Abstimmung vom 9. Februar Homosexuelle sind bei der Frage nach mehr Schutz gespalten

Von Anna Kappeler

20.1.2020

Sollen Homosexuelle vor Hass geschützt werden? Über diese Erweiterung des Diskriminierungsartikels stimmen wir in gut zwei Wochen ab. Doch nicht alle Schwulen sind dafür.

Übergriffe gegen Homosexuelle sind auch in der Schweiz keine Seltenheit. Von Pöbelei bis hin zu körperlicher Gewalt – zwei Meldungen pro Woche zählt Pink Cross, der Dachverband der Schwulen. Genau über diese Frage – wie Homosexuelle besser vor Diskriminierung geschützt werden können – wird nun am 9. Februar mit der erweiterten Strafnorm abgestimmt.

Heute stellt der Artikel Hass und Herabsetzung wegen Rasse, Ethnie und Religion unter Strafe, bei einem Ja der Schweizer Stimmbevölkerung käme «sexuelle Orientierung» als Punkt dazu.

Wenig überraschend engagieren sich Verbände wie Pink Cross und die Lesbenorganisation Schweiz LOS für diese Änderung. Doch nicht alle Homosexuellen finden das gut – der schwule Zürcher SVP-Politiker Michael Frauchiger etwa ist dagegen. Er ist Co-Präsident des Komitees «Sonderrechte Nein». «Wir müssen keinen Sonderschutz vom Staat bekommen», schreibt Frauchiger auf der Komitee-Seite.



Der 29-Jährige kämpft seit 13 Jahren für die Akzeptanz und Normalisierung seiner Sexualität. Sein Ziel: «Eine Normalisierung, die nicht extravagant ist, sondern einfach so ist, wie sie ist.» Frauchiger sei dezidiert für eine LGBTI-freundliche Politik, inklusive «Ehe für Alle», aber eben gegen die Erweiterung der Strafnorm.

Eine Normalisierung heisst für Frauchiger, keine Sonderrechte einzufordern. «Ein Sonderschutz würde LGBTI stigmatisieren, als schwach darstellen. Doch wir sind nicht schwach!», schreibt er weiter. Frauchiger wolle endlich als normales, vollwertiges Mitglied der Gesellschaft anerkannt werden. «Deshalb Nein zum Sonderschutz, Nein zur stigmatisierenden Sonderstellung von LGBTI durch den Staat!»

Dafür steht LGBTI

LGBTI steht für Menschen mit unterschiedlichen Identitäten oder sexuellen Orientierungen. Die englische Abkürzung steht übersetzt für lesbisch, schwul, bisexuell, transgender und intersexuell. Manchmal lautet die Abkürzung auch LGBTQI+ – das Q steht für queer und das Pluszeichen für weitere Minderheiten, die nicht mit einem Buchstaben vertreten sind. (aka)

SVP-Vogt ist im Dilemma

In ein «fundamentales» Dilemma gebracht hat die bevorstehende Abstimmung auch den schwulen SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt. Die Be­fürworter würden den Urnengang zu einer Abstimmung über Sein oder Nichtsein der Homosexuellen in der Schweiz ­stilisieren. «Das bringt jeden, der ­selber homosexuell ist, aber die Antirassismusstrafnorm wie ich ganz grundsätzlich ablehnt, in ein Dilemma», sagte der Zürcher Rechtsprofessor in der «SonntagsZeitung». Vogt hat sich bereits bei der Abstimmung im Parlament enthalten.

Und doch unterstützt Vogt die Ausweitung, denn er gehöre «zu dieser ‹community›, sie ist ein Teil meines Lebens, und ich empfinde ihr gegenüber Solidarität». Vogt plädiert für eine allge­meine Strafverschärfung für Hassver­brechen. Letzteres würde nicht nur Hass ­wegen der ­sexuellen Orientierung betreffen, sondern auch Hass wegen einer politischen Einstellung.

«Wer jemandem einen Milchshake über den Kopf schüttet, weil er ­dessen rechtskonservative Haltung hasst, gehört ebenso schärfer bestraft wie jemand, der Schwule und Lesben anfeindet», sagte Vogt in der Zeitung und erinnerte dabei an den Vorfall, bei dem Linksradikale die beiden SVP-Politiker Roger Köppel und Christoph Mörgeli in einem Zürcher Cafe mit Milchshakes übergossen hatten.

«Es geht um ein Signal»

Die Mehrheit der LGBTI-Community allerdings unterstützt die Erweiterung der Strafnorm. Anna Rosenwasser, die CO-Geschäftsführerin der Lesbenorganisation, sagte «Bluewin»: «Einerseits ist die Erweiterung der Antirassismusstrafnorm eine wichtige juristische Ergänzung, wie sie die meisten westlichen Länder schon längst haben.» So, wie aufgrund der Religion und der Hautfarbe Gesetze bestehen, soll es sie also auch für die sexuelle Orientierung geben.

Andererseits, so Rosenwasser, zähle aber auch die Aussagekraft dieser Änderung: «Es geht um einen Schutz vor Hass – und um das Signal der Schweizer Bevölkerung, ob wir Lesben, Schwulen und Bisexuelle diesen Schutz verdient haben.» Rosenwasser ist bisexuell und lebt mit einer Frau zusammen.

Für die Vorlage macht sich auch der schwule SP-Nationalrat Angelo Barrile stark: «Wer Hass verbreitet, leistet Attacken auf Lesben, Schwule und Bisexuelle Vorschub. Dagegen müssen wir vorgehen mit einem starken Ja am 9. Februar», wie Barrile auf der Seite des Ja-Komitees zitiert wird.



Diesem gehört neben weiteren Prominenten auch das Model Tamy Glauser an, die mit Dominique Rinderknecht zusammen ist. Glauser: «Ich habe Vertrauen in die Schweizer*innen, dass sie den Unterschied zwischen Diskriminierung und freier Meinungsäusserung kennen.»

Was erlaubt wäre – und was nicht

Doch welche Konsequenzen hätte ein Ja an der Urne konkret? Was würde neu unter Strafe gestellt?

Nach wie vor straffrei blieben Schwulenwitze – unabhängig davon, ob sie im privaten oder im öffentlichen Rahmen an einem Stammtisch fallen. Das sagte Rechtsprofessor Martino Mona gegenüber SRF. Witze seien von der Regelung ausgenommen.

Nicht mehr zulässig wäre indes laut Mona das folgende Beispiel: Ein Bäcker darf sich neu nicht mehr weigern, eine Hochzeitstorte für zwei Lesben zu backen. Es handle sich dabei um eine öffentliche Dienstleistung, die der Bäcker für alle Menschen anbiete. Eine Weigerung wäre eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung – und laut dem Professor nicht mehr zulässig.

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