Transparenz-Initiative«Nur weil sich nicht alle ans Tempolimit halten, schaffen wir dieses ja auch nicht ab»
Von Philipp Dahm
10.3.2021
Die Transparenz-Initiative hat Bern Beine gemacht, doch die Offenlegung der Polit-Finanzen stösst immer noch auf Widerstand, so Martin Hilti. Ein Argument der Gegner: Spenden könnten ja einfach gestückelt werden.
Von Philipp Dahm
10.03.2021, 00:00
10.03.2021, 08:13
Philipp Dahm
Die Note, die der Europarat der Schweiz im Sommer 2019 ausstellt, ist ungenügend.
«Es wird festgehalten, dass die [Kommission gegen Korruption] Greco sechs Empfehlungen betreffend der Transparenz der Finanzierung politischer Parteien gemacht hat», heisst es. «Im Bericht und den fünf [vorherigen] Zwischenberichten sieht Greco keine dieser Empfehlungen umgesetzt.»
«Wir befinden uns international unter den letzten Ländern, weil wir auf nationaler Ebene keine Regelung kennen», hält Martin Hilti von Transparency Schweiz fest. «Das zu ändern ist seit vielen Jahren ein Kernanliegen von uns.»
Doch langsam kommt Bewegung in die Politik: Die Transparenz-Initiative hat Bund und Kantonen merklich Druck gemacht. Der Nationalrat hat Anfang des Monats einen Gegenvorschlag für ein Gesetz in den Ständerat zurückgeschickt, mit dem sich nun die Staatspolitische Kommission in den Sitzungen am 29. und 30. März zu beschäftigen hat.
Warum eigentlich nicht?
«Wir begrüssen die Entscheidung des Nationalrats», erklärt Hilti. «Erfreulicherweise scheint das Parlament mittlerweile ernsthaft bemüht zu sein, einen Gegenvorschlag auszuarbeiten, der Hand und Fuss hat. Wesentliche Verbesserungen sind erzielt worden: Die Schwellenwerte wurden gesenkt und eine inhaltliche Kontrolle ist im Gegenvorschlag dazugekommen.»
Eine schwere Geburt: Seit 1964 gibt es Bestrebungen, auf nationaler Ebene verbindliche Regeln einzuführen, die die Polit-Finanzierung offenlegen. Es sind die Kantone, die in der Schweiz vorangehen: Auf das Tessin folgen Genf, Neuenburg, Freiburg, Schwyz und zuletzt Schaffhausen. Kürzlich hat auch die Bevölkerung der Stadt Bern mit überwiegender Mehrheit entsprechende Bestimmungen angenommen.
Die Gegner arbeiten mit «fadenscheinigen» Argumenten, kritisiert Hilti. «Da werden etwa Äpfel und Birnen miteinander verglichen», sagt er mit Blick auf Verweise aufs Milizsystem, den föderativen Charakter der Schweiz oder die direkte Demokratie. «Eben weil wir so viel abstimmen können, sollten wir wissen, woher das Geld kommt, mit dem die Abstimmungskämpfe finanziert werden.»
Das «Dann stückeln die Spender halt«-Argument
Die Angst, dass Spender durch Transparenz-Regeln abspringen könnten, seien mittlerweile empirisch widerlegt. «In den Kantonen, die nun schon länger solche Bestimmungen haben, gibt es keinerlei Anhaltspunkte für einen Spendenrückgang. Im Ausland sieht es ähnlich aus.»
Auch die Sorge, Änderungen würden zu «völlig unverhältnismässigem bürokratischem Aufwand führen», will der Jurist nicht gelten lassen: Die Initiative beschränke sich ja auf die Offenlegung der Grossspenden, deren Anzahl sehr überschaubar sei, sowie auf die Offenlegung von Budget- und Bilanzangaben, die heute bereits vorhanden seien. «Da kann man nun wirklich nicht sagen, das münde in ein administratives Monster.»
Zu guter Letzt äussert sich Hilti noch zum Einwand, dass die Regelungen ganz einfach umgangen werden könnten, etwa indem die Spenden gestückelt würden. «Ich habe noch nie gehört, dass jemand fordert, man solle Verkehrsregeln abschaffen, weil sich nicht alle ans Tempolimit halten. Umgehungen kommen in jedem Gebiet vor. Aufgabe des Gesetzgebers und der Vollzugsbehörden ist es, diese bestmöglich zu verhindern. Das gilt es auch im vorliegenden Fall zu tun, was durchaus möglich ist.»