Jungpolitiker über Schweizer Klimapolitik (1/2)«Klar ungenügend» – «Viel besser kann man es nicht machen»
Von Gil Bieler und Olivia Sasse
20.7.2021
Jungpolitiker über Schweizer Klimapolitik: «Klar ungenügend» – «Viel besser kann man es nicht machen»
Das CO₂-Gesetz ist gescheitert, die globale Erwärmung voll im Gang: Wie soll es nun in der Schweizer Klimapolitik weitergehen? Was soll der Staat tun, was soll er lassen? Jungpolitiker*innen aller Parteien nehmen Stellung.
20.07.2021
Das CO₂-Gesetz ist gescheitert, die globale Erwärmung voll im Gang: Wie soll es nun in der Schweizer Klimapolitik weitergehen? Was soll der Staat tun, was soll er lassen? Jungpolitiker*innen aller Parteien nehmen Stellung.
Von Gil Bieler und Olivia Sasse
20.07.2021, 23:30
26.07.2021, 15:28
Gil Bieler und Olivia Sasse
«Dass man im Klimaschutz etwas machen muss, haben wir immer gesagt. Nur war dieses etwas nicht das, was bei der letzten Abstimmung vorgelegt wurde.» So blickt David Trachsel, Präsident der Jungen SVP, auf die Abstimmung über das CO₂-Gesetz zurück. Das Stimmvolk hatte dieses am 13. Juni mit 51,6 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt – ein Triumph für die SVP, die als einzige Partei auf ein Nein gehofft hatte.
Das im Parlament mühsam ausgehandelte Kompromisspaket ist dahin. Der Klimawandel aber, der bleibt. Und dass die bisherigen Anstrengungen für den Klimaschutz nicht genügen, machte das Bundesamt für Umwelt (Bafu) im Frühling offiziell: Das nationale Klimaziel für 2020 wurde verfehlt, rechnen die Expert*innen vor.
Wie soll, wie muss es in der Schweizer Klimapolitik nun weitergehen? Das will «blue News» von den Spitzen der Jungparteien wissen – schliesslich sind es die jüngeren Generationen, die die Folgen des Klimawandels am längsten zu spüren bekommen werden.
Der Wirtschaft das Feld überlassen
Die Ansichten gehen dabei erwartungsgemäss weit auseinander. JSVP-Präsident Trachsel etwa findet: Der Staat müsse keine konkreten Ziele und Pläne vorlegen, sondern der Privatwirtschaft den Lead überlassen. «Er muss Rahmenbedingungen schaffen, die Innovation und Spitzenforschung ermöglichen.» Nur wenn Schweizer Unternehmen grüne Spitzentechnologien entwickeln und exportieren könnten, habe unser Land auch einen Einfluss auf das Weltklima.
Auch die Präsidentin der Juso denkt im globalen Massstab. Doch Ronja Jansen hat die Schweizer Finanzbranche im Blick, und den Treibhausgas-Ausstoss, den diese mitverursache: «Der Schweizer Finanzplatz erzeugt extrem viele Emissionen – viel mehr, als es so ein kleines Land sollte.» Die hiesigen Banken zu einem grüneren Geschäftsmodell zu verpflichten, darin sieht die Juso-Chefin «unseren grössten Hebel, um international etwas zu verändern».
Und wie soll der Scherbenhaufen im Inland gekittet werden? Geklärt werden müsse die Frage, wer für die Klimaschutzmassnahmen bezahle, findet Jansen, «es braucht eine soziale Finanzierung».
Gerade junge Menschen hätten oft ein dünnes Portemonnaie und aus Angst vor zusätzlichen Ausgaben wohl Nein zum CO₂-Gesetz gesagt, so die Juso-Chefin. Bei der Finanzierungsfrage sollte man auch über den Einsatz von Steuergeldern diskutieren.
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«Es muss jetzt unmittelbar weitergehen», sagt Matthias Müller, Präsident der Jungliberalen. Die Gewinnerseite müsse die «völlig unbestrittenen» Massnahmen des CO₂-Gesetzes nun rasch in neue Vorlagen einbringen. Nach der Abstimmung etwa sei klar, dass der weitere Weg nicht über Lenkungsabgaben, sondern über Anreizsysteme führen müsse – zum Beispiel solle man Massnahmen bei Gebäudesanierungen von den Steuern abziehen können.
Auf Verbote oder Verteuerung zu setzen, das könne nicht die Lösung sein. «Die Leute wollen das nicht», sagt Müller, «das hat diese Abstimmung gezeigt.» Auf eine Flugticketabgabe werde man deshalb verzichten müssen, und auch grosse Paketlösungen seien vom Tisch. Die Schweiz sei aber nicht schlecht unterwegs, und er sei zuversichtlich, dass sich das Parlament zusammenreissen werden könne.
Dass Lenkungsabgaben die Bevölkerung nicht überzeugen konnten, glaubt auch Julia Küng, Co-Präsidentin der Jungen Grünen. Weil die Uhr tickt, hofft sie nun auf klare Gebote und Verbote. «Verbote sind effektiv, denn dann wird etwas auch wirklich durchgesetzt», sagt Küng. Diese sollten jedoch «selbstverständlich» nur dort erlassen werden, wo ein Weiter-so sinnlos sei – etwa bei CO₂-Vorgaben für Neuwagen oder den viel diskutierten Ölheizungen. «Neue Erdölheizungen können nicht zu unserer Zukunft gehören», ist sie überzeugt.
Den grössten Handlungsbedarf sieht Küng bei Verkehr, Finanzplatz und Landwirtschaft. «Das sind auch jene Bereiche, in denen es einen grundsätzlichen Wandel braucht – es reicht hier nicht, einfach etwas effizienter zu werden.»
«Es bleibt jetzt sehr wenig Zeit»
Das Nein zum CO₂-Gesetz sei kein Nein zum Klimaschutz, glaubt Küng – und stimmt damit mit Marc Rüdisüli überein. Er ist Vizepräsident der Jungen Mitte und will «unbestrittene Massnahmen» des CO₂-Gesetzes so schnell wie möglich wieder aufnehmen. Dazu zählt er die Kompensationspflicht für Treibstoff-Importeure, und die Möglichkeit für Unternehmen, sich von der CO₂-Abgabe zu befreien, wenn sie ihren Ausstoss drosseln.
Mittel- bis langfristig brauche es aber wieder eine Klimastrategie, und die Arbeiten daran müssten «jetzt» beginnen. Denn das Klimaziel 2030 – die CO₂-Emissionen gegenüber dem Wert von 1990 zu halbieren – bleibe verbindlich. Man sei das auch den nächsten Generationen schuldig, sagt Rüdisüli. Und er hält fest: «Es bleibt jetzt sehr wenig Zeit, um die Schweizer Klimapolitik neu zu justieren.»