Rocker-Prozess in Bern «Ein kleiner Funke genügt, damit die Situation eskaliert»

gbi

31.5.2022

Trotz Prügeleien zwischen den Rockern sagt der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause, die Polizei habe die Situation rund um den Prozess im Griff. Aber er versteht, dass die Motorrad-Gangs manchen Angst machen. 

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Das Berner Amthaus steht seit Wochenbeginn im Fokus der Öffentlichkeit. Im Gerichtssaal stehen sich 22 Männer von rivalisierenden Motorradclubs gegenüber. Und auf der Strasse fahren die Hells Angels und Broncos auf der einen sowie die Bandidos auf der anderen Seite noch weitaus mehr Mitglieder auf. Es kommt an beiden Prozesstagen zu gewaltsamen Zusammenstössen. 

«Die Polizei hat einen sehr diffizilen Auftrag, die Mitglieder der verfeindeten Banden voneinander fernzuhalten, und sie erfüllt diesen gut», sagt der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause zu blue News. So sei es zwar am Dienstag, dem zweiten Prozesstag, wiederum zu gewalttätigen Zusammenstössen gekommen. «Aber diese Scharmützel dauerten nur wenige Minuten. Man kann also nicht von Strassenschlachten reden, die sich abspielen würden», hält der Mitte-Politiker fest.

Gummigeschosse und Pfefferspray eingesetzt

Es habe auch keine Sachbeschädigung und keine Verletzten gegeben, was man bei der Kantonspolizei Bern bestätigt. Die Polizei musste trotzdem Gummigeschosse und Pfefferspray einsetzen, um Kontrahenten vor dem Eingangsbereich des Gerichtsgebäudes zu trennen, wie Polizeisprecherin Isabelle Wüthrich erklärt.

Details zur Taktik und der Zahl an Polizist*innen kann sie nicht preisgeben, aber generell hält Wüthrich fest: «Solche Einsätze bergen immer ein gewisses Gefahrenpotenzial, daher sind wir mit einem entsprechenden Dispositiv vor Ort.»

Auch beim Verband Schweizerischer Polizei-Beamter VSPB bestätigt man: «Es gibt immer wieder Fälle, die zeigen, dass von solchen Banden Gewalt gegenüber Polizistinnen und Polizisten ausgeht, auch indem Ordnungskräfte mit Steinen und Flaschen beworfen und dabei verletzt werden.» Grundsätzlich handle die Polizei deeskalierend und suche das Gespräch.

Für Reto Nause zeigen die Szenen der letzten beiden Tage: «Die Gewaltbereitschaft ist sehr hoch. Ein kleiner Funke genügt, damit die Situation eskaliert.» Besonders unschön sei jedoch, dass sich diese Auseinandersetzungen jeweils morgens zu Stosszeiten und an einem zentralen Verkehrsknotenpunkt ereigneten, was den Pendlerverkehr störe.

Nause stellt daher zur Diskussion, ob eine Verlegung des Prozesses an einen anderen Ort angezeigt wäre – hält aber gleichzeitig fest, dass dieser Entscheid nicht in der Kompetenz der Stadt Bern liege. Entsprechende Abklärungen liefen.

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«Und man darf nicht vergessen, dass der Anblick von mehreren Hundert Rockern – die teils noch vermummt sind – manchen Leuten Angst macht.» Ist diese Angst berechtigt?

«Generell gehen Mitglieder von Rockerbanden aufeinander los», sagt Nause. Und tatsächlich ist eine solche blutige Auseinandersetzung, die sich im Mai 2019 in Belp zugetragen hatte, auch der Grund, weshalb sich die 22 Rocker in Bern überhaupt vor Gericht gegenüberstehen. «Trotzdem sind Passantinnen und Passanten gut beraten, Abstand zu halten, wenn die Gewalt einmal kurzfristig aufflammt», sagt Nause. 

Unbeteiligte geraten selten dazwischen

«Rockergruppen können mit grosser Brutalität vorgehen; dies wird einmal mehr an den Bildern vor dem Berner Gericht sichtbar», sagt der Gewaltforscher Dirk Baier, Leiter des Instituts für Delinquenz und Kriminalprävention an der ZHAW. «Die Brutalität richtet sich dabei zuallererst gegen verfeindete Rockergruppierungen, allerdings können auch abtrünnige Personen aus den eigenen Reihen oder aber Polizistinnen und Polizisten betroffen sein.»

Gegen Unbeteiligte richte sich die Gewalt laut Baier für gewöhnlich nicht – «aber es gilt natürlich: Wenn Rockergruppen aufeinander losgehen, kann man, wenn man zur falschen Zeit am falschen Ort ist, auch Teil der Auseinandersetzungen werden».

Der Prozess in Bern soll noch Tage dauern. Die wegen versuchter vorsätzlicher Tötung angeklagten Haupttäter schwiegen laut der Nachrichtenagentur Keystone-SDA bisher vor Gericht zum Vorfall in Belp mit mehreren Schwerverletzten. Das Urteil wird erst Ende Juni erwartet.

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