Polizei ermitteltBündner Wolf wandert nach Ungarn und wird geschossen
smi
13.4.2023
Ein in der Schweiz geborener und mit einem Sender bestückter Wolf ist 2000 Kilometer bis nach Ungarn gewandert. Dort ist er illegal geschossen worden. Dem Täter drohen nun mehrere Jahre Haft.
smi
13.04.2023, 19:15
smi
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Ein in Graubünden geborener und mit Sender versehener Wolf ist 2000 Kilometer bis nach Ungarn gewandert.
In einem Nationalpark ist er gemäss ungarischen Medien illegal geschossen worden.
Der Wolf hat einen 3510 Meter hohen Gletscher und diverse besiedelte Gebiete überwunden.
Wird ein männlicher Wolf erwachsen, verlässt er das Rudel und geht auf Wanderschaft. So auch ein Grauwolf, geboren 2021 im Stagias-Rudel in der Umgebung von Disentis. Er erhält die Codenummer M237.
Ein Jahr später gerät er, noch immer Jungwolf, Wildhütern vor das Betäubungsgewehr. Sie legen ihm ein Sendehalsband an und können fortan verfolgen, wo sich das Tier aufhält. Die NZZ hat die rekordverdächtige Wanderung des Tieres aufgearbeitet.
Anfang Juni 2022 ist es so weit: M237 bricht auf, um sich einen neuen Lebensraum und ein Weibchen zur Paarung zu suchen. Es zieht in ostwärts, an Chur, Davos und Scuol vorbei. Nach zweieinhalb Wochen überquert er die Grenze zu Italien, die erste von drei Landesgrenzen.
Der Wolf auf dem 3510 Meter hohen Gletscher
M237 wandert so konsequent und präzise weiter nach Osten, dass es scheint, als hätte er eine Destination vor Augen. Die NZZ zitiert die Wildtier-Biologin Nina Gerber, die erklärt, der Wolf habe sich immer in Richtung der Population in den Karpaten bewegt.
Sie und ihre Kolleg*innen könnten sich aber nicht vorstellen, dass dies sein Ziel gewesen sei, schliesslich sei es über 2000 Kilometer entfernt. Und Wölfe unternähmen nicht wie Zugvögel über Generationen die gleichen Wanderungen.
Im Schnitt legt der Bündner Wolf 7 Kilometer pro Tag zurück, es können aber bis zu 50 sein. Er ist Pragmatiker, geht Wege und Strassen entlang und nutzt Brücken, obwohl er schwimmen kann. Stösst der Wolf an ein Gewässer, sucht er nach einem Weg darum herum, so etwa am Reschensee im Südtirol. Ein halbes Jahr später zwingt ihn die Donau in der Umgebung von Wien zur Umkehr.
Umso erstaunlicher ist, dass er vom Reschensee nicht das Vinschgau hinab südwärts wandert, sondern den bis auf 3510 Meter über Meer reichenden Gletscher Gepatschferner überquert. Auf diesem gelangt er auf österreichisches Staatsgebiet.
Österreichische Jäger bangen um ihr Wild
Weiter ostwärts begibt sich M237 dann in immer dichter besiedeltes Gebiet mit aktiver Jagdgemeinde. Diese tauscht sich laut NZZ intensiv über die Bewegungen des Eindringlings aus, der ihr Jagdwild bedroht.
In Ungarn sind die Medien durch die österreichische Berichterstattung schon auf den Schweizer Grauwolf aufmerksam geworden, bevor dieser am 9. Februar 2023 beim Neusiedlersee die Grenze überschritten hat. Die Wildschweine, die er dort reisst, vermisse niemand, berichtet die NZZ aus der Lokalpresse, davon gebe es mehr als genug.
Mitte März 2023 kommt der Wolf aus Disentis schliesslich in Budapest an und gelangt dort fast bis ins Stadtzentrum. Wieder steht er am Ufer der Donau an. Nach Tagen des Suchens findet er eine Stelle, an der sich der Fluss in zwei Arme teilt, die einfacher zu überwinden sind.
Endstation ungarischer Nationalpark
Der Bericht der NZZ endet hier mit der Hoffnung, der ausgewanderte Bündner möge im Bükk-Nationalpark oder den Karpaten ein paarungswilliges Weibchen finden und sich dort niederlassen. Denn weiter östlich beginne das ukrainische Kriegsgebiet.
Noch im März erreicht M237 ebendiesen ungarischen Nationalpark, eng verfolgt vom Nachrichtenportal boon.hu. Am 12. April meldet es schliesslich, der «Schweizer Signalwolf» sei bei Hidasnémeti geschossen worden. 2000 Kilometer entfernt vom Ort, an dem er aufgebrochen ist. Details zum Abschuss sind keine bekannt. Die Polizei habe boon.hu aber bestätigt, dass ein Strafverfahren wegen des illegalen Abschusses eingeleitet worden sei.
Der Europäische Grauwolf stehe in Ungarn unter Schutz. Ein solches Tier vorsätzlich zu töten, könne mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden.