Die Gesundheitskommission des Nationalrates (SGK) will keine Versuche zur kontrollierten Abgabe von Cannabis für Genusszwecke ermöglichen. Sie hat sich gegen einen Experimentierartikel ausgesprochen.
Die Kommission ist in der Frage allerdings gespalten. Sie lehnte die Gesetzesvorlage bei 11 zu 11 Stimmen und 2 Enthaltungen mit Stichentscheid von Kommissionspräsident Thomas de Courten (SVP/BL) ab, wie die Parlamentsdienste am Freitag mitteilten.
Der Beschluss kommt einem Antrag auf Nichteintreten gleich. Der Nationalrat wird somit einzig darüber entscheiden, ob er auf die Vorlage eintritt oder nicht. Über die Details wird er vorerst nicht befinden.
Zunächst im Grundsatz dafür
Im Mai hatte die Kommission sich im Grundsatz für einen Experimentierartikel ausgesprochen. Es stelle ein Problem dar, dass rund 200'000 Menschen regelmässig illegal Cannabis konsumierten – und dass dessen Qualität keiner Kontrolle unterliege, hielt sie damals fest. Daher sei es nötig, neue Wege in der Cannabispolitik zu prüfen.
Die Gegnerinnen und Gegner kritisierten, dass die wissenschaftlichen Studien nicht die Drogenabstinenz zum Ziel hätten. Sie kämen viel mehr einem ersten Schritt hin zu einer Liberalisierung gleich.
Vorstösse gutgeheissen
Der Nationalrat hatte letztes Jahr mehrere Vorstösse gutgeheissen mit dem Auftrag, einen Experimentierartikel einzuführen. SVP und CVP sprachen sich damals dagegen aus. Der Bundesrat ist jedoch schon vorher aktiv geworden und hat dem Parlament eine eigene Vorlage präsentiert. Diese ist auf zehn Jahre befristet und würde eine gesetzliche Grundlage für wissenschaftliche Pilotversuche schaffen.
Ziel ist es, alternative Regelungsansätze zu prüfen, ohne diese vorweg zu nehmen. Hintergrund ist die verweigerte Bewilligung für eine Cannabis-Studie der Universität Bern. Das Bundesamt für Gesundheit kam zum Schluss gekommen, dass es dafür keine Rechtsgrundlage gebe. Diese Lücke soll mit dem Experimentierartikel geschlossen werden.
Nur für Erwachsene
Vor ihrem Entscheid nahm die Nationalratskommission einen Bericht zum Jugendschutz zur Kenntnis, den sie bestellt hatte. Im am Freitag veröffentlichten Bericht betont das Bundesamt für Gesundheit (BAG), dass sich die Pilotversuche ausschliesslich an Erwachsene richten würden.
Um zu verhindern, dass Jugendliche Zugang zu Studiencannabis bekämen, seien Massnahmen vorgesehen. So wäre die Weitergabe von Studiencannabis an Minderjährige strafbar. Das BAG würde Versuche auch nur dann bewilligen, wenn die Gesuchsteller ein Präventions- und Jugendschutzkonzept vorlegen würden.
Schwarzmarkt problematisch
Mit Blick auf den Jugendschutz im Allgemeinen weisen die Autoren darauf hin, dass sowohl ein unkontrollierter Schwarzmarkt bei illegalen Drogen als auch ein wenig regulierter Markt bei legalen Suchtmitteln problematisch sei. Im Schwarzmarkt seien Jugendliche wegen der fehlenden Kontrolle und der Kriminalisierung stärker gefährdet. Auch seien sie schlechter erreichbar für Hilfsangebote.
In einem legalen Suchtmittelmarkt griffen Präventionsmassnahmen besser. Doch aufgrund der freien Zugänglichkeit, der Werbung und der Marktanreize erhöhe sich das Risiko, dass mehr Jugendliche zum Konsum verführt würden. Aus einer Gesundheits- und Jugendschutzperspektive müsste daher eine strikte staatliche Marktkontrolle angestrebt werden, heisst es im Bericht.
Handlungsspielraum gering
Viel Handlungsspielraum sieht das BAG nicht, um den Jugendschutz beim Cannabis zu verbessern. Allenfalls sei zu prüfen, ob die strafrechtliche Verfolgung von minderjährigen Konsumentinnen und Konsumenten nicht durch ein Massnahmensystem ersetzt werden sollte.
So könnten Jugendliche mit Hilfsangeboten unterstützt werden. Das Verbot des Konsums bliebe bestehen, würde aber nicht mehr strafrechtlich sanktioniert.
Verkaufsverbote durchsetzen
Beim Alkohol und Tabak hat die Schweiz im internationalen Vergleich laut dem Bericht einen schwach ausgebauten Jugendschutz. Verbessert werden könnte dieser mit einer angemessenen Besteuerung von Tabakersatzprodukten und E-Zigaretten, einem Mindestpreis für Alkohol, einem Nachtverkaufsverbot für Alkohol sowie umfassenden Werbe- und Sponsoringverboten für Alkohol und Tabak.
Vor allem aber müsse das bestehende Verkaufsverbot an Jugendliche durchgesetzt werden. Dies würde allerdings bedeutend mehr polizeiliche Ressourcen erfordern, schreibt das BAG.
Nachholbedarf bei Gesundheitsförderung
Nachholbedarf hat die Schweiz laut dem Bericht ausserdem bei der frühen Gesundheitsförderung. Der Fokus sollte hier auf der Stärkung von benachteiligten Familien liegen, hält das BAG fest. Kinder aus solchen Familien hätten ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Suchtstörungen.
Entwicklungspotenzial bestehe ausserdem bei Nischenangeboten für Jugendliche wie Cannabistherapien. Darüber hinaus bestehe Bedarf an jugendspezifischen stationären Therapieeinrichtungen.
Mehr finanzielle Mittel
Ein nachhaltig wirksamer Jugendschutz erfordere auf allen föderalen Ebenen erheblich mehr finanzielle Mittel, bilanziert das BAG. Im Zuge der Sparmassnahmen seien die entsprechenden Ausgaben in den vergangenen Jahren vermindert worden.
Um diesem Trend entgegenzuwirken, biete sich die Schaffung eines umfassenden Suchtpräventionsfonds an. Dieser würde die bestehenden Fonds für Tabak und Glücksspiel zusammenfassen. Zusätzlich könnte der Fonds durch eine Präventionsabgabe auf Tabakersatzprodukte alimentiert werden.
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