«Schweiz hat an Lettland verkauft»Video lässt aufhorchen: Kämpft Kiew mit Schweizer Artillerie?
Von Philipp Dahm
24.11.2023
«Schweiz hat an Lettland verkauft»: Video lässt aufhorchen: Kämpft Kiew mit Schweizer Artillerie?
In einem Video lobt ein ukrainischer Kommandeur seine M-109-Panzerhaubitze: Sie sei in der Schweiz modernisiert und nach Lettland verkauft worden. Wurde das Schweizer Exportverbot untergraben? Die Ruag klärt auf.
24.11.2023
In einem Video lobt ein ukrainischer Kommandeur seine M-109-Panzerhaubitze: Sie sei in der Schweiz modernisiert und nach Lettland verkauft worden. Wurde das Schweizer Exportverbot untergraben? Die Ruag klärt auf.
Von Philipp Dahm
24.11.2023, 14:05
Philipp Dahm
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
In einem aktuellen Video lobt ein ukrainischer Soldat seine Panzerhaubitze, die in der Schweiz modernisiert und dann nach Lettland verkauft worden sein soll.
Tatsächlich hat die Schweiz nie M-109 an Lettland oder auch Österreich verkauft, erklärt die Ruag auf Nachfrage.
Laut Ruag habe die Schweiz 2004 nur Komponente für eine Modernisierung nach Klagenfurt geliefert.
Österreich hat diverse M-109 2016 und 2017 an Lettland verkauft. Sechs Exemplate hat Riga 2022 an Kiew weitergereicht.
Neben der Schweizer bleibt auch die österreichische Neutralität gewahrt.
«Jetzt gerade sind wir in einer M-109 A5OE. Das ist die Schweizer Modernisierung. Meiner Meinung nach ist sie eine der erfolgreichsten», sagt Kit, der Kommandeur einer ukrainischen Artillerie der 92. Brigade. In einem Video des staatsnahen Kanals «United24» führt er sein Kriegsgerät vor – und gibt erstaunliche Informationen weiter.
Kit fährt fort: «Zuerst wurden [die M-109 A5OE] als A2-Modelle an die britische Armee ausgeliefert, dann gingen sie in die Niederlande. Von dort wurden sie an die Schweiz weiterverkauft. In der Schweiz wurden sie zum A5-Modell modernisiert. Die Schweiz hat sie an Lettland verlauft, wo wir letztes Jahr im Training waren und diese exzellenten Maschinen erhalten haben.»
Wie kann es sein, dass die Schweiz angeblich Lettland ein Artillerie-System verkauft und das Gerät an die Kriegspartei Ukraine weitergegeben wird, obwohl der Bund dem im Sinne der Neutralität niemals zustimmen würde? Die einfache Antwort ist, dass das so gar nicht passiert ist.
Das an die Ukraine gelieferte Modell M-109 A5OE ist eigentlich das Modell M-109 A5Ö, das für das österreichische Bundesheer gebaut worden ist. Und weder das eine noch das andere Land hat die Waffe aus der Schweiz, versichert Kirsten Hammerich, Sprecherin der Ruag, auf Nachfrage von blue News: «Die Schweiz hat weder an Österreich noch an Lettland M-109 verkauft.»
Ruag lieferte lediglich Bauteile nach Klagenfurt
Dass Schweizer Technik in der M-109 A5Ö stecke, sei jedoch richtig, führt Hammerich aus: «Ruag hat 2004 Baugruppen für die Modernisierung von M109 an Österreich verkauft, und den Kunden bei Bedarf mit Knowhow von der Schweiz aus unterstützt.» Die Modernisierung habe jedoch nicht in der Schweiz stattgefunden.
Ein Mitspracherecht beim Export der österreichischen M-109-Variante hätte die Schweiz nicht bekommen. «Weil keine Gesamtsysteme, sondern lediglich Komponenten geliefert wurden, war keine Nichtwiederausfuhr-Erklärung erforderlich», so Hammerich. Sprich: Kommandeur Kit bringt bei der Aufzählung der Herkunft seines Arbeitsgerätes zwar einiges durcheinander, aber es ist alles legal.
Aber wo kommen die Panzerhaubitzen denn nun her? Und ist nicht auch Österreich ein neutrales Land? Über 140 M-109-Exemplare sind 1965 von Grossbritannien in den USA gekauft worden. 1994 hat London dann 51 A2- und 32 A3-Modelle an Österreich weitergegeben.
Auch Österreichs Neutralität gewahrt
20 Jahre später schickt die Ruag Bauteile zur Modernisierung ins Nachbarland, weil zwischen 2003 und 2007 in der Heereszeuganstalt Klagenfurt die M-109 aufwendig saniert werden. Doch Wien beschliesst bald darauf eine Heeresreform – und dünnt ab 2012 beim schweren Kriegsgerät aus: Nur ein Drittel der Einheiten überlebt den Kahlschlag.
Bei den Panzerhaubitzen ist es sogar nur ein Viertel, klagt die «Kleine Zeitung». Das ist gut für Lettland: Der kleine baltische Staat ersteht 2016 und 2017 für rund acht Millionen Euro 65 M-09 A5Ö. Auch die Schulung der lettischen Soldaten findet in Österreich statt.
Riga wiederum gibt sechs Panzerhaubitzen im Sommer 2022 an die Ukraine weiter: Mitte August bedankt sich der damalige ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow bei den Letten und betont, das Gerät würde «bereits Resultate auf dem Schlachtfeld erzielen».
Latvian donated M109A5Ö howitzer in Ukrainian service. The model have a long service history, initially serving as the M109A2 in the British Army, transferred to Austria in 1994, upgraded to the M109A5(the Ö meaning Österreich) standard, and delivered to Latvia 2017. pic.twitter.com/IGmj740UaN
Neben der Schweizer bleibt auch die österreichische Neutralität gewahrt, denn zum einen hat 2017 beim Verkauf an Lettland noch kein Krieg geherrscht, und zum anderen hat Wien die Endverbraucher-Lizenz damals an das Herstellerland USA zurückgegeben. Es war also an Washington, die Weitergabe an die Ukraine 2022 zu genehmigen.