Zweite RevisionSchreibt der Nationalrat nun das Öffnungsdatum ins Covid-19-Gesetz?
Von Julia Käser/lmy
3.3.2021
Die grosse Kammer debattiert die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes. Am meisten interessiert dabei, ob der Nationalrat seiner unverbindlichen Erklärung Taten folgen lässt – und dem Bundesrat das Heft aus der Hand nimmt.
Heute ist der Nationalrat mit der Beratung des Covid-19-Gesetzes dran. Bereits letzte Woche hatte er in einer Erklärung weitere Öffnungsschritte verlangt. So sollen Gastro-, Freizeit-, Kultur- und Sportbetriebe per 22. März öffnen können, komme was wolle. Diese Erklärung hat aber keinen bindenden Charakter für den Bundesrat.
Der Ständerat hat das Gesetz letzte Woche beraten – er hat sich dagegen ausgesprochen, dem Bundesrat bei der Bekämpfung der Pandemie übermässig reinzureden. Er nahm aber einen Absatz ins Covid-19-Gesetz auf, wonach der Bundesrat seine Strategie auf mildest- und kürzestmögliche Einschränkungen ausrichten soll.
Im Nationalrat dürfte es keine Mehrheit geben für den Antrag der Wirtschaftskommission, ein fixes Öffnungsdatum ins Gesetz zu schreiben. Man wollte einen «Warnschuss» abfeuern und nahm das «Risiko, übers Ziel hinauszuschiessen», in Kauf, sagte ein liberaler Parlamentarier der «NZZ am Sonntag».
Mehr Macht fürs Parlament
Wie konnte es so weit kommen? Vor allem bürgerliche Politikerinnen und Politiker werfen dem Bundesrat Alleinherrschaft vor. Den am vorletzten Mittwoch vom Bundesrat präsentierten Lockerungsfahrplan bezeichnet die SVP als «reine Schikane» und SP-Gesundheitsminister Alain Berset sieht sich mit «Diktator»-Vorwürfen konfrontiert.
Die Forderung aus dem bürgerlichen Lager: Das Parlament soll im Zusammenhang mit der Pandemie-Bekämpfung mehr Macht erhalten. Erkämpft werden könnte dieses zusätzliche Mitspracherecht im Rahmen der geplanten Revision des Covid-19-Gesetzes.
Datum der Öffnungen im Gesetz verankern
Ein Beispiel: Sowohl die Gesundheitskommission des Nationalrats (SGK-N) als auch die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N) verlangen schnellere Öffnungsschritte, als sie der Bundesrat vorsieht. Restaurants sowie Kultur-, Unterhaltungs-, Freizeit- und Sportstätten sollen bereits ab dem 22. März wieder öffnen dürfen.
Durchsetzen will die WAK-N diese Lockerungen mit einer dringlichen Änderung des Covid-19-Gesetzes, wie es der entsprechende Antrag von Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher (SVP/GR) vorsieht. Demnach soll das Datum der Öffnung im Gesetzestext verankert werden.
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Die Mehrheit der Kommissionsmitglieder hat sich für das Vorhaben ausgesprochen. Eine Minderheit hält dagegen: Dieser Schritt würde den Spielraum des Bundesrats zu sehr einschränken, wenn es darum gehe, flexibel und rasch auf neue Pandemie-Entwicklungen zu reagieren.
Künftige Schliessungen soll der Bundesrat gemäss der Mehrheit der WAK-N nicht mehr für länger als 90 Tage beschliessen können. Auch eine Homeoffice-Pflicht soll nicht mehr bis auf Weiteres, sondern für maximal 90 Tage erlassen werden dürfen.
Taskforce soll schweigen, um Kommunikation zu verbessern
Aber nicht nur dem Bundesrat sollen die Flügel gestutzt werden – auch der wissenschaftlichen Taskforce des Bundes. So verlangt die nationalrätliche Wirtschaftskommission weiter, dass sich die Taskforce nicht mehr zu Corona-Massnahmen äussern darf. Das soll künftig dem Bundesrat und dem Parlament vorbehalten sein.
Einen entsprechenden Vorstoss hat die WAK-N am vergangenen Freitag mit 13 zu 10 Stimmen bei zwei Enthaltungen gutgeheissen.
Ab Mittwoch ist das Parlament an der Reihe – und die Ratsdebatte verspricht hitzig zu werden. So haben die Grünen am Montag einen Appell für die Wissenschafts- und Meinungsfreiheit lanciert, in dem sie sich vehement gegen den Maulkorb für die Taskforce einsetzen. Sie erkennen im Antrag der WAK-N den Versuch, «wissenschaftliche Erkenntnisse zu unterdrücken, die nicht ins politische Programm passen». Die Öffentlichkeit habe ein Recht darauf, politisch unabhängig informiert zu werden.
FDP-Nationalrat Marcel Dobler spricht sich auf Twitter für den Entscheid der Kommission aus: «Die mediale Kakofonie der Covid-Taskforce soll enden», ist er überzeugt. Dabei gehe es keinesfalls darum, dass die Taskforce den Bundesrat nicht mehr beraten solle, sondern darum, die Kommunikation in der Krise zu verbessern.