AugenscheinHalten sich die Zürcher an die Maskenpflicht in den Läden?
Von Julia Käser
27.8.2020
Seit Donnerstag gilt im Kanton Zürich eine Maskenpflicht beim Einkaufen. Haben wir uns durch die Massnahme im ÖV schon an den Mund- und Nasenschutz gewöhnt? Ein Augenschein.
Donnerstagmorgen, kurz vor 9 Uhr: Die Luft ist angenehm kühl, man merkt, dass sich der Sommer langsam dem Ende zuneigt. Noch sind die meisten Geschäfte an der Zürcher Bahnhofstrasse geschlossen.
Durch ein Schaufenster erkennt man, wie sich zwei Angestellte in einer Sprüngli-Filiale auf die erste Kundschaft des Tages vorbereiten. Dass die beiden in ein Gespräch verwickelt sind, lässt sich nur erahnen. Mund und Nase sind von einer Hygienemaske verdeckt.
Auch die wenigen Passanten, die sich um diese Uhrzeit in der Zürcher Einkaufsmeile tummeln, scheinen allesamt an den Gesichtsschutz gedacht zu haben. Den einen baumelt er am Hals, den anderen hängt er am Arm, die meisten aber tragen ihn in der Hand.
Hektischer als auf der Strasse geht es in den Lebensmittelläden zu und her. Im Coop erinnern sowohl Schilder als auch Lautsprecherdurchsagen daran, dass ab heute Donnerstag im Kanton Zürich in Geschäften und Einkaufszentren Maskenpflicht herrscht.
Umfrage
Was halten Sie von der Maskenpflicht in Läden?
Nur wenige Maskenlose in Zürcher Einkaufsläden
Die meisten Menschen sind darauf gut vorbereitet – und diszipliniert, wie sich zeigt. Die ganz grosse Mehrheit der Kundinnen und Kunden setzt vor dem Ladeneingang routiniert eine Gesichtsmaske auf. Nur wenige haben den Mund- und Nasenschutz vergessen und noch weniger haben offensichtlich keine Lust darauf, ihn zu tragen.
Vereinzelt trifft man auf Personen, die zwar eine Maske bei sich haben, diese aber nicht im Gesicht tragen. Vom Verkaufspersonal wird eine Dame dabei nur skeptisch beäugt. «Quittung?», ist das einzige, was sie an der Kasse zu hören kriegt. Kein Kommentar zu ihrer fehlenden Hygienemaske. Einen solchen mag auch die Dame selbst nicht abgeben.
Auch in der Migros halten sich die allermeisten Personen an die Maskenpflicht, dafür hapert’s in dieser Filiale beim Abstandhalten, worauf nach wie vor hingewiesen wird.
Schon in den vergangenen Wochen zeigte sich: An die Distanzregelungen halten sich längst nicht alle. Es macht den Eindruck, als hätten die Menschen weniger Mühe damit, sich an die Masken zu gewöhnen als ans Abstandhalten.
Eine junge Frau sagt: «Ich hoffe, dass das Tragen der Maske innerhalb der Läden die Leute daran erinnert, dass das Virus immer noch unter uns ist.»
Auf Streitereien wird verzichtet
In einem weiteren Geschäft mischt sich ein einziger Mann ohne Gesichtsbedeckung unter die Maskierten. Fast schon demonstrativ bleibt er lange stehen, schaut sich um. Die Leute ziehen an ihm vorbei, schauen ihn kritisch an. Zurechtgewiesen wird der Maskenlose aber nicht.
Man erinnert sich an die Monate März und April: Regelmässig wurde man Zeuge eines Disputs über die (Nicht-)Einhaltung der Abstandsregeln. Vielleicht fühlen sich die Zürcher Kundinnen und Kunden durch die Masken gut genug geschützt, um auf solche Massregelungen und Streitereien zu verzichten?
Man kann es nur vermuten, denn ein verbitterter Gesichtsausdruck lässt sich durch die Maske hindurch kaum erkennen. Das kann mitunter ein Vorteil sein.
Obwohl es doch immer mal wieder kritische Stimmen gibt, die sich in ihrer Freiheit eingeschränkt fühlen, begegnet man an diesem Vormittag auch in den grösseren Warenhäusern an der Zürcher Bahnhofstrasse nicht vielen, die ohne Maske in der Kleiderabteilung stöbern.
Machen uns Masken unfrei?
Der Tenor: Es gäbe weit Schlimmeres als das Maskentragen – ein erneuter Lockdown etwa. «Am Anfang hatte ich Mühe mit diesen Masken, aber mittlerweile habe ich mich durch den ÖV ein wenig daran gewöhnt», sagt eine Passantin. Eine andere gibt an, die Massnahme beruhige sie fast schon – angesichts der steigenden Fallzahlen in Zürich.
Die Selbstverständlichkeit, mit der die meisten Menschen ihre Hygienemaske aufsetzen, vermittelt einem fast schon den Eindruck, dass die Masken gekommen sind, um zu bleiben.
Klar ist: Ganz so schnell werden sie aus unserem Alltag wohl nicht verschwinden. So sind sich die meisten Epidemiologinnen und Epidemiologen mittlerweile einig darin, dass das Tragen einer Maske im Kampf gegen das Virus hilfreich ist.
Und auch in der Philosophie ist die Maske mittlerweile zum Brennpunkt geworden. Bedeutet Freiheit nun, sich jederzeit gegen das Maskentragen entscheiden zu können, oder machen uns die Masken am Ende gar nicht unfrei?