Illegale Wahlkampfhilfe Wer hinter der AfD-Spende aus Zürich steckt

dpa/jfk

13.11.2018

Ein Schweizer Pharmaunternehmen überweist in kleinen Tranchen rund 130'000 Euro an den Kreisverband der prominenten AfD-Politikerin Alice Weidel – der Partei droht nun eine hohe Busse. Der Blick richtet sich auf einen unbekannten Hintermann der Pharmafirma.

«Ein Gönner aus der Schweiz unterstützt Alice wöchentlich mit mehreren tausend CHF. Was ist dabei zu beachten?», fragt die Schatzmeisterin des AfD-Kreisverbandes Bodensee im August 2017 in einer E-Mail an den Landesschatzmeister.

Die Antwort, die sie erhält, veranlasst den Kreisverband von Bundesvorstandsmitglied Alice Weidel erst einmal nicht dazu, die Spenden aus dem Ausland zurückzuweisen. Binnen weniger Wochen kommen so rund 130'000 Euro zusammen. Geld, das Weidel gut für ihren Wahlkampf gebrauchen kann.

Acht Monate später – die rechtspopulistische AfD ist inzwischen mit 12,6 Prozent der Zweitstimmen in den deutschen Bundestag eingezogen, Weidel ist Fraktionschefin – bekommen die Mitglieder des Kreisvorstandes am Bodensee dann doch kalte Füsse. Denn Spenden aus dem Ausland sind nur erlaubt, wenn das Geld aus dem Vermögen eines Deutschen oder EU-Bürgers stammt. Alles andere wäre illegal, weil Ausländer oder Staaten nicht Einfluss auf die deutsche Politik nehmen sollen.

Alice Weidel (39) ist derzeit Co-Vorsitzende der AfD-Fraktion im deutschen Bundestag. (Archiv)
Alice Weidel (39) ist derzeit Co-Vorsitzende der AfD-Fraktion im deutschen Bundestag. (Archiv)
Bild: Keystone

Die Schatzmeisterin soll das Geld also zurückschicken. Doch das ist gar nicht so einfach. Weidel, die mit ihrer Familie auch einen Wohnsitz in der Schweiz hat, sagt, sie kenne den Spender nicht. Überwiesen wurde das Geld nach Angaben aus Parteikreisen von einer in Zürich registrierten Firma. Die ist laut Handelsregister zwar in der Pharmabranche aktiv. Es handelt sich jedoch nicht um einen der grossen Schweizer Pharmakonzerne, deren Anschrift und Telefonnummer jeder mit zwei Klicks im Internet findet.

Die Schatzmeisterin habe die Kontonummer schliesslich herausgefunden und das Geld in mehreren Tranchen überwiesen, heisst es. Nach Recherchen des WDR, NDR und der «Süddeutschen Zeitung» sowie des Züricher «Tages-Anzeigers» stammt das Geld von der Schweizer Firma PWS Pharmawholesale International AG. Deren Name stehe zumindest auf den Kontoauszügen des AfD-Kreisverbands Bodensee.

Gemäss der NZZ ist der Geschäftsführer der Firma ein älterer Herr, der eine Apotheke in Zürich betreibt. Am Montag zogen Kameras vor dem Gebäude auf. Der anwesende Verwalter sagt aus, sein Chef habe sich bereits vor vier Jahren aus der Pharmafirma zurückgezogen. Auf dem Briefkasten der Apotheke findet sich neben PWS auch eine Investmentfirma Union. Der Apotheker selber ist für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Treuhänderische Überweisung?

Auskunft gibt der Verwaltungsrat der Pharmafirma. Er sei von dem Vorgang überrascht, wie die «NZZ» berichtet. Von der Parteispende habe er erst aus dem Fernsehen erfahren. Die Firma seines Freundes beaufsichtige er seit 2016, wobei es sich um ein Gefälligkeitsmandat handle. Er habe in diesem Zeitraum nie etwas unterschreiben müssen.

