Bundesrat entscheidet heute«Es könnte um Maskenpflicht und Einschränkungen bei Ansammlungen gehen»
Von Uz Rieger
30.11.2021
Der Bundesrat trifft sich wegen der steigenden Fallzahlen und der neuen Omikron-Variante heute zu einer Krisensitzung. Diese Massnahmen bringen Gesundheitsexpert*innen aus Politik und Medizin ins Spiel.
Von Uz Rieger
30.11.2021, 09:35
30.11.2021, 14:44
Von Uz Rieger
Angesichts der angespannten Corona-Lage in der Schweiz kommt der Bundesrat zu einer Krisensitzung zusammen. «Aufgrund der Entwicklungen der Coronavirus-Pandemie trifft sich der Bundesrat am Dienstagnachmittag zu einer ausserordentlichen Sitzung, um eine Lagebeurteilung vorzunehmen», hiess es am Montagabend aus der Bundeskanzlei.
Wie der «Tages-Anzeiger» (kostenpflichtiger Inhalt) zuvor erfahren haben will, soll die Zahl der Personen bei privaten Treffen von 30 auf 10 drastisch reduziert werden, Bundesrat Alain Berset soll insgesamt über ein Dutzend Einzelmassnahmen im Köcher haben.
Oberster Kantonsarzt erwartet Einschränkungen
Dass es Verschärfungen geben wird, ist angesichts der Infektionslage und der Gefahr durch die Omikron-Variante so gut wie sicher. Auch Rudolf Hauri, Präsident der Vereinigung der Kantonsärztinnen und -ärzte, sieht dies angesichts einer drohenden Überlastung der Spitäler und des Personals als angezeigt. Deshalb müsse nun wohl «über gewisse Einschränkungen diskutiert werden», sagte Hauri dem SRF.
Er erwartet, dass der Bundesrat «die Lage in Bezug auf die Omikron-Variante analysiert und im Zusammenhang mit der bei uns grassierenden Delta-Variante über weitere Massnahmen befindet». Zudem könne er sich vorstellen, dass es in der heutigen Sitzung um eine Maskentragpflicht gehen werde und womöglich auch «um kleinere Einschränkungen bei Ansammlungen», so Hauri.
Der Bundesrat dürfte ohnehin mit Rückenwind in die Sitzung gehen, nachdem die Abstimmung am Sonntag ein deutliches Ja zum Covid-19-Gesetz brachte. Laut einer repräsentativen Umfrage des «Sonntagsblick» befürwortet inzwischen zudem eine Mehrheit der Bevölkerung schärfere Massnahmen wie etwa eine 2G-Regelung für die Teilnahme am öffentlichen Leben oder eine allgemeine Impfpflicht.
Ausweitung von Masken- und Zertifikatspflicht
Auch die Gesundheitspolitiker*innen der Parteien haben in der derzeitigen prekären Situation auf das Signal des Stimmvolks gewartet. «Sehr froh über die deutliche Zustimmung» zum Covid-Gesetz zeigte sich etwa Flavia Wasserfallen von der SP auf Anfrage von blue News. Das Ergebnis bestätige die bisherige Bewältigungsstrategie der Kantone und des Bundesrats.
Dennoch meint auch Wasserfallen, dass die bisher gemachten Schritte nun nicht mehr ausreichen dürften: «Ich schätze die Situation momentan so ein, dass wir derzeit nicht um die Einführung strengerer Massnahmen herumkommen, weil die Fallzahlen stark steigen und eine Überlastung der Spitäler droht.» Dabei seien sowohl die Kantone als auch der Bundesrat in der Pflicht, so Wasserfallen.
Im Fokus müssten dabei grössere Menschenansammlungen in geschlossenen Räumen stehen. «Wir müssen also darüber nachdenken, bei grösseren Anlässen die Maskenpflicht auszuweiten und wieder Kapazitätsbeschränkungen in Gastrobetrieben einzuführen, wo Masken nicht getragen werden können», sagt das Mitglied der Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit SGK. Denkbar sei zudem auch die Ausweitung des Zertifikats auf Spitäler und Heime – und ganz wichtig: «Die Durchführung von repetitiven Tests in den Schulen und Betrieben.»
Impfobligatorien für bestimmte Gruppen
Für SGK-Präsidentin und Mitte-Nationalrätin Ruth Humbel ist laut «20 Minuten» dabei eine 2G-Regelung im Freizeitbereich vor härteren Massnahmen wie Shutdowns oder der Absage von Veranstaltungen die erste Wahl. Auch hält sie Impfobligatorien für bestimmte Gruppen, etwa für Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen, für «juristisch denkbar».
Dass sich während der kalten Jahreszeit Veränderungen abzeichnen würden, ist auch für die SVP-Gesundheitspolitikerin Therese Schläpfer klar. Auf Nachfrage von blue News pocht das SGK-Mitglied aber darauf, dass «die Auslastungen in den Spitälern und Intensivstation» für weitere Massnahmen ausschlaggebend sein müssten.
Schläpfer erachtet das Ergebnis der Abstimmung zum Covid-19-Gesetz ohnehin als problematisch. «Ausschlaggebend war wohl die Verknüpfung der Finanzhilfen mit den Massnahmen», schätzt sie und ergänzt: «Dies hätte so nicht zur Abstimmung gebracht werden dürfen.»
Fokussierung auf Covid-Medikamente
Vor allem das Covid-Zertifikat sieht Schläpfer kritisch. Hier habe der Bundesrat ihrer Meinung nach nun ein Instrument in der Hand, «mit welchem er die Schraube in Richtung Impfzwang beliebig anziehen kann». Um der Pandemie etwas entgegenzusetzen, will Schläpfer, dass sich der Bundesrat zuvorderst auf Medikamente zur Behandlung von Covid-19 fokussiert, sodass «eine genügend grosse Menge zur Verfügung steht, sobald Swissmedic grünes Licht gibt».
Die aktuelle Reaktion mit der zunächst in Südafrika entdeckten Omikron-Variante bemängelt Schläpfer. Hier seien die aus Südafrika kommenden Passagiere «am Wochenende zu wenig eng begleitet» worden. Zudem bestehe ebenfalls bei der Einreise auf dem Landweg Handlungsbedarf.
Fragezeichen bei der Omikron-Variante
Was die Einschätzung der Gefährlichkeit der neuen Mutante angeht, findet die SVP-Politikerin, es brauche «sicher noch weitere Erfahrungen». Und in diesem Punkt ist sie sich mit ihrer SP-Kollegin Wasserfallen einig, denn auch diese hält die wissenschaftliche Datengrundlage «für weitere Vorsorgemassnahmen derzeit noch zu dünn».
Allerdings betont Schläpfer bei der Variante eher die erfreulichen Anzeichen. So würden die Aussagen einer südafrikanischen Ärztin positiv stimmen, denn womöglich sei das Virus zwar ansteckender, mache «aber bisher nur milde Verläufe». Kritischer erscheint die Lage Wasserfallen. Sie sagt: «Wenn wir wissen, wie sie sich hinsichtlich Ansteckung, Verlauf und Wirkung der Impfung auswirkt, müssen wir womöglich darauf vorbereitet sein, dass die Variante die ganze Pandemie-Bewältigung auf die Probe stellen kann.»