für befangen. Den letztendlich ausgewählten Juroren hatte Richter Burke ins Gewissen geredet: «Dieser Prozess ist kein Referendum über die MeToo-Bewegung», sagte er. Es gehe ausschliesslich darum, die juristische Schuld bei den zwei Vorfällen 2006 und 2013 zu klären.

Die Jury-Beratungen zogen sich über Tage hin. Anfragen ans Gericht liessen dabei den Schluss zu, dass die Jury sich zwischenzeitlich in mehreren Anklagepunkten nicht einig war.

Weinstein war zu den Sitzungen vor dem Obersten New Yorker Gericht nach einem Autounfall im August stets tief gebeugt und auf eine Gehhilfe gestützt in den Saal 1530 in Manhattan gehumpelt. Er selbst hatte im Prozess die Aussage verweigert — normalerweise eine taktische Entscheidung, um das Risiko eines Kreuzverhörs durch die Staatsanwaltschaft zu vermeiden.

Die juristischen Kämpfe sind für Weinstein auch ausserhalb des Verfahrens in New York nicht zu Ende. In Los Angeles wurde er ebenfalls wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung angeklagt. Auch dort könnte es zu einem Prozess kommen. Davon abgesehen verhandeln seine Anwälte weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit zivilen Klägerinnen um Entschädigungen.

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