Vater des Schweizer AutorenfilmsDer Genfer Regisseur Alain Tanner ist gestorben
kw, sda
11.9.2022 - 14:23
Mit ihm verliert das Schweizer Kino eine grosse Persönlichkeit: Alain Tanner galt als politischer Filmemacher und Mitbegründer des Schweizer Autorenfilms: Nun ist der Regisseur im Alter von 93 Jahren verstorben.
11.09.2022, 14:23
SDA / tchs
Der Genfer Filmregisseur und Drehbuchautor Alain Tanner ist tot. Er verstarb am Sonntagmorgen im Alter von 93 Jahren, wie die Association Alain Tanner in Absprache mit der Familie bekannt gab. Mit ihm starb einer der Väter des Schweizer Autorenfilms.
Seinen letzten Film «Paul s'en va» drehte Alain Tanner 2004. Er habe genug gekämpft für die Kultur und das Kino, sagte Alain Tanner anlässlich seines 80. Geburtstags in einem Interview.
Nicht ohne Bitterkeit beklagte sich der Genfer damals über die Schwierigkeiten, einen Film zu finanzieren. Tanner zeigt sich überzeugt, dass sein Entscheid, mit dem Filmemachen aufzuhören, den Leuten «völlig gleichgültig» sei.
Leuchtturm des Schweizer Films
Ohne den 1929 in Genf geborenen Alain Tanner indessen ist das heutige Schweizer Filmschaffen undenkbar. Er galt als einer der Leuchttürme des Schweizer Films und stand zusammen mit seinen Kollegen Michel Soutter, Claude Goretta, Jean-Louis Roy und Jean-Jacques Lagrange in den 1970-er Jahren sinnbildlich für den neuen Schweizer Film.
In Tanners Kino sah Nicolas Bideau, der einstige Filmchef des Bundesamtes für Kultur (BAK), «die perfekte Verbindung» von Engagement und Poesie. «Kein Schweizer Filmemacher hat uns auf diese Weise über die Schweiz nachdenken lassen», schrieb Bideau in einer Würdigung.
Bevor Tanner sich aufs Altenteil zurückzog, war er nicht nur einer der bekanntesten Schweizer Filmemacher, sondern auch einer der fleissigsten. Von Ende der 1960er Jahre bis 2004 drehte er unermüdlich alle zwei bis drei Jahre einen Kinofilm.
Politischer Filmemacher
Mit seinem düsteren Erstling «Charles mort ou vif» über einen abgängigen Genfer Fabrikanten gewann Tanner auf Anhieb den Goldenen Leoparden am Filmfestival Locarno. Später folgten zahlreiche weitere Preise. Tanner verstand sich als Autorenfilmer, seine Drehbücher schrieb er immer selbst.
Tanners Engagement begann früh: In Genf, wo er zeitlebens seinen Lebensmittelpunkt hatte, gründete er als Student mit Claude Goretta den «Ciné Club Universitaire» und 1968 zusammen mit Michel Soutter, Jean-Louis Roy, Jean-Jacques Lagrange und Goretta das berühmte Produktionskollektiv «Groupe des 5».
Die Ereignisse von 1968 prägten den charismatischen Genfer. Seine Filme hatten immer auch die Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse zum Ziel. Dem Ideal, dass Filmemachen auch politische Arbeit sei, blieb Tanner während seiner gesamten Karriere treu.