Schlappe für «good guy» JSANationalrat will Bundesrat bei Waffen-Exporten entmachten
sda/phi
26.9.2018 - 11:28
Wenn der Ständerat das Votum bestätigt, ist zukünftig das Parlemant für Waffen-Exporte zuständig: Der Nationalrat hat eine BDP-Motion angenommen, die den Bundesrat in diesem Punkt entmachten will.
Das Parlament soll über die Kriterien zur Bewilligung von Waffenexporten entscheiden. Das will der Nationalrat. Er hat am Mittwoch eine Motion der BDP-Fraktion angenommen. Stimmt auch der Ständerat zu, ist nicht mehr der Bundesrat zuständig. Der Nationalrat hiess den Vorstoss mit 97 zu 82 Stimmen bei 11 Enthaltungen gut.
Damit bleibt offen, ob die geltenden Bestimmungen gelockert werden. Der Entscheid liegt in den Händen des Parlaments, sofern der Ständerat dem Nationalrat folgt. Der Bundesrat möchte die Bestimmungen lockern: Neu sollen Exporte in Bürgerkriegsländer bewilligt werden können, wenn kein Grund zur Annahme besteht, dass das Kriegsmaterial im internen Konflikt eingesetzt wird.
Neutralität und Humanität unter Beschuss
Im Nationalrat erntete er dafür viel Kritik. Der Bundesrat gefährde die humanitäre Tradition und die Neutralität der Schweiz, hiess es auf der linken Seite und in der Mitte. Für eine Lockerung plädierten die Redner der SVP und der FDP. Eine einheimische Rüstungsindustrie stärke die nationale Sicherheit, argumentierten sie.
Martin Landolt (BDP/GL) betonte, auch die BDP wolle keine Deindustrialisierung. Aber kein verantwortungsvolles Unternehmen, keine verantwortungsvolle Regierung und kein verantwortungsvolles Parlament löse unternehmerische Herausforderungen mit dem Export von Waffen in Bürgerkriegsländer.
Die grössten Waffenexporteure und Waffenimporteure der Welt
Weltgrösster Waffenexporteur in der Fünfjahresperiode von 2013 bis 2017 im Vergleich zur Vorperiode von 2008 bis 2012 bleiben laut dem neuen Rüstungsreport des Stockholmer Friedensforschungsinstitutes Sipri die USA mit einem Marktanteil von 34 Prozent. Die Vereinigten Staaten steigerten ihren Export im Vergleichszeitraum um ein Viertel und verkauften Rüstungsgüter an 98 Staaten. (Symbolbild)
Bild: Keystone
Das zweitgrösste Exportland, Russland, verkaufte 7,1 Prozent weniger Waffen. Rund ein Drittel der russischen Exporte geht nach Indien, 12 Prozent nach China. (Symbolbild)
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Frankreich hat Deutschland den dritten Platz der grössten Waffenexporteure abgenommen. Es steigerte seine Exporte um 27 Prozent. Sein Marktanteil stieg von 5,8 auf 6,7 Prozent. (Symbolbild)
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Deutschland, der weltweit viertgrösste Rüstungsexporteur, fuhr seine Verkäufe um 14 Prozent zurück. Deutschlands Marktanteil ist damit von 7,4 auf 5,8 Prozent gefallen. In den Nahen Osten aber verkaufte Deutschland laut Sipri trotz heftiger politischer Debatten doppelt so viele Waffen wie im Vergleichszeitraum. (Symbolbild)
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China liegt an 5. Stelle der Waffen- exportierenden Länder. Das Land steigerte seinen Marktanteil zur Vorperiode laut Sipri von 4,6 auf 5,7 Prozent. (Symbolbild)
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Grösster Waffenimporteur der Welt ist Indien. Das Land steigerte seine Waffeneinkäufe zwischen den zwei Fünfjahresperioden auf insgesamt 12 Prozent des Weltmarktanteils. (Symbolbild)
