Rahmenabkommen beerdigt «Der Bundesrat setzt ohne Plan B die Beziehungen zur EU aufs Spiel»

Von Anna Kappeler

27.5.2021

Bundesrätin Karin Keller-Sutter, Bundespräsident Guy Parmelin und Bundesrat Ignazio Cassis verkünden das Scheitern des Rahmenabkommens mit der EU.
Bundesrätin Karin Keller-Sutter, Bundespräsident Guy Parmelin und Bundesrat Ignazio Cassis verkünden das Scheitern des Rahmenabkommens mit der EU.
Bild: KEYSTONE

Der Bundesrat bricht die Verhandlungen zum Rahmenabkommen ab. Endlich, findet ein SVPler – jetzt beginnen die Probleme erst, heisst es dagegen von links bis zur Mitte. Doch welche Herausforderungen warten?

Von Anna Kappeler

Jetzt ist es also tot. Nach sieben Jahren Verhandlungen erklärt der Bundesrat, dass er das institutionelle Rahmenabkommen mit der EU (InstA) nicht abschliessen wird (hier unser Ticker zum Nachlesen). 

Es brauche nun Optimismus, sagte Aussenminister Ignazio Cassis. Die Schweiz müsse einen neuen Weg bauen. Und nein, obwohl er einst angetreten war, den Reset-Knopf zu drücken, sehe er sich nicht persönlich gescheitert. «Wenn schon, dann ist der Bundesrat gescheitert.»



Genau so beurteilt das Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (Mitte/BL): «Der Gesamtbundesrat hat in der Europafrage völlig versagt. Ich hätte nicht gedacht, dass er die Verhandlungen zum InstA wirklich so planlos abbricht», sagt das Mitglied der Aussenpolitischen Kommission APK. Wer gemeint habe, mit der Beerdigung des Rahmenabkommens sei das Problem gelöst, so Schneider-Schneiter, habe sich getäuscht. «Die Grundsatzdebatte – wie weiter mit unserem wichtigsten Handelspartner EU – geht jetzt erst richtig los.»

«Abbruch ist absolut normale Handlung»

Unzufrieden ist auch Nationalrat Fabian Molina (SP/ZH), ebenfalls Mitglied der APK. Er sagt: «Der Entscheid des Bundesrates ist maximal unverantwortlich, weil er ohne Plan B die Beziehungen der Schweiz zu ihrem wichtigsten Partner aufs Spiel setzt.» Wie genau nun europäisches Recht übernommen werden solle, darauf gebe es noch immer keine Lösung. «Die guten Beziehungen mit der EU werden sich jetzt verschlechtern.» 

Ganz anders klingt es dagegen von Nationalrat und APK-Mitglied Roland Rino Büchel (SVP/SG). «Es ist eine absolut normale Handlung, die Verhandlungen jetzt abzubrechen.» Der InstA-Vertrag gehe schlicht nicht einher mit der Schweiz, ihrer Demokratie und der Gerichtsbarkeit. «Zum Glück realisieren das immer mehr Leute, nachdem sie den Vertragsentwurf endlich einmal gelesen und verstanden haben.»

Brüssel ist «not amused»

Doch welche Folgen hat der Verhandlungsabbruch? Darüber gehen die Meinungen weit, sehr weit auseinander. Während das SRF von einem Geheimpapier des Bundesrats berichtete, welches die «gravierenden Folgen bei einem Scheitern» auflistet, übte sich der Bundesrat an der Medienkonferenz in Beschwichtigung. «Die Schweiz bleibt auch ohne das InstA eine zuverlässige Partnerin der EU», sagte Cassis. Der Bundesrat biete der EU nun einen politischen Dialog zum «Wie weiter?» an.

Fragt sich: Spielt die EU mit? In einer ersten Reaktion hält Brüssel fest, dass eine Modernisierung der bilateralen Beziehungen so unmöglich sei.

Welche Herausforderungen warten?

Werden wir konkret: Das Abkommen über den Abbau technischer Handelshemmnisse – also zum Beispiel Exporte wie Medizinalprodukte – gilt als Herausforderung. «In der Med-Tech-Branche beginnen die Schwierigkeiten ab heute, dem 27. Mai», sagt Mitte-Politikerin Schneider-Schneiter. Dies, weil die Schweizer Medizinaltechnik-Branche bereits am Mittwoch den privilegierten Zugang zum EU-Binnenmarkt verloren hat.

«In zwei Jahren müssen die Abkommen dann auch in der Maschinenindustrie aktualisiert werden», sagt Schneider-Schneiter. Das gehe nicht ohne Zusatzkosten und viel zusätzlichen administrativen Aufwand.

SVP-Mann Büchel winkt ab: «So schlimm wird das nicht. Jetzt brauchen wir einen vernünftigen Umgang miteinander.» Natürlich könne es bei den Handelshemmnissen zu Reibungen kommen. «Aber auch die EU und gerade unsere unmittelbaren Nachbarn wie die Süddeutschen und die Vorlarlberger haben keine Lust auf Streitereien. Sie wollen gute Lösungen, da wird man sich finden.»

Schneider-Schneiter fürchtet zudem, dass bei den Forschungsprojekten wie Horizon Europe die Schweiz zu einem Drittstaat degradiert werden könnte. Und dass es im Bereich Strommarkt zu Versorgungslücken und instabilen Netzen kommt. «Es gibt einen Berg von Arbeit.»

Molina von der SP hat ein ganz anderes Anliegen. Für ihn muss nun «die Frage eines EU-Beitritts wie auch eines EWR-Beitritts» auf den Tisch.