19 Tessiner Jugendliche angeklagt «Männer malträtiert, bepinkelt, mit Exkrementen beschmiert»

Philipp Dahm

15.10.2024

Jagd auf mutmassliche Pädophile: In Lugano sollen 19 Jugendliche Selbstjustiz geübt haben.
Jagd auf mutmassliche Pädophile: In Lugano sollen 19 Jugendliche Selbstjustiz geübt haben.
KEYSTONE

Die Tessiner Behörden ermitteln gegen 19 Jugendliche, denen Angriff, Raub, Freiheitsberaubung und Erpressung vorgeworfen wird. Ihre Opfer waren mutmassliche Pädophile.

Philipp Dahm

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  • Die Tessiner Justiz ermittelt gegen 18 Minderjährige und einen 18-Jährigen aus Lugano.
  • Die Gruppe soll im Internet Männer angesprochen haben, die sich für Buben interessieren, um sich mit ihnen zu verabreden.
  • Die Männer wurden dann angeblich erniedrigt, geschlagen und erpresst.
  • Vorbild der Jugendlichen ist die Bewegung Occupy Pedophilia eines rechtsextremen Russen mit Namen Maxim Marzinkewitsch.

Die Jugendgerichtsbarkeit und die Tessiner Kantonspolizei haben bekannt gegeben, dass zwischen dem 1. und dem 3. Oktober ein Schlag gegen 19 Jugendliche in Lugano gelungen ist, denen Selbstjustiz vorgeworfen wird.

Es handelt sich um 18 Personen im Alter zwischen 13 und 17 und einen 18-Jährigen: Sie sollen sich im Internet mit Männern verabredet haben, die angeblich Interesse an minderjährigen Buben haben. Sobald sie sich mit den Männern getroffen haben, seien diese «bestraft» worden.

Die Tessiner Jugendlichen haben sich den Neonazi Maxim Marzinkewitsch zum Vorbild genommen. Der Russe, der 2020 im Alter von 36 Jahren gestorben ist, hat 2011 eine Bewegung gegründet, die er Occupy Pedophilia genannt hat. 

Deren Ziel war es, Pädophile zu erniedrigen: Marzinkewitsch und seine Freunde gaben sich dabei als minderjährige Jungen aus, verabredeten sich online mit Männern und machten diese in der Gruppe fertig. Auf Video hielten sie fest, wie sie die Personen mit Exkrementen übergossen.

Angeblicher Suizid im Untersuchungsgefängnis

Dabei gingen die Neonazis nicht zimperlich vor: Für die Gruppe sind alle homosexuellen Männer auch Pädophile. Auch Jugendliche, die auf ihre Internet-Avancen hereingefallen sind, gerieten in ihre Fänge. Marzinkewitsch landete wegen diverser Delikte dreimal im Gefängnis.

2018 wurde er ein viertes Mal verurteilt: Wegen Raub und Hooliganismus schickte ihn ein Richter für zehn Jahre in eine Arbeitskolonie. Der Verurteilte legte dagegen Rekurs ein, wurde jedoch am 16. September 2020 tot in einem Untersuchungsgefängnis im Oblast Tscheljabinsk aufgefunden. Er soll sich das Leben genommen haben.

Das Vorgehen des rechtsextremen Russen haben die Tessiner Jugendlichen kopiert. Auf Instagram und Tinder haben sie ihre Opfer angesprochen und sie in Parks oder Wohnungen in Lugano gelockt.

Auch Opfer werden überprüft

«Einige der Männer wurden malträtiert, bepinkelt oder mit Exkrementen beschmiert», sagt Journalist Gerhard Lob dem SRF. «Einige wurden erpresst, es wurde Geld verlangt, damit man sie dann freilässt.»

Das Jugendgericht muss nun über die Vorwürfe befinden, die Nötigung, Körperverletzung, Angriff, Raub, Freiheitsberaubung und Erpressung umfassen. «Die Jugendlichen müssen sich auf einiges gefasst machen», so Lob.

Einige rechtfertigten ihre Taten laut SRF mit der Untätigkeit der Behörden: Ob sie wirklich Pädophile anzeigen wollten, aber nicht angehört worden seien, werde nun ermittelt. Doch auch ihre Opfer könnten Ärger mit der Justiz bekommen: Ein Mann sei gerade erst zu einer bedingten Strafe verurteilt worden, weiss Journalist Lob. Andere Personen würden überprüft.