Sozialversicherungen Grünes Licht für Sozialdetektive

SDA

25.11.2018 - 17:32

Das neue Gesetz ermöglicht es, Sozialversicherte bei Verdacht auf Missbrauch durch private Detektive überwachen zu lassen. (Archivbild)
Das neue Gesetz ermöglicht es, Sozialversicherte bei Verdacht auf Missbrauch durch private Detektive überwachen zu lassen. (Archivbild)
Source: KEYSTONE/GAETAN BALLY

Die Sozialversicherungen bekommen grünes Licht, Versicherte bei Verdacht auf Missbrauch durch Detektive überwachen zu lassen. Knapp zwei Drittel der Stimmenden haben der Vorlage an der Urne zugestimmt.

Das insgesamt klare Ja ist keine Überraschung. In den verschiedenen Abstimmungsumfragen lagen die Befürworter stets vorne. Im Parlament war das Gesetz zwar umstritten, doch plante keine Partei ein Referendum.

Der Widerstand kam von ausserhalb: Ein Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern um die Autorin Sibylle Berg und den Studenten und Campaigner Dimitri Rougy beschloss, das Referendum zu ergreifen. Die SP und die Grünen unterstützten dieses in der Folge. Auch Gewerkschaften, Behinderten- und Seniorenorganisationen beteiligten sich.

Widerstand von liberaler Seite

Im Abstimmungskampf kam Widerstand von liberaler Seite hinzu. Die GLP ergriff die Nein-Parole, ein liberales Komitee mit jungen Grünliberalen und Jungfreisinnigen sprach von einem Angriff auf die Privatsphäre.

Schliesslich setzten sich aber die bürgerlichen Parteien SVP, FDP, CVP und BDP durch. Sie argumentierten, der neue Artikel sei im Interesse der Steuerzahlenden. Mit einem Ja werde lediglich eine während Jahren bewährte Praxis wiedereingeführt.

Erster Versuch gescheitert

Die Invalidenversicherung (IV) und die Unfallversicherung (Suva) hatten schon früher Versicherte observiert. 2016 kam der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte jedoch zum Schluss, dass die gesetzliche Grundlage dafür nicht genüge. Die Observationen mussten eingestellt werden.

Nun sind sie wieder möglich. Die vom Parlament innert kurzer Zeit verabschiedete Vorlage gilt nicht nur für die IV und die Suva, sondern auch für die Arbeitslosen- und die obligatorische Krankenversicherung.

Gesetz lässt Spielraum

Gemäss Gesetz darf eine Observation nur dann angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen unrechtmässigen Bezug von Leistungen vorliegen und der Sachverhalt nicht ohne grossen Aufwand mit anderen Mitteln geklärt werden kann.

Ob ein IV-Rentner oder eine Unfallversicherte observiert wird, kann die Versicherung eigenmächtig entscheiden. Das Gesetz erlaubt Bild- und Tonaufzeichnungen. Mit richterlicher Bewilligung sind zudem Ortungsgeräte wie GPS-Tracker gestattet.

Details der Observierung

Weniger klar ist, wo Personen observiert werden dürfen. Im Gesetz steht, die Person müsse sich an einem allgemein zugänglichen Ort befinden oder an einem Ort, der von einem solche aus frei einsehbar ist. Das erlaubt die Observation einer Person, die sich auf dem Balkon befindet.

Die Gegnerinnen und Gegner des Gesetzes kritisierten, dass das Parlament das nicht klar geregelt hat. Das gelte auch bei den Drohnen. Aus Sicht des Bundesrates wären solche als Instrument zur Standortbestimmung mit richterlicher Genehmigung zulässig, aber nicht zum Erstellen von Bild- und Tonaufnahmen.

Das letzte Wort dürften wohl die Gerichte haben. Bei allem Interpretationsspielraum: Klar ist, dass die Versicherungen zu den Gewinnern gehören. Laut dem Bund sparte die IV in den Jahren 2010 bis 2016 dank Observationen insgesamt 170 Millionen Franken.

Gegner bleiben skeptisch

Sehr kritisch äusserten sich die Gegner der Vorlage zur Observierung. "Sie werden alle überwachen - ich denke, es wird bis ins Schlafzimmer gefilmt werden", sagte Rechtsanwalt Philipp Stolkin, einer der Köpfe des Referendumskomitees gegen die Versicherungsdetektive.

Die Versprechen des Bundesrats im Abstimmungsbüchlein, bei der Überwachung die Verhältnismässigkeit hochzuhalten, werde sich in Schall und Rauch auflösen. Jeder werde ins Fadenkreuz genommen, sagte der Anwalt gegenüber Schweizer Fernsehen SRF.

Harter Abstimmungskampf

Trotz der 64,7 Prozent Ja-Stimmen für die Sozialdetektive zeigte sich Co-Kampagnenleiter Dimitri Rougy nicht enttäuscht über das Resultat. Es sei von vornherein klar gewesen, dass der Abstimmungskampf sehr hart werden würde.

Aber die Millionenkampagne der Versicherungslobby und die Falschinformationen des Bundes hätten von den gravierenden Mängeln des Gesetzes abgelenkt.

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