Nachhaltige Wirtschaft Nationalrat berät über die Konzernverantwortung

SDA

13.6.2019 - 05:04

Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden: Der Nationalrat berät am heutigen Donnerstag, ob Konzerne mit Sitz in der Schweiz für Missstände bei ihren ausländischen Tochtergesellschaften haften sollen.

Kinderarbeit, vergiftete Flüsse, tödliche Pestizide – immer wieder verletzten Konzerne die Menschenrechte und ignorierten Umweltstandards, sagen die Initianten. Die Konzernverantwortungsinitiative will dem einen Riegel schieben.

Sie fordert, dass Unternehmen mit Sitz in der Schweiz für Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden von Tochtergesellschaften im Ausland haften.

Der Nationalrat hatte vor einem Jahr beschlossen, die Anliegen der Initiative aufzunehmen und auf Gesetzesebene Regeln zu erlassen. Mit 121 zu 73 Stimmen bei zwei Enthaltungen hiess er einen indirekten Gegenvorschlag gut. Die Initianten stellten in Aussicht, ihr Begehren zurückzuziehen, wenn das Parlament dem Gegenvorschlag in dieser Form zustimme.

Ständerat sagte Nein

Es kam aber anders. Die Rechtskommission des Ständerates sprach sich zwar für einen Gegenvorschlag aus, verwässerte diesen aber stark. Der Ständerat beschloss mit 22 zu 20 Stimmen, nicht darauf einzutreten. Nun hat der Nationalrat zu entscheiden, ob er an einem Gegenvorschlag festhält oder nicht. Seine vorberatende Kommission will dabei bleiben.

Am Mittwoch jährte sich der Welttag gegen Kinderarbeit: Kinder nähen in einer Textilfabrik in der bangalischen Hauptstadt Dhaka Schals. (Archivbild)
Am Mittwoch jährte sich der Welttag gegen Kinderarbeit: Kinder nähen in einer Textilfabrik in der bangalischen Hauptstadt Dhaka Schals. (Archivbild)
Bild: Keystone/EPA/Abir Abdullah

Sie ist nach wie vor der Ansicht, dass die Anliegen der Initiative im Kern berechtigt sind. Zudem befürchtet sie, dass ein Abstimmungskampf einen Keil zwischen Wirtschaft und Gesellschaft treiben könnte. Mit einem indirekten Gegenvorschlag könnte der Rückzug der Initiative ermöglicht werden, hielt die Kommission im April fest. Das wünschten sich auch wichtige Exponenten der Wirtschaft.

Klare Absage aus der FDP

Der Wirtschaftsdachverband economiesuisse allerdings stellt sich dagegen, und auch die FDP lehnt einen Gegenvorschlag nun ab. Vor einem Jahr hatte die Mehrheit der FDP-Fraktion noch Ja gestimmt: 19 FDP-Vertreterinnen und -Vertreter hiessen den Gegenvorschlag gut, 13 lehnten ihn ab.

Jetzt bezeichnet die FDP den Gegenvorschlag als «unnötig». Die Fraktion teilte mit, sie habe dem Gegenvorschlag eine klare Absage erteilt. Schweizer Unternehmen handelten bereits heute verantwortungsbewusst und nachhaltig.

Westschweizer Verbände dafür

Allerdings machen sich auch Wirtschaftsverbände für den Gegenvorschlag stark, insbesondere aus der Westschweiz: Die Fédération des Entreprises Romandes, das Centre Patronal und das Groupement des Entreprises Multinationales werben für ein Ja, ebenso die IG Detailhandel.

«Die Konzeption eines indirekten Gegenvorschlags ist eine Notwendigkeit», schreiben sie in einem Brief an die Nationalrätinnen und Nationalräte. Den Forderungen der Initianten müssten praktikable und konstruktive Regelungen entgegengestellt werden.

Inhalt erst im zweiten Schritt

Im Nationalrat dürfte es knapp werden. Beschliesst der Rat, nicht auf den Gegenvorschlag einzutreten, ist dieser vom Tisch. Tritt er darauf ein, berät er nicht über die Details. In diesem Fall ist zuerst wieder der Ständerat am Zug. Bei einem zweiten Nein der kleinen Kammer wäre der Gegenvorschlag ebenfalls vom Tisch. Andernfalls könnte der Inhalt beraten werden.

Die Rechtskommission des Nationalrates hat aber bereits darüber diskutiert, in welche Richtung es gehen könnte. So zieht sie in Erwägung, die Haftungsregelung zu streichen und stattdessen auf die allgemeinen Haftungsbestimmungen des Zivilrechts zu verweisen.

Umstrittene Subsidiaritätsklausel

In der vom Nationalrat letzten Sommer gutgeheissenen Version sieht der Gegenvorschlag vor, dass Unternehmen belangt werden können, wenn Tochtergesellschaften im Ausland Bestimmungen zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt verletzen – es sei denn, sie können bestimmte Nachweise erbringen. Gelten soll diese Regelung für Unternehmen ab einer bestimmten Grösse oder mit besonderen Risiken.

Die Rechtskommission des Ständerates baute eine sogenannte Subsidiaritätsklausel ein: Die Kläger sollten soweit zumutbar im Ausland gegen die Tochtergesellschaft vorgehen, welche die Menschenrechts- oder Umweltrechtsverletzung begangen hat. Aus Sicht der Initianten wäre damit faktisch ausgeschlossen, dass Konzerne zur Rechenschaft gezogen werden können.

Beschliesst der Nationalrat, nicht auf den Gegenvorschlag einzutreten, entscheidet er, ob er die Initiative zur Annahme oder zur Ablehnung empfiehlt. Das Thema stösst auf Interesse: Auf der Rednerliste zur Volksinitiative haben sich 45 Nationalratsmitglieder eingetragen.

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