König Charles III. Ein Thron für einen Gärtner

Von Herbert Aichinger

10.9.2022

König Charles III., der Nachfolger von Queen Elizabeth II., dürfte der britischen Monarchie mit seinem sozialen und ökologischen Engagement neue Impulse verleihen.
König Charles III., der Nachfolger von Queen Elizabeth II., dürfte der britischen Monarchie mit seinem sozialen und ökologischen Engagement neue Impulse verleihen.
Keystone

Queen Elizabeth II. war jahrzehntelang das freundliche und diplomatische Gesicht Grossbritanniens. König Charles III. könnte ganz neue, zukunftsweisende Akzente setzen.

Von Herbert Aichinger

Prince Charles war nie der Society-Löwe. Nach aussen hin wirkte er oft spröde und unnahbar. In die Klatschspalten der Medien schaffte er es mit den Skandalen um Lady Diana und seiner engen Verbindung zu seiner langjährigen Freundin und jetzigen Partnerin Camilla.

Ein Bild aus alten Tagen: Prinz Charles, Prinzessin Diana und ihre beiden Söhne William und Harry auf einer Velotour im Jahr 1989. In der Boulevardpresse stand immer mehr die Familie im Mittelpunkt und nicht Charles' soziales und ökologisches Engagement. 
Ein Bild aus alten Tagen: Prinz Charles, Prinzessin Diana und ihre beiden Söhne William und Harry auf einer Velotour im Jahr 1989. In der Boulevardpresse stand immer mehr die Familie im Mittelpunkt und nicht Charles' soziales und ökologisches Engagement. 
Keystone

Trotzdem sind andere Mitglieder der Royal Family auf den Nachrichtenseiten wesentlich präsenter – etwa Prince Andrew mit seinen Verbindungen zu Jeffrey Epstein und Ghislaine Maxwell. Oder Sohn Harry und Gattin Meghan Markle, die sich aus dem Kreis der königlichen Familie weitgehend zurückgezogen haben, um ihr eigenes Leben zu leben. Aber Charles war in all den langen Jahren als Thronanwärter nicht untätig. Seine vielfältigen Aktivitäten boten aber kaum Stoff für die Boulevardpresse.

Visionäre Perspektiven für die Architektur der Zukunft

Charles hat sich immer für gesellschaftliche Themen engagiert – und dafür auch jede Menge Spott geerntet. Als er in den 1980er-Jahren seine Stimme gegen moderne Auswüchse des Städtebaus und trostlose Mietskasernen erhob, wurde er von der Fachwelt eher belächelt.

Seine Thesen, die er 1989 in seinem Buch «A Vision of Britain» niederlegte, galten seinerzeit als reaktionär – und wirken heute tatsächlich wieder eher visionär: Charles plädierte für eine nachhaltige Architektur, die sich nicht nur harmonisch in die Landschaft einfügt, sondern auch die Besonderheiten der Umgebung aufgreift und Materialien aus der Region nutzt.

Sein Anliegen: Umgebungen zu schaffen, in denen sich Menschen wohlfühlen und mit denen sie sich identifizieren können. Die Wohnsilos, die seinerzeit überall aus dem Boden gestampft wurden, sah Charles nicht nur als menschenfeindlich an, sondern auch als Katalysatoren für soziale Konflikte.

Der Erlös aus den Verkäufen des Buches «A Vision of Britain», das teilweise mit Charles‘ eigenen Aquarellen illustriert war, floss übrigens komplett in Wohltätigkeitsprojekte der Prince of Wales Charities.

The Prince’s Trust: Charles als Humanist und Menschenfreund

Soziale Projekte fördert Charles bis heute durch vielfältige Aktivitäten. So gründete er 1976 den Prince’s Trust, eine gemeinnützige Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, Jugendlichen in Notsituationen zu helfen. Im Fokus steht dabei der Kampf gegen Obdachlosigkeit, den sozialen Abstieg und die Prävention von Jugendkriminalität.

