Lebensräume von Tieren und Pflanzen schützen und die Verbauung der Landschaft verhindern: Das ist das Ziel zweier Volksinitiativen von Umweltverbänden. Die Urheber haben am Dienstag ihre Doppelinitiative vorgestellt.
Der Natur in der Schweiz gehe es schlecht, sagten die Initianten vor den Medien in Bern. Die Landschaft werde zubetoniert. Wichtige Lebensräume drohten zu verschwinden, und mit ihnen Tier- und Pflanzenarten.
Dagegen wollen Pro Natura, BirdLife Schweiz, der Schweizer Heimatschutz und die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz vorgehen – mit der Initiative «Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft» (Biodiversitätsinitiative) und der Initiative «Gegen die Verbauung unserer Landschaft» (Landschaftsinitiative).
Die Biodiversitätsinitiative verlangt, dass der Bund und die Kantone die zur Sicherung und Stärkung der Biodiversität erforderlichen Flächen, Mittel und Instrumente zur Verfügung stellen. Für erhebliche Eingriffe in Schutzobjekte des Bundes sollen überwiegende Interessen von gesamtschweizerischer Bedeutung vorliegen müssen.
Druck vor Gesetzesberatung
Die Landschaftsinitiative zielt auf das Bauen ausserhalb der Bauzone ab. Dazu sollen klare Vorschriften in der Verfassung verankert werden. Ausserhalb der Bauzone soll die Zahl der Gebäude und die von diesen beanspruchte Fläche nicht weiter zunehmen dürfen. Neubauten müssten somit durch den Abbruch anderer Gebäude kompensiert werden.
Im Blick haben die Initianten die anstehende Revision des Raumplanungsgesetzes. Die geplanten Regeln zum Bauen ausserhalb der Bauzonen gehen ihnen nicht weit genug. Vor allem aber fürchten sie, dass sie in der parlamentarischen Beratung weiter aufgeweicht werden könnten. Die Landschaftsinitiative soll dazu dienen, Druck zu machen. Damit dies gelingt, müssen sich die Initianten allerdings beeilen: Der Gesetzesentwurf liegt bereits beim Parlament.
Parlament naturschutzfeindlich
Die Verbände hoffen aber auch, mit der «direktdemokratischen Offensive für Natur und Landschaft» ihren Anliegen allgemein wieder mehr Gehör zu verschaffen. Derzeit hätten diese es schwer im Bundeshaus, stellte Pro-Natura-Zentralsekretär Urs Leugger-Eggimann fest. Das sei ein Ausdruck dessen, dass mit der SVP und der FDP jene zwei Parteien im Nationalrat die Mehrheit stellten, die nicht eben durch ein Engagement für Natur und Landschaft auffielen. Die Vorstösse zum Abbau von Errungenschaften würden immer dreister.
Als Beispiele nannte Leugger-Eggimann Forderungen zur Dezimierung geschützter Tierarten wie Biber und Wolf. Bedenklich seien aber auch die Vorstösse zur Lockerung des Bauens ausserhalb der Bauzonen. «Der Trennungsgrundsatz zwischen Bau- und Nichtbaugebiet wird fast schneller aufgeweicht als die Bagger auffahren können.»
Kantone in die Pflicht nehmen
Für Adrian Schmid, Geschäftsführer des Schweizer Heimatschutzes, ist klar, dass die Umweltverbände hart werden kämpfen müssen, damit Kulturlandschaften und das baukulturelle Erbe erhalten bleiben. Der heutige Natur- und Heimatschutzartikel nehme die Kantone nicht gleich in die Pflicht wie den Bund, sagte Schmid. Mit der Landschaftsinitiative würde sich das ändern. Sowohl der Bund als auch die Kantone müssten Schutzobjekte bezeichnen und eine umfassende Interessenabwägung bei geplanten Beeinträchtigungen vornehmen.
Roman Hapka von der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz beleuchtete die Entwicklung in den letzten Jahrzehnten. Zwischen 1985 und 2009 habe die überbaute Fläche ausserhalb der Bauzonen um über 186 Quadratkilometer zugenommen. 37 Prozent der überbauten Fläche der Schweiz lägen heute ausserhalb der Bauzonen. Unkontrolliert verbreiteten sich Bauten mit Ausnahmegenehmigung – «als hätten unsere Landschaften die Windpocken».
Über ein Drittel der Arten bedroht
Die Schweiz als Musterknabe im Naturschutz: Aus Sicht der Umweltverbände ist das eine falsche Vorstellung. Die Wissenschaft zeige ein ganz anderes Bild, sagte Werner Müller, Geschäftsführer von BirdLife Schweiz. Unzählige Arten seien in der Schweiz gefährdet oder vom Aussterben bedroht – vier von fünf Reptilienarten, zwei Drittel der Amphibien, mehr als ein Drittel der Säugetiere und Vögel und ein Viertel der Fische.
Im Vergleich mit anderen OECD-Ländern weise die Schweiz die höchste Anzahl bedrohten Arten auf. Ausserdem habe sie gerade mal 6,2 Prozent ihrer Landesfläche unter Schutz gestellt und liege damit auf dem hintersten Rang.
Die Schweiz gibt nach Angeben der Verbände jährlich rund 700 Millionen Franken für den Natur- und Landschaftsschutz aus, 0,1 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Das Geld reiche nicht einmal für den Unterhalt der verfassungsrechtlich geschützten Moore, kritisieren die Verbände. Das soll die Biodiversitätsinitiative ändern.
Die Umweltverbände haben bis zum 26. September 2020 Zeit, die nötigen je 100'000 Unterschriften für beide Begehren zu sammeln.
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