GDK-PräsidentAbsage und Verschieben von Impfterminen «schaden Vertrauen»
sda
21.4.2021 - 03:04
Die Ankündigung, dass die Schweiz im Mai deutlich weniger Impfdosen erhalten wird als geplant, schadet laut dem obersten Gesundheitsdirektoren dem Vertrauen der Menschen in den Impfprozess.
21.04.2021, 03:04
21.04.2021, 06:17
SDA/dor
Die Schweiz wird im Mai 200'000 weniger Impfdosen erhalten als geplant. Das ist gemäss dem obersten Gesundheitsdirektoren keine gute Nachricht. «Die Absage und das Verschieben von Terminen schaden dem Vertrauen», sagte Lukas Engelberger, Präsident der kantonalen Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK), in einem Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung» vom Mittwoch.
Einen Vertrauensverlust gelte es zu verhindern. «Wir sind darauf angewiesen, dass die Menschen der Impfung und der ganzen Organisation rundherum vertrauen. Die Motivation zur Impfung hängt auch davon ab», sagte Engelberger im Interview.
Um solche Lieferschwierigkeiten auffangen zu können, brauchten die Kantone eine gewisse Reserve. Engelberger sprach damit die Forderung des Bundesrats vom Donnerstag an, wonach die Kantone die zweite Impfdosis nicht mehr zur Reserve an Lager behalten sollen. Er verstehe diesen Wunsch, nicht unnötig Dosen zu horten. Aber «das Bedürfnis, möglichst schnell zu impfen, ist abzuwägen gegen die Forderung nach einer gewissen Verlässlichkeit», sagte Engelberger.
Die Kantone wünschten sich, dass der Bund besser rund schneller über Lieferengpässe informiert würden. In den vergangenen Tagen war seitens einiger Kantone Kritik laut geworden, weil das Bundesamt für Gesundheit (BAG) am Freitag über einen Lieferengpass von Moderna sehr kurzfristig informiert hatte. Er selber kritisiere den Bund deshalb nicht, erwarte aber auch, dass man die Kantone nicht kritisiert oder unter Zeitdruck setze. «Das wäre kontraproduktiv», sagte Engelberger.
Psychologischer Effekt bei Lockerungen
Der GDK-Präsident stellte sich auch bei teils heftig kritisierten Massnahmen-Lockerungen des Bundesrats vom vergangenen Mittwoch hinter den Bundesrat. Die psychologische Dimension sei wichtig: «Die Bevölkerung wünscht sich Perspektiven», sagte Engelberger. Sie könne Regeln besser befolgen und sei disziplinierter, wenn sie optimistisch sei. Es sei daher zu einseitig, Öffnungsschritte etwa nur auf wirtschaftliche Berechnungen abzustellen.
Die Gefahr, die von diesem Entscheid ausgeht – nämlich dass die Öffnungen als Freipass verstanden werden – sei aber «sehr ernst» zu nehmen. «Der Schweizer Weg ist mit Risiken verbunden», sagte Engelberger. Dieser könne nur erfolgreich sein, wenn die Bevölkerung mit den Lockerungen sehr vorsichtig umgehe. Wenn die Bevölkerung die Disziplin verliere, bestehe tatsächlich die Gefahr, dass die Schweiz vor der Ziellinie viel aufs Spiel setze.
Auf die Frage, ob er mit der Öffnung von Fitnessstudios, Kinos und Theatern gewartet hätte, weil das Risiko von Ansteckungen in Innenräumen höher ist als im Freien, sagte Engelberger: «Persönlich verhalte ich mich in Innenräumen sehr viel vorsichtiger. Aber ich möchte daraus keine politische Aussage machen.»
Es sei jetzt wichtig, dass nicht im Wochenrhythmus neue Lockerungen diskutiert und gefordert würden, sagte Engelberger weiter. Stattdessen müsse nun einige Wochen genau beobachten werden, welche Folgen die jüngsten Öffnungen haben. Die Zeit müsse jetzt genutzt werden, um in Richtung Jahresende zu schauen. «Wir müssen uns über die Ziele der nächsten fünf bis zehn Monate klarer werden», sagte Engelberger. Der Bundesrat erarbeite dazu derzeit ein Modell.