Raiffeisen-Skandal Will sich Ex-Raiffeisen-Chef Vincenz vor Gerichtsverfahren drücken? 

Julia Käser

3.9.2020

Pierin Vincenz war von 1999 bis 2015 an der Spitze der Raiffeisenbank. 
Pierin Vincenz war von 1999 bis 2015 an der Spitze der Raiffeisenbank. 
Bild: Keystone

Der Raiffeisen-Skandal rund um Pierin Vincenz schlug vor zwei Jahren hohe Wellen. Nun wollen Vincenz und der zweite Hauptbeschuldigt sich offenbar vor einem öffentlichkeitswirksamen Prozess drücken. 

Er galt lange Zeit als einer der mächtigsten Schweizer Wirtschaftsführer, unter ihm wurde die Raiffeisen «systemrelevant»: Pierin Vincenz. Als CEO führte er die Bank von 1999 bis 2015. Dann kam der tiefe Fall. 

Ende 2017 wurde bekannt, dass die Finanzaufsichtsbehörde Finma Ermittlungen gegen den Bündner Banker aufgenommen hatte. In deren Fokus lagen potenzielle Interessenskonflikte während seiner Zeit als Raiffeisen-Chef. 

Im Februar 2018 dann der nächste Paukenschlag: Die Zürcher Staatsanwaltschaft eröffnete gegen mehrere Personen eine Strafuntersuchung wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung – gar von Betrug war die Rede. Vincenz wurde dabei in Untersuchungshaft genommen. Nach einigen Monaten, Mitte Juni 2018, wurde er wieder entlassen.

Gerichtsverfahren kann umgangen werden

Gut zwei Jahre später nun ist die Strafuntersuchung beendet. Die beiden Hauptbeschuldigten, namentlich Pierin Vincenz und sein Geschäftspartner Beat Stocker, können angeklagt werden. Während der Prozess also näher rückt, sollen Vincenz und Stocker sich aber vor dem Richter drücken wollen. Das berichten die CH-Media-Zeitungen mit Verweis auf verfahrensnahe Kreise.

Konkret sollen die beiden bei der Staatsanwaltschaft das Begehren um ein sogenanntes «abgekürztes Verfahren» gestellt haben. Dies ist in der Schweiz seit rund zehn Jahren möglich. 

Bei einem «abgekürzten Verfahren» wird wie folgt vorgegangen: Die beschuldigte Person legt ein Geständnis ab. Gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft und den klagenden Zivilparteien einigt man sich anschliessend auf eine Strafe respektive Schadensersatzzahlung. Ein Richter kann das Ganze absegnen – und fertig. 

Grundsätzlich erfolgt das Abnicken des Urteilsvorschlags öffentlich in einem verkürzten Verfahren. Es kann aber durchaus sein – besonders in Zeiten der Coronapandemie –, dass das Gericht die Öffentlichkeit summarisch über den Entscheid informiert.

Öffentlichkeitsprinzip könnte Vincenz in die Quere kommen

Dieses Vorgehen ist aber aufgrund des sogenannten Öffentlichkeitsprinzips nicht unumstritten. Das Prinzip ist in der Bundesverfassung verankert und unterstreicht die Kontrollfunktion der Bevölkerung sowie Medien für das Funktionieren der Judikative. 

Im Gesetz sind nur wenige Ausnahmen vom Öffentlichkeitsprinzip vorgesehen. Etwa Fälle, bei denen Kinder involviert sind, deren Persönlichkeitsrechte wiederum einem besonders hohen Schutz unterstehen. 

Das Ziel von «abgekürzten Verfahren» ist es, die Effizienz der Strafverfolgung zu verbessern. Dies vor allem in Falle von äusserst komplexen Wirtschaftsdelikten, bei denen die Ermittlungen teils Jahre in Anspruch nehmen.

Ob dies Grund genug ist für die Aufweichung des Öffentlichkeitsprinzips, ist laut CH-Media eine Ermessensfrage. Das würde auch im Falle von Pierin Vincenz nicht anders sein. 

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