Mit dem Prince's Trust finanziert Charles Förderprojekte für Jugendliche in Not und erhält dabei Unterstützung vieler Prominenter – bei der Royal Gala zum 21. Jubiläum in Manchester 1997 waren auch die Spice Girls mit von der Partie. 
Mit dem Prince's Trust finanziert Charles Förderprojekte für Jugendliche in Not und erhält dabei Unterstützung vieler Prominenter – bei der Royal Gala zum 21. Jubiläum in Manchester 1997 waren auch die Spice Girls mit von der Partie. 
EPA/JOHN GILES/Keystone

Jährlich arbeitet der Trust mit etwa 60'000 Jugendlichen, von denen drei Viertel eine Arbeit finden, eine Ausbildung beginnen oder ein Training absolvieren. Für das Programm konnte Charles immer wieder namhafte Künstler als Unterstützer gewinnen – wie etwa Ex-Beatle George Harrison, Rolling Stone Mick Jagger, David Bowie, Elton John, Eric Clapton oder Beyoncé.

Ökologische Projekte: Ein Gärtner mit Weitblick

Nachhaltigkeit liegt dem Prince of Wales und neuen König des Inselreichs seit Langem am Herzen. Schon den 1980er-Jahren stellte er sein Landgut Highgrove in den Cotswolds komplett auf ökologischen Landbau um – und lieferte damit den Beweis, dass man mit nachhaltig erzeugten Produkten auch Gewinne erwirtschaften kann.

Charles und Camilla begutachten Rosen aus Highgrove auf der jährlichen Chelsea Flower Show 2009.
Charles und Camilla begutachten Rosen aus Highgrove auf der jährlichen Chelsea Flower Show 2009.
AP Photo/Sang Tan, Pool/Keystone

Schottisches Herrenhaus wird Zentrum der Nachhaltigkeit

Ganz in der Nähe von Glasgow blüht – im wahrsten Sinne des Wortes – ein weiteres Projekt des britischen Thronfolgers: Der Herrensitz Dumfries House aus dem 18. Jahrhundert ist umgeben von Gärten mit alten Wiesenblumen und Rosen. Hier finden sich Designer und Ingenieure zusammen, um beispielsweise alte, umweltverträgliche Techniken der Textilproduktion wiederzubeleben.

Die strukturschwache Region, die unter dem Niedergang des Kohlebergbaus leidet, profitiert nun vom royalen Start-up-Projekt: Werkstätten, eine Schneiderei und eine Gärtnerei verleihen der Gegend neue wirtschaftliche Impulse – mit neuen, fair und ökologisch hergestellten Markenwaren.

Nachhaltige Leckereien aus den schottischen Highlands

Ein Haferkeks machte den Anfang: 1990 gründete Charles seine Biomarke «Duchy Originals» und begann mit dem Vertrieb organisch produzierter Cookies. Der Erfolg gibt Charles recht: Heute hat sich Duchy Originals als angesehenes Biolabel etabliert. Die mittlerweile über 300 verschiedenen Produkte werden seit 2015 unter dem Label «Waitrose Duchy Organic» in Grossbritannien vertrieben. Ein Teil des Erlöses aus den Verkäufen fliesst für wohltätige Zwecke in den The Prince of Wales’s Charitable Fund.

Charles hat sich immer für ökologische, nachhaltige Landwirtschaft engagiert – hier 2004 mit seinem Sohn Prince William auf der Duchy Home Farm in Gloucestershire.
Charles hat sich immer für ökologische, nachhaltige Landwirtschaft engagiert – hier 2004 mit seinem Sohn Prince William auf der Duchy Home Farm in Gloucestershire.
EPA/Chris Ison/Keystone

Baumschule auf historischem Boden

In Cornwall unterhält der Thronfolger ferner die Duchy of Cornwall Nursery, eine Baumschule auf altem Landbesitz, der seit König Edward III. von der Royal Family bewirtschaftet wird. Auch in anderen Teilen der Welt kümmert sich Charles um den Wald und um den Kampf gegen den Klimawandel: The Prince’s Rainforest Project (PRP) wurde 2007 ins Leben gerufen.

Ausgezeichnetes Engagement für Menschen und Umwelt

Für seine Nachhaltigkeitsinitiativen wurde Charles 2008 mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis und mit dem amerikanischen Global Environment Citizen Award der Harvard Medical School ausgezeichnet.

Der lebenslange Einsatz für soziale und ökologische Belange dürfte wohl auch der Regierungszeit von König Charles III. einen ganz eigenen und zukunftsgerichteten Akzent verleihen.