«Nein heisst Nein» Ständerats-Kommission ist für die Widerspruchslösung

gg, sda

27.1.2023 - 16:18

Was im Sexualstrafrecht. (Symbolbild)
Was im Sexualstrafrecht. (Symbolbild)
Keystone

Die zuständige Ständeratskommission erneurt ihre Ablehung der sogenannten Zustimmungslösung im Sexualstrafrecht. Auch bei der Unverjährbarkeit von sexuellen Handlungen mit Kindern geht die Kommission weniger weit als der Nationalrat.

Laut der Rechtskommission des Ständerats (RK-S) ist die Zustimmungslösung («Nur ein Ja ist ein Ja») nicht mit den beweisrechtlichen Grundsätzen des Strafprozesses vereinbar. Auch sei die Frage ungelöst, wie eine angemessene strafrechtliche Würdigung der Willensmängel bei dieser Lösung aussehen würde. Das teilten die Parlamentsdienste am Freitag mit. 

Deshalb plädiert die Kommission für die «Nein heisst Nein»-Lösung. Demnach macht sich strafbar, wer sexuelle Handlungen «gegen den Willen» einer Person vornimmt. Bei der Zustimmungslösung würde einen sexuellen Übergriff, eine sexuelle Nötigung oder eine Vergewaltigung begehen, wer «ohne die Einwilligung» einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt.

Bei der Frage der Formulierung des neuen Tatbestands des sexuellen Übergriffs und der Vergewaltigung bringt die RK-S eine neue Variante ins Spiel, welche den Schockzustand des Opfers - das sogenannte «Freezing» - ausdrücklich erwähnt. Damit wolle sie den im Nationalrat geäusserten Befürchtungen begegnen, dass bei der «Nein heisst Nein»-Lösung Fälle nicht erfasst seien, wenn sich das Opfer im Zustand einer tonischen Immobilität befinde.

Differenzen beim Strafmass

Eine weitere gewichtige Differenz bleibt die Unverjährbarkeit von sexuellen Handlungen mit Kindern. Der Nationalrat schraubte das entsprechende Schutzalter von 12 auf 16 Jahre hoch. Die RK-S möchte wie der Bundesrat beim geltenden Recht bleiben.

Bei der Frage der Strafrahmen beim Tatbestand der Vergewaltigung hält die Kommission ebenfalls an ihrem ursprünglichen Entwurf fest. So soll im Grundtatbestand die Möglichkeit der Geldstrafe und für die qualifizierte Vergewaltigung eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe vorgesehen werden. Der Nationalrat möchte im Grundtatbestand die Geldstrafe streichen und sieht für die qualifizierte Vergewaltigung eine Mindeststrafe von mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe vor.

Deutlich abgelehnt hat die Ständeratskommission die vom Nationalrat neu eingefügte Bestimmung zum «Cybermobbing». Der Vorschlag würde in ihren Augen zu einer erheblichen Ausweitung der Strafbarkeit führen. Aus ähnlichen Überlegungen spricht sich die RK-S auch weiterhin einstimmig gegen die Bestrafung des «Cybergrooming» aus. Der Begriff bezeichnet das gezielte Anbahnen von sexuellen Kontakten mit Minderjährigen, also die Planung eines sexuellen Missbrauchs. Er soll nach Meinung des Nationalrats als Antragsdelikt Aufnahme ins Gesetz finden.

Erwartungen gedämpft

Schliesslich fordert die RK-S die Einführung von obligatorischen Lernprogrammen und Gewaltberatungen für verurteilte Tatpersonen. Sie ist gemäss Mitteilung der Ansicht, dass solche Lernprogramme bei der Bekämpfung der sexuellen Gewalt gegen Frauen letztlich mehr bewirken als die symbolische Festschreibung eines bestimmten Prinzips im Sexualstrafrecht.

Der Ständerat wird die Vorlage voraussichtlich in der Frühjahrssession behandeln. Mit der Revision will der Bundesrat das Sexualstrafrecht an die gesellschaftlichen Entwicklungen der vergangenen Jahre anpassen. Er will, dass Gewalt- und Sexualdelikte, deren Opfer oft Frauen und Kinder sind, künftig härter bestraft werden.

Justizministerin Keller-Sutter warnte im Parlament aber vor zu hohen Erwartungen. Man mache zwar einen wichtigen Schritt, aber Beweisschwierigkeiten würden damit nicht beseitigt. Auch in Zukunft werde es mehrfache Befragungen von Tätern und Opfern brauchen. Und der Paradigmenwechsel müsse auch bei allen Behörden ankommen.

gg, sda