Ueli Maurer im Trychlerhemd Die SP wirft dem Gesamt-Bundesrat mangelndes Rückgrat vor

Von Alex Rudolf

27.9.2021

Bundesrat Ueli Maurer (SVP) steht in der Kritik. In der Fragestunde richtige die SP neun Fragen zum Verhalten von Maurer an Bundespräsident Guy Parmelin (SVP). (Archivbild)
Bundesrat Ueli Maurer (SVP) steht in der Kritik. In der Fragestunde richtige die SP neun Fragen zum Verhalten von Maurer an Bundespräsident Guy Parmelin (SVP). (Archivbild)
Bild: Keystone/Peter Schneider

Die SP greift Ueli Maurer frontal an und blitzt damit ab. Die Aussagen des Finanzvorstehers irritieren zwar im Parlament, doch verstösst er gegen keine Regeln.

Von Alex Rudolf

Unterstützt der Bundesrat die Aussage Ueli Maurers, dass das Land von Experten geführt werde? Oder jene, wonach der Bundesrat Gott spiele? Solche und ähnliche Fragen stellten SP-Parlamentarier*innen am Montag in der Fragestunde des Nationalrats. Der Bundesrat musste Stellung dazu beziehen.

Doch Bundespräsident und Maurers Parteikollege Guy Parlelin (SVP) hütete sich im Namen des Gesamtbundesrates, das zu tun, was Ueli Maurer vorgeworfen wird: mit dem Kollegialitätsprinzip zu brechen. «Der Gesamtbundesrat kommentiert die Aussagen eines Kollegen nicht», sagte er. Die Enttäuschung der Linken war im Saal zu hören.

Für Fraktionschef Roger Nordmann (SP/VD) hat Ueli Maurer mit seinen Aussagen, die er in verschiedenen Medien über die vergangenen Wochen getätigt hat, die Massnahmen des Bundesrates sabotiert. Für besonderen Medienwirbel sorgte Maurers Auftritt an einem Anlass der SVP-Zürich, an dem er ein Hirtenhemd der Freiheitstrychler überstreifte.

«Aber die ausweichende Antwort, die Guy Parmelin gegeben hat, ist ein Zeichen von Rückgratlosigkeit.»

Roger Nordmann

Fraktionschef SP/Nationalrat

Dass der Gesamtbundesrat zum Ausscheren des SVP-Magistraten schweigt, hält Nordmann für eine schlechte Taktik: «Der Bundesrat hätte antworten können, dass er die gesundheitlichen und ökonomischen Konsequenzen der Pandemie bekämpft und daher alle aufruft, sich so schnell wie möglich impfen zu lassen», so Nordmann

«Aber die ausweichende Antwort, die Guy Parmelin gegeben hat, ist ein Zeichen von Rückgratlosigkeit.»

SVP: «Wir haben Wichtigeres zu tun»

Bei der SVP sieht man die Dinge anders: «Wir haben wichtigere Dinge zu tun, als mit solchen Fragen Zeit zu verschwenden», sagt SVP-Präsident Marco Chiesa (TI). Ueli Maurer spreche halt mit der Bevölkerung. «Zudem: Ich sah auch schon Fotos einer linken Bundesrätin an einer Klimademo.»

Nordmann schüttelt den Kopf. «Es ist keineswegs ein Bruch mit der Kollegialität, wenn eine Bundesrätin an eine Klimademo geht. Auch der Bundesrat will das Klima schützen.»

Wie sieht die Mitte das Ganze? Es sei legitim gewesen, dass man diese Fragen stelle, sagt Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (Die Mitte/BL). «Aber in den Medien wurde schon ausreichend abgehandelt, dass Ueli Maurers Aussagen nicht mit dem Kollegialitätsprinzip vereinbar sind.» Die Fragen der SP seien somit obsolet.

«Besonders zu Zeiten von Covid ist es zentral, dass der Bundesrat geeint auftritt, sodass die Bevölkerung dem Gremium vertraut.»

Elisabth Schneider-Schneiter

Nationalrätin (Die Mitte/BL)

«Besonders zu Zeiten von Covid ist es zentral, dass der Bundesrat geeint auftritt, sodass die Bevölkerung dem Gremium vertraut.»

Auch Karin Keller-Sutter setzte sich in einem Gastkommentar in der «NZZ am Sonntag» für das Kollegialitätsprinzip ein. «Wer Lösungen zum Durchbruch verhelfen will, muss andere einbinden und sie wertschätzen», schrieb sie. Und: «Es mag zwar politisch attraktiv sein, sich vom Gegner abzugrenzen. Und es ist einfacher, sich selber recht zu geben als dem anderen. Aber Spaltung kann nicht das Ziel sein in diesem Land.» Sie nannte Maurer und seine öffentlichen Aussagen nicht beim Namen.

Verklausuliert gab es das schon immer

Für Marc Bühlmann, Direktor von Année Politique Suisse, ist die Sachlage keineswegs so eindeutig. «Das Kollegialitätsprinzip ist keine festgeschriebene Regel, gegen die man verstossen kann», sagt er. So hänge es von der Definition ab, wie eng man sie auslege.

Dass Bundesrät*innen sich öffentlich gegen Bundesratsentscheide geäussert hätten, sei – zumindest verklausuliert – immer wieder vorgekommen, so Bühlmann. «Besonders häufig zeigte sich dieses Phänomen nach der Wahl von Christoph Blocher in den Bundesrat im Jahr 2003.»

Was den vorliegenden Fall aber besonders mache: dass Covid-19 ein neues Thema ist. «Dieses wird von Politik und Öffentlichkeit zurzeit stark in Schwarz-Weiss beschrieben. Bis sich Grautöne entwickeln können, muss erst eine gewisse Zeit vergehen.»