Das Unternehmen seines Freundes sei eine uralte, kleine Pharmafirma, aber keine Tarngesellschaft für Parteispenden. Mit der AfD habe weder er noch sein Freund etwas zu schaffen. Der Apotheker stehe der FDP nahe, sich selbst verortet er politisch zwischen FDP und CVP. Die Überweisung habe der Geschäftsführer der Firma laut Spiegel treuhänderisch für einen Geschäftsfreund angewiesen – angeblich ohne zu wissen, dass der Empfänger die AfD gewesen ist, obwohl im Verwendungszweck «Wahlspende für Alice Weidel» stand.

Der baden-württembergische AfD-Landesschatzmeister Frank Kral will sich zu den Vorwürfen bisher nicht äussern. Auf Anfrage verweist er auf «parteiinterne Untersuchungen», deren Ergebnis man erst abwarten wolle. Er sagt: «Wir haben uns verständigt, dass wir dazu jetzt keine Aussage treffen wollen.»

Erhebliche Mängel in der Buchführung

Mit der AfD-Bundestagsfraktion, die ihn als «Leiter Finanzen/Fraktionsaufbau» nach Berlin geholt hatte, liegt Kral zur Zeit im Clinch. Weidel und der Co-Vorsitzende Alexander Gauland haben ihm im Oktober fristlos gekündigt. Zuvor soll eine Prüfung erhebliche Mängel in der Buchführung zutage gefördert haben. Auch damals berichtete die «Süddeutsche Zeitung», die in Sachen Schweizer Grossspende jetzt gemeinsam mit WDR und NDR recherchiert hat.

Der AfD-Landeschef in Baden-Württemberg, Ralf Özkara, will die Vorwürfe erst einmal aufklären, sagt er. Das klingt nicht mehr so fordernd wie zu Beginn der Affäre. Da hatte er der «Süddeutschen Zeitung» noch gesagt, er erwarte, dass Weidel, falls es sich wirklich um eine illegale Parteispende handeln sollte, «von allen Ämtern und Mandaten zurücktritt».

Özkara hat ein enges Verhältnis zum Parteivorsitzenden Jörg Meuthen, der bei der Europawahlversammlung der AfD am kommenden Wochenende für den Spitzenplatz kandidieren will. Ob Özkara auch nominiert werden will, lässt er offen. Auf Anfrage sagt er, eine Kandidatur sei «möglich». Er habe sich aber noch nicht entschieden.

Weidels Kandidatur fraglich

Für Weidel lief es zuletzt ziemlich gut. In den Social-Media-Foren der AfD erhält sie viel Zuspruch. Die Debatte darüber, ob die AfD ein Prüffall für den Verfassungsschutz werden könnte, schwächt den rechtsnationalen Flügel um den Thüringer Landeschef Björn Höcke. Und sie hilft Weidel, die bei den Bestrebungen der Partei, eine Beobachtung zu umgehen, eine wichtige Rolle spielt.

Co-Fraktionschef Alexander Gauland hatte im Juni erklärt, falls er bei der für 2019 vorgesehenen Neuwahl der Fraktionsvorsitzenden erneut kandidieren sollte, dann auf jeden Fall zusammen mit Weidel. Ob es dazu kommen wird, ist jetzt, da der AfD eine Parteispendenaffäre droht, die mit dem Namen Weidel verknüpft ist, zumindest fraglich.

LobbyControl, ein gemeinnütziger Verein, der sich für mehr Transparenz in politischen Entscheidungsprozessen einsetzt, nannte den Geldfluss aus der Schweiz inakzeptabel. Weidel könne sich als namentlich Begünstigte nicht herausreden, sagte Ulrich Müller von LobbyControl am Sonntagabend. Auch sei dies bereits der dritte Fall dubioser Geldströme aus der Schweiz. «Seit Jahren profitiert die AfD von millionenschwerer Wahlkampfhilfe, die über eine Agentur in der Schweiz abgewickelt wird», so Müller.

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