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Zweitgrösster Waffenimporteur war Saudi Arabien, das seine Waffenkäufe mehr als verdreifachte. (Symbolbild)
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Drittgrösster Waffenimporteur war laut Sipri Ägypten, das seine Importe im Vergleichszeitraum von 1,6 Prozent auf 4,5 Prozent steigerte. (Symbolbild)
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Viertgrösster Waffenimporteur der Welt sind die Vereinigten Arabische Emirate. Sie steigerten ihre Importe von 3,2 Prozent auf 4,4, Prozent. (Symbolbild)
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Fünftgrösster Waffenimporteur der Welt ist China, das seine Importe jedoch von 5,4 auf 4 Prozent gesenkt hatte – und das vor allem deshalb, weil das Land inzwischen selbst genug Waffen produziert. (Symbolbild)
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Die SVP warf der BDP Populismus vor. «Niemand will Kriege anheizen oder die humanitäre Tradition gefährden», sagte Werner Salzmann (SVP/BE). Zur Debatte stehe etwa die Lieferung von Raketenabwehrsystemen an Thailand. Solches könne sogar Leben retten. Der Bundesrat wolle lediglich eine Ausnahmeregelung erlassen, die Gesuche würden weiterhin sorgfältig geprüft.
Erst das Fressen, dann die Moral?
Auch Walter Müller (FDP/SG) befand, in der Debatte fehle es an Sachlichkeit. Wenn man die geplante Änderung genau studiere, relativiere sie sich. Neutralität, völkerrechtliche Verpflichtungen und Rüstungsembargos müssten weiterhin zwingend eingehalten werden.
Die Mehrheit der CVP sieht das anders - zumindest im Nationalrat. Sie bekämpfe die geplante Lockerung, sagte Nicolo Paganini (CVP/SG). Die Frage sei, ob die Schweiz der Devise folgen wolle «erst kommt das Fressen, dann die Moral». Paganini warnte vor einem Reputationsschaden. Auf eine Frage von Fabian Molina (SP/ZH) räumte er aber ein, dass die CVP-Vertreter im Ständerat die Sache anders beurteilten. Sie gewichteten die Arbeitsplätze in den Regionen höher.
SP, Grüne, Grünliberale und BDP kritisierten den Bundesrat scharf. Balthasar Glättli (Grüne/ZH) stellte fest, die Regierung breche das Versprechen, das sie vor der Abstimmung über das Verbot von Kriegsmaterialexporten gegeben habe.
Vorwurf der «Gutmenschelei»
Der Widerstand werde von vielen als «Gutmenschelei» betrachtet. Wenn die Schweiz die Waffen nicht liefere, lieferten sie andere, heisse es. «Das stimmt», sagte Glättli. Andere Länder könnten auch Waffen liefern. Aber die Schweiz als neutrales Land könne viel mehr: «Wir können Frieden exportieren statt Krieg.» Die Schweiz könne Konflikte schlichten und als glaubwürdige Vermittlerin auftreten.
Die SP-Fraktion stelle sich dezidiert gegen jegliche Aufweichung der Kriebsmaterialverordnung, sagte Priska Seiler Graf (SP/ZH). Eine Lockerung würde die Glaubwürdigkeit der Schweizer Aussenpolitik untergraben. Die humanitäre Tradition müsse zwingend vor Profitinteressen kommen.
So etwas wie «defensive Waffen» gebe es nicht, stellte Seiler Graf fest. Schon heute könne nicht verhindert werden, dass Waffen in Bürgerkriegsländern landeten. Das habe der Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle gezeigt. Die SP-Nationalrätin riet Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann, im Sinne einer guten Tat zum Schluss seiner Amtszeit auf die Lockerung zu verzichten.
