Schweizer Nepo-Babys «Früher nervte es mich, als ‹Tochter von› zu gelten»

Von Alex Rudolf

28.1.2023

In Hollywood nennt man die Kinder berühmter Eltern Nepo Babys. Auch in der Schweizer Politik lassen sich viele Verwandtschaften finden – die Frage, die viele umtreibt: Hätte ich es auch allein geschafft?

Von Alex Rudolf

28.1.2023

Sind sie erfolgreich, weil sie gute Gene haben? Oder weil sie ans Beziehungsnetz ihrer Eltern anknüpfen können? Vielleicht haben sie auch einfach das Talent geerbt. Die Rede ist von sogenannten Nepo Babys, denen das amerikanische «New York Magazine» eine Titelgeschichte gewidmet hat.

Dabei geht es um erfolgreiche Menschen in der Unterhaltungsbranche, die mindestens ebenso erfolgreiche Verwandte in derselben Branche aufweisen. Nepo steht kurz für Nepotism, was Vetternwirtschaft bedeutet. Eines wird schnell klar: Es sind nicht wenige.

Während sich Jamie Lee Curtis bewusst ist, dass sie aufgrund ihres bekannten Namens (sie ist die Tochter von Tony Curtis) bei früheren Castings wohl öfter wegen ihres Nachnamens ausgewählt wurde, gibt es auch andere Stimmen. Die Tochter von Johnny Depp und Vanessa Paradis (Lily-Rose Depp) sagte, dass sie auch ohne ihre berühmten Eltern erfolgreich wäre. Auf diese Aussage folgte ein Shitstorm.

Schweiz hat viele Politik-Dynastien

Fragen wie «Müssen Nepo-Babys ebenso hart arbeiten wie andere?» oder «Reicht für Erfolg auch weniger Talent?» stellt sich die Online-Community derzeit. Auch in der Schweiz gibt es viele Dynastien, die gleich mehrere erfolgreiche Personen hervorgebracht haben. Sie brillieren jedoch seltener auf der Leinwand oder auf der Konzertbühne, dafür umso häufiger in der Polit-Arena.

In der Bildergalerie oben findest du eine Auswahl an Verwandtschaften in der Schweizer Politik. Eine, die dabei ins Auge sticht, ist jene von Marianne Binder. So sass nicht nur der Vater (Anton Keller) der Aargauer Mitte-Nationalrätin zuvor im Nationalrat, sondern auch ihr Schwiegervater (Julius Binder). Letzterer wurde 1979 in den Ständerat gewählt, für den aktuell auch Marianne Binder kandidiert.

«Gewählt werden muss man selber und die Schweizerinnen und Schweizer haben es nicht so mit Clans und vererbten Mandaten.»

Marianne Binder

Mitte-Nationalrätin Aargau

Haben ihr die berühmten Verwandten bei Wahlen geholfen oder waren sie eher hinderlich? Nepotismus spiele wohl keine grosse Rolle, sagt Marianne Binder auf Nachfrage von blue News. «Gewählt werden muss man selber und die Schweizerinnen und Schweizer haben es nicht so mit Clans und vererbten Mandaten. So gesehen nützte mir mein Name nicht direkt, aber sicher hat er auch nicht geschadet.»

Nachname einer von mehreren Faktoren

So wurde Binder 2012 direkt ins Aargauer Kantonsparlament gewählt, ohne Ochsentour in der lokalen Politik. Der Nachname sei dabei aber einer von mehreren Faktoren gewesen. Denn zuvor leitete sie die Kommunikation der CVP Schweiz. Dadurch wurde ihr Vor- und Nachname schon vielen Mitte-Mitgliedern geläufig. 

Für Amélie Galladé ist ihr berühmter Nachname hinderlich und förderlich zugleich. Die Tochter der alt SP-Nationalrätin Chantal Galladé und Nichte des Winterthurer SP-Stadtrats Nicolas Galladé leitete das Winterthurer Jugendparlament und will im Herbst für den Nationalrat kandidieren  – auf der Liste der jungen GLP, zu der auch ihre Mutter gewechselt ist.

«Ich war ein paar Wochen früher Mitglied der GLP als meine Mutter.»

Amélie Galladé

Mitglied einer Winterhurer Politiker-Dynastie

Amélie Galladé erinnert sich daran, als sie gemeinsam mit Kolleg*innen das Winterthurer Jugendparlament gründete. «Bei beinahe jedem Artikel stand mein Name prominent im Titel oder Untertitel, um Klicks zu generieren», sagt sie. Dadurch hätten sie viel Aufmerksamkeit erhalten, was der Sache diente. «In den Medien gelte ich heute meist als ‹Tochter von› – das nervte mich früher manchmal», sagt sie weiter. Sie hoffe, dass sie durch ihr politisches Engagement ein eigenständiges Bild in der Öffentlichkeit aufbauen könne.

Im Gegensatz zu den anderen Beispielen von Polit-Verwandtschaften hält sich der Erfahrungsschatz von Amélie Galladé noch in Grenzen. Die Frage, ob sie ohne ihre Mutter auch in die Politik eingestiegen wäre, findet sie schwierig, denn «es ist eine hypothetische Frage».

«Meine Mutter hat mich erzogen und mir wichtige Werte mitgegeben», sagt Galladé. «Den Einstieg in die Politik hat sie mir nie explizit nahegelegt, allerdings hat sie meine Einstellung sicher stark geprägt.» Die beiden seien auch fast gleichzeitig der GLP beigetreten: «Ich war übrigens ein paar Wochen früher Mitglied», sagt Amélie Galladé

Der Zürcher SP-Kantonsrat Raffael Mörgeli, Neffe von alt SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli, ist des Themas überdrüssig. Eine Anfrage von blue News lehnte er ab, da zum Thema schon alles gesagt und geschrieben worden sei.

Deine Meinung interessiert uns

Sind die Verwandten erfolgreicher Politiker*innen erfolgreich wegen ihres Namens? Schreib einen Kommentar zum Thema.