Junge Ukrainer im Krieg: «Du lernst einfach zu schätzen, was du hast»
«Es fühlt sich so an, als stünde das Leben irgendwie still, seit der Krieg begonnen hat.» Dieses Gefühl teilt der 17-jährige Marko in Kiew mit vielen jungen Ukrainern. Auch im Leben von Nikol aus Mariupol ist nichts mehr wie es war.
23.02.2023
Vor einem Jahr brach der Krieg in der Ukraine aus. War die Betroffenheit und Hilfsbereitschaft anfänglich gross, werden nun Stimmen laut, die eine Reform des Asylwesens fordern.
Die ganze Welt war schockiert vom Angriffskrieg, den Wladimir Putin am 24. Februar 2022 gegen die Ukraine startete. Die Solidarität der Schweizer*innen war gross. So boten viele neben Hilfstransporten auch Unterbringung in ihren Privatwohnungen an.
Die damalige Justiz- und heutige Finanzministerin Karin Keller-Sutter sagte in einem Interview mit den CH-Media-Zeitungen Mitte Juli 2022 dazu: «Die grosse Solidarität hat auch damit zu tun, dass 80 Prozent der Geflüchteten Frauen und Kinder sind. Die Menschen verstehen, dass Krieg herrscht und die Frauen sich und ihre Kinder in Sicherheit bringen.»
Zeiten werden härter in der Schweiz
Heute, zwölf Monate später, sieht die Situation ein wenig anders aus. So besetzt die SVP im Hinblick auf die nationalen Wahlen von Herbst das Thema Asyl. Mit ihrer Forderung danach, dass Gesuche noch im Ausland abgeklärt werden sollen, stösst sie bei den anderen Parteien aber auf Widerstand.
Die SVP stellt sich aber auch dagegen, dass ukrainische Geflüchtete in der Schweiz eine Lehre absolvieren sollen.
Generell werden die Zeiten härter für die Ukrainer*innen, die in der Schweiz Zuflucht suchten. Im Kanton Aargau wird ein Fahrzeug ab dem 10. März zum Vermögen angerechnet und muss von ukrainischen Flüchtlingen abgegeben werden, wenn sie Sozialhilfe beziehen wollen. Aber auch Berichte über teils prekäre Zustände bei der Unterbringung von Asylsuchenden machten die Runde.
Aktuell gibt es zwei Dutzend Kriege auf der Welt
Wie kommt es, dass wir innert eines Jahres derart abgehärtet wurden als Gesellschaft?
Kriegspsychologe Thomas Elbert erklärt dies folgendermassen: «Man überlebt nur, wenn man sich an Dinge gewöhnt, die man nicht ändern kann», sagt er zu blue News. «So richtig hat sich aber niemand an den Krieg in Europa gewöhnt», fügt er an.
Schliesslich dürfe man nicht vergessen, dass es auf der Welt seit jeher Krieg gegeben habe. «Aktuell wüten rund zwei Dutzend Kriege. Im Kongo gab es fünf Millionen Tote», sagt Elbert. Was die Ukraine für uns speziell mache, ist die kulturelle Nähe.
Falsche Prognosen helfen nicht
Die Schweiz sei sehr gastfreundlich, das wisse er aus erster Hand, sagt Elbert, da er die Gastfreundschaft schon oft erlebt habe. «Aber nach so vielen Monaten ist es normal, wenn man nicht mehr mag. Irgendwann hört die Gastfreundschaft auf.» Was einer gewissen Ungeduld ebenfalls in die Hände spielt, sind falsche Prognosen: «Die Vorhersagen zum Ukrainekrieg waren, dass er bis Sommer 2022 vorbei ist – nun haben wir ein halbes Jahr später. Die Stimmung und die Bereitschaft zu geben kippen so irgendwann.»