Schneider-Ammann «will auch der good guy sein»
Schneider-Ammann sagte am Ende der Debatte, er habe noch nie so viele Bürgerbriefe erhalten wie zu diesem Thema. «Ich will auch der good guy sein», sagte er zu SP-Nationalrätin Jacqueline Badran (SP/ZH). «Das können Sie nicht für sich pachten.» Mit Blick auf seinen am Vortag angekündigten Rücktritt ergänzte er: «Noch drei Monate, dann haben Sie's überlebt und ich auch.»
Der Bundesrat treffe keine leichtfertigen Entscheide, versicherte Schneider-Ammann. Er wolle aber auch Arbeitsplätze erhalten und die Sicherheitsinteressen der Schweiz berücksichtigen. Die Schweiz hätte nach der Änderung immer noch strengere Bestimmungen als alle anderen europäischen Länder.
Johann Schneider-Ammann (rechts), hier mit Ban Ki-moon, dem ehemaligen Uno-Generalsekretär, wollte spätestens im Herbst 2019 aus der Landesregierung zurücktreten – doch nun ist es schon per Ende Jahr so weit. Hier die Stationen des FDP-Politikers und Bundespräsidenten des Jahres 2016 als Bildergalerie.
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Seit dem 1. November 2010 war Schneider-Ammann Vorsteher des Eidgenössischen Departementes für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF).
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Am 22. September 2010 wählte ihn die Vereinigte Bundesversammlung in den Bundesrat.
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Zwischen 1999 und 2010 war Scheider-Ammann FDP-Nationalrat.
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Seit 1999 präsidierte Schneider-Ammann den Verband der schweizerischen Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie Swissmem. Zudem war er Vizepräsident des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse.
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Der am 18. Februar 1952 in Sumiswald (BE) geborene Schneider-Ammann trat 1981 in das Langenthaler Maschinenbauunternehmen der Familie seiner Ehefrau Katharina Schneider-Ammann ein. Im Jahr 1990 wurde er Präsident der Ammann Group.
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Teils missglückte Auftritte Schneider-Ammanns dürften massgeblich dafür verantwortlich sein, wenn Kommentatoren eine durchzogene Bilanz über seine Amtszeit ziehen.
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Die Ansprache des Bundespräsidenten 2016 zum Tag der Kranken etwa missriet derart, dass sie zum YouTube-Hit avancierte. Mit todernstem Gesichtsausdruck sprach Schneider-Ammann damals über den Wert des Lachens und wie gut das Lachen für die Gesundheit sei. Immerhin schaffte er es damit aber in die internationalen Medien. Ein französischer Fernsehsender etwa bemerkte, sein Auftritt sei «in etwa so lustig wie ein Bestattungsunternehmer». (Symbolbild)
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Auch Schneider-Ammans Einsatz für «Donnschtig Jass» im letzten Jahr sorgte für Lacher: Festgeschnallt in einem sogenannten «Panzer-Rollstuhl», einem kleinen Kettenfahrzeug, kurvte der Bundesrat mit einem auffälligen Helm vor dem Bundeshaus durch einen Geschicklichkeits-Parcours. «Blick» verpasste ihm daraufhin den Spitznamen «Johann Fighter Ammann», der «Tages-Anzeiger» nahm die Aktion in seine «Top Ten der peinlichsten Bundesratsauftritte» auf. (Symbolbild)
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Immerhin hatte Schneider-Ammann zwischendurch aber auch Glück: Als der Bundesrat im Juli 2016 wegen des Putschversuchs in der Türkei aus Sicherheitsgründen nicht mit Turkish Airlines vom Asien-Europa-Gipfel in der Mongolei nachhause fliegen wollte, nahm ihn die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Regierungsmaschine nach Berlin mit. «Es war womöglich das längste Gespräch, das ein Schweizer Bundespräsident mit einem deutschen Regierungschef hatte», kommentierte ein Sprecher des Bundespräsidenten gegenüber der «Schweiz am Sonntag» den siebeneinhalbstündigen Flug.
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