Eine kleine Typologie An der Impfung zeigt sich, wer du wirklich bist

Von Gil Bieler

1.8.2021

Impfwillige Personen warten im Impfzentrum von Giubiasco TI auf die Spritze.
Impfwillige Personen warten im Impfzentrum von Giubiasco TI auf die Spritze.
Bild: Keystone/Ti-Press/Alessandro Crinari

Ob bei der Arbeit oder im Freundeskreis: Die Corona-Impfung hat sich zum Smalltalk-Thema gemausert. Auf welche Gesprächspartner man sich einstellen muss – eine nicht ganz ernst gemeinte Typologie.

Von Gil Bieler

Die harten Hunde

Wir alle haben mindestens einen Kollegen im Büro, der gern damit prahlt, dass er von Nebenwirkungen «nichts und nada» gespürt habe, worin er einen Beweis für sein stählernes Immunsystem sieht. Wenn Arbeitskolleg*innen in der Kaffeepause von einem schmerzenden Oberarm berichten, entlockt das dem harten Hund nur ein mitleidiges Lächeln. Er ist der Chuck Norris der Impf-Typen. Dass er bei der Arbeit nicht ausfällt, versteht sich von selbst – im Gegenteil meldet er sich sogar zu Überstunden. Ein Glücksfall für die Teamkolleg*innen.

Die Fiebrigen

Dieser Typ googelt schon vor dem Impftermin alle denkbaren Begleiterscheinungen, die ihm drohen könnten – egal, wie unwahrscheinlich. Das Unbehagen schwingt auch beim Gang zum Impftermin mit. Nach der Spritze werden dann alle möglichen Symptome herbeigefiebert. Im Hals kratzt es? Die Nase läuft? Der grosse Zeh schmerzt, nachdem man ihn am Türrahmen angestossen hat? Das muss doch die Impfung sein! Der Nocebo-Effekt lässt grüssen – anders als beim Placebo-Effekt, wo jedweder positive Effekt ersehnt wird, sind es hier die negativen Folgen.

Die Geheimniskrämer*innen

Nebenwirkungen? Dazu sagt die Geheimniskrämerin noch weniger als zu ihrem Lohn. Trotzdem hört sie mit gespitzten Ohren mit, wie es den anderen so ergangen ist. Ein bisschen Voyeurismus muss sein, das kennt man ja von «Big Brother». Was sie selber zum Thema denkt, wird aber nicht einmal ihr Stubentiger erfahren. Tja.

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Die Exhibitionist*innen

Impf-Nebenwirkungen

Bei über 8,5 Millionen in der Schweiz verabreichten Corona-Impfdosen wurden bislang 4319 Fälle von unerwünschten Nebenwirkungen gemeldet. Zwei Drittel davon wurden als nicht schwerwiegend eingestuft. Das zeigen die neuesten Daten der Zulassungsbehörde Swissmedic. Betroffen sind vor allem Frauen und ältere Personen, das Durchschnittsalter beträgt 60,2 Jahre. Beim Moderna-Impfstoff treten häufiger Nebenwirkungen auf als bei jenem von Pfizer/Biontech. (sda)

Das genaue Gegenteil der Geheimniskrämerin. Die Exhibitionistin erzählt jedem und jeder ungefragt, welcher Impfstoff ihr verabreicht wurde und wie es ihr danach ergangen ist. Gleich nach dem «Guten Morgen» platzt es aus ihr heraus: «Moderna, zweite Dosis, 38,5 Grad Fieber, Schüttelfrost in der Nacht, jetzt alles gut.» Im Gegenzug will die Exhibitionistin natürlich auch von ihrem Umfeld wissen, wie das Impfen so war.

Dieser Typ war schon in der Schule dieEerste, die nach einem Test die Antworten abgleichen wollte: «Was hattet ihr bei der fünften Frage? Ich habe C angekreuzt, und ihr?» Freundschaften zwischen Exhibitionistinnen und Geheimniskrämerinnen werden in der Pandemie auf die Probe gestellt.

Die Gelangweilten

Sie ging ohne grosse Erwartungen zur Impfung, und er hat auch danach nichts Erwähnenswertes erlebt. Ein bisschen flau am Tag darauf, aber sonst alles im grünen Bereich. Versteht das ganze Tamtam um das Impf-Thema nicht und ist ganz froh, wenn sich die Gesprächsrunde rasch einem anderen Thema zuwendet. Was ist bloss aus dem guten alten Unwetter-Smalltalk geworden? Oder Fussball, irgendwer?

Die Verschwörungstheoretiker*innen

Darf in keiner Aufzählung fehlen. Und auch wenn für sie und ihn eine Impfung nie infrage käme, an interessantem Gesprächsstoff fehlt es diesem Typ nie: Die Impfung kann durch Blutspenden weitergegeben werden, wusstet ihr schon, und durch Aerosole. Sie macht überaus potent, oder aber unfruchtbar, je nachdem.

Das wäre ja in der Tat allerhand. Nur bringen die Verschwörungstheoretiker*innen diese steilen Thesen mit einer Militanz in jedes Gespräch ein – ob es nun passt oder nicht. Und dann schickt er auch noch stundenlange Youtube-Videos hinterher. Dass er von seinen Mitmenschen maximale Offenheit für noch so obskure Thesen einfordert, während er sich dem wissenschaftlichen Konsens genauso maximal verschliesst, macht die Sache nicht einfacher.