PersonalmangelFlugausfälle und Tausende gestrandete Passagiere
tgab
6.6.2022
Bei den Airlines mehren sich Flugausfälle und im Ausland gestrandete Passagiere. Der Grund: Es fehlen Mitarbeiter, die sich in der Pandemie andere Jobs gesucht haben. Die Sorge vor chaotischen Zuständen in den Sommerferien wächst.
tgab
06.06.2022, 16:35
10.06.2022, 04:33
Nach Flugausfällen bei grossen europäischen Airlines und Tausenden im Ausland gestrandeten Passagieren in Folge von Personalmangel wächst die Sorge vor chaotischen Zuständen in der Hauptreisezeit. Nach Weggängen und Entlassungen in der Pandemie sind in der Branche noch nicht genug Beschäftigte angestellt und einsatzfähig, um dem Reiseansturm gerecht zu werden.
Am Wochenende sind nach Medienberichten wegen etlicher Flugausfälle unter anderem Tausende Britinnen und Briten im Ausland gestrandet. Sowohl die Airline Easyjet als auch British Airways und Tui strichen wie schon in den Tagen zuvor etliche Flüge. In London-Heathrow, dem grössten Flughafen Europas standen Fluggäste letzte Woche teilweise stundenlang Schlange, bevor sie einchecken konnten. Die britische Regierung warf der Branche vor, sich nicht ausreichend vorbereitet zu haben.
Fehlendes Personal bei Gepäckabfertigung und Sicherheit
Die niederländische Fluggesellschaft KLM hatte am Pfingstsonntag damit begonnen, zahlreiche ihrer am Vortag in europäischen Ländern gestrandeten Passagiere nach Amsterdam zu bringen. Wegen erheblicher Verzögerungen bei der Abfertigung am Airport Schiphol hatte sich KLM den Angaben zufolge am Samstag entschieden, etliche Linienflüge von europäischen Städten ausfallen zu lassen. In den Wochen zuvor hatte der Flughafen bereits mit grossen Problemen durch Personalmangel bei der Gepäckabfertigung und Sicherheit gekämpft.
Auch in Deutschland ist der Personalmangel gross. «Über alle Standorte hinweg fehlen den Dienstleistern, die an der Abfertigung der Passagiere beteiligt sind, rund 20 Prozent Bodenpersonal im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit. Das kann vor allem beim Check-in, beim Beladen der Koffer und in der Luftsicherheitskontrolle zu Engpässen in Spitzenzeiten führen», hatte der Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbandes ADV, Ralph Beisel, der Deutschen Presse-Agentur jüngst gesagt.
Notstand lässt sich nicht schnell beheben
Überraschend kommt der Notstand nicht. In einer Umfrage, die die beiden Branchenverbände ACI und ASA vor einem Monat publiziert haben, prognostizieren zwei Drittel der befragten Flughafen-Verantwortlichen, dass es aufgrund des Personalmangels zu Verspätungen kommen könnte. Ein Drittel der Befragten geht sogar davon aus, dass sich diese Probleme bis in den Herbst hineinziehen.
Denn so rasant, wie derzeit das Reisefieber steigt, können die Unternehmen auf dem ausgetrockneten Arbeitsmarkt nicht rekrutieren. ADV-Verbandschef Beisel betonte, dass wegen der Sicherheitsauflagen für die Stellenbesetzung an Flughäfen, der «Zuverlässigkeitsüberprüfung», Mitarbeiter nicht von heute auf morgen eingestellt werden könnten.
Swissport, weltgrösste Servicegesellschaft für Fluggesellschaften und Flughäfen, arbeitet daran «die Ressourcenprobleme in den Niederlanden und Grossbritannien in den Griff zu bekommen», sagte Sprecherin Nathalie Berchtold dem «Tages-Anzeiger». Während der Corona-Pandemie hat Swissport die Anzahl seiner Arbeitsplätze weltweit von 65’000 auf 40’000 reduziert.
Indirekte Auswirkungen auf Schweizer Flughäfen
Im Hinblick auf die Schweizer Flughäfen gibt sich Swissport gelassen: «In Basel, Genf und Zürich, verfügen wir aktuell über genügend Personal, um die angekündigten Flüge abzudecken», sagt die Mediensprecherin des Unternehmens. Weitere Abstriche bei den Flugplänen müssten nicht gemacht werden. Flüge im Hochsommer hat die Swiss bereits vorab gestrichen, weil die Fluggesellschaft über zu wenig Kabinenpersonal verfügt.
Indirekt bekommen die Schweizer Flughäfen und Fluggesellschaften die Probleme dennoch zu spüren. Wenn es an den grossen Passagier-Drehkreuzen in London und Amsterdam stockt, starten oft auch Flüge hierzulande mit Verspätung oder Passagiere müssen umgebucht werden.
Für Sicherheitskontrollen ist am Flughafen Zürich die Kantonspolizei zuständig. Die bestätigt dem «Tages-Anzeiger», es stünden genügend Leute zur Verfügung. Im Gegensatz zu vielen privaten Sicherheitsdiensten habe die Kantonspolizei während der Pandemie keine Stellen abgebaut. Anders seht es am Flughafen Genf aus. Dort ist ein privates Unternehmen mit den Sicherheitschecks betraut. Der Mediensprecher des Flughafens Genf spricht dann auch von einer «generell sehr angespannten Personalsituation».