Ukrainische Flüchtlinge Gastfamilien hören auf, und das wird ein Problem für die Kantone 

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13.6.2022

Ukrainische Flüchtlinge und deren Gastfamilien bei einem Anlass in Murten FR. (Archiv)
Ukrainische Flüchtlinge und deren Gastfamilien bei einem Anlass in Murten FR. (Archiv)
KEYSTONE/PETER SCHNEIDER

Zuletzt sind weniger Ukraine-Flüchtlinge in die Schweiz gekommen. Die Kantone haben trotzdem ein Problem, denn viele Gastfamilien dürften ihr Engagement nun nach drei Monaten beenden.

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Vor mehr als drei Monaten begann der Krieg in der Ukraine. Seither sind mehr als 56'000 Menschen aus dem Land in die Schweiz geflohen und trafen hier auf grosse Hilfsbereitschaft: Gut 30'000 Gastfamilien stellen rund 80'000 Betten für Flüchtlinge aus der Ukraine zur Verfügung, berichtet das SRF.

Viele dieser Gastfamilien haben sich dazu verpflichtet, die Flüchtlinge drei Monate zu beherbergen. Diese Frist läuft nun aber aus, wie Gaby Szöllösy, Generalsekretärin der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK), am vergangenen Donnerstag vor den Medien erklärte. Die Zivilgesellschaft habe «wahnsinnig geholfen», sagte sie. Zugleich zeigte sie Verständnis, wenn die Gastfamilien nach drei Monaten wieder in ihre alte Normalität zurückkehren wollen.

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13.06.2022

Ermüdungserscheinungen bei Privaten erkennt auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH). Es sei «nicht ohne», jemanden dauernd bei sich in der Wohnung zu haben, sagte SFH-Direktorin Miriam Behrens dem SRF. Zudem stelle man fest, dass es bei Gastfamilien auch zu Irritationen über kulturelle Differenzen komme. Viele seien offenbar davon ausgegangen, dass es sich um eine sehr ähnliche Kultur handle. Es gebe aber «eben doch Unterschiede». Zumal wenn Kinder dabei seien, könne das zusätzlich zu Reibungen führen, so Behrens.

Schwierige Situation in den Sommerferien

Die Kantone befürchteten deshalb gerade auf die Sommerferien hin, dass sich die Situation für sie schlagartig ändern kann und sie sich plötzlich um die Unterbringung von Flüchtlingen aus Gastfamilien kümmern müssen. Einige von ihnen bereiten sich laut Szöllösy bereits gezielt auf das Problem vor: Sie fragen bei Gastfamilien an, um herauszufinden, ob der Aufenthalt hier verlängert werden kann. Die «Beständigkeit der Unterbringung» sei für die Kantone nach den Ferien besonders wichtig, führte Szöllösy aus. Zudem müssten sie nun herausfinden, was überhaupt auf sie zukomme.

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Mithilfe des Bundes können die Kantone in der Angelegenheit zudem nicht rechnen: «Es gibt keine Rückübernahme vom Bund und keine Neuverteilung», zitiert SRF David Keller, den Leiter Krisenstab beim Staatssekretariat für Migration (SEM). Es sei demnach selbst an den Kantonen, das Problem zu lösen.

Städte vor grossen Herausforderungen

Die Fluchtbewegungen in die Schweiz haben zuletzt abgenommen – und damit auch der Druck auf die Kantone selbst: Hier stehen laut Szöllösy aktuell 9000 freie Betten zur Verfügung. Das seien 1200 mehr als zuvor.

Allerdings könne sich die Situation in einzelnen Kantonen teils deutlich unterscheiden, gibt die Flüchtlingshilfe zu bedenken: «Bei Kantonen, die ihre Gastfamilien gut begleiten und Ansprechpartner sind, kommen die Ermüdungserscheinungen weniger schnell», erklärte SFH-Direktorin Behrens dem SRF. Unterschiede bemerke man vor allem auch, weil viele der Flüchtlinge aus der Ukraine zunächst in die Städte gegangen seien: «Dort ist die Situation bestimmt auch eine grosse Herausforderung.»

Mit Material der Nachrichtenagentur SDA