FlüchtlingskriseSchweiz erlebt Situation «wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr»
SDA/uri
27.10.2022 - 15:26
Flüchtlingssituation «wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr»
Die Schweiz erlebt aktuell eine Flüchtlingssituation wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Der Bund vergleicht die Lage sogar mit dem Zweiten Weltkrieg. Das Staatssekretariat für Migration SEM ergreift nun Sofortmassnahmen, unter anderem eröffnet es neue Unterkünfte.
27.10.2022
Zu den vielen Schutzsuchenden aus der Ukraine kommen jetzt wieder verstärkt reguläre Asyl-Bewerber. Um angesichts der sich überlappenden Krisen Herr der Lage zu werden, ergreift der Bund Sofortmassnahmen.
Keystone-SDA, SDA/uri
27.10.2022, 15:26
27.10.2022, 16:01
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Die Schweiz erlebt aktuell eine Flüchtlingssituation wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Der Bund vergleicht die Lage sogar mit dem Zweiten Weltkrieg. Das Staatssekretariat für Migration SEM ergreift nun Sofortmassnahmen, unter anderem eröffnet es neue Unterkünfte.
Seit Kriegsbeginn hat die Schweiz fast 70'000 Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen. Dazu kommt jedoch eine Entwicklung, die im Frühjahr noch niemand voraussah: Seit August steigt die Zahl der «normalen» Asylgesuche steil an.
800 Gesuche pro Woche
Die meisten Asylsuchenden stammen aus der Türkei, beziehungsweise es sind Kurden. Dazu kommen Menschen aus nordafrikanischen Ländern und aus Afghanistan. Aktuell werden 800 Gesuche pro Woche gestellt. Im Oktober dürften es über 3000 Asylgesuche werden.
Christine Schraner Burgener, Staatssekretärin für Migration, sagte am Donnerstag vor den Medien, dass es solche Zahlen seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gegeben habe. «Die Krisen überlappen sich.»
Als Sofortmassnahme leitet der Bund die Menschen von den überfüllten Bundesasylzentren früher als geplant an die Kantone weiter, in einer Anfangsphase jene Menschen mit einer Wegweisungsverfügung. Zudem werden neue Unterbringungen in Betrieb genommen, unter anderem Kasernen, Mehrzweckhallen und Zivilschutzunterkünfte.
Gemeinden befürchten grössere Belastungen
Kritik an den Plänen des Bundes kam bereits im Vorfeld des Mediengesprächs von Vertretern der Städte und Kantone. So bemängelt der Sicherheitsvorsteher des Kantons Zürich, Mario Fehr, in der NZZ, der Bund könne zunächst leerstehende Kasernen nutzen, bevor er die Kantone zusätzlich belaste.
Obwohl die Flüchtlinge in Zürich grösstenteils in kantonalen Unterkünften untergebracht werden sollen, zeigte sich auch Winterthurs Sozialvorsteher Nicolas Galladé kritisch. Demnach befürchtet man hier grössere Belastungen, wenn der Bund die bewährten regulären Abläufe ausser Kraft setzt und Aufgaben auf die unteren Ebenen abschiebt, schreibt die NZZ.
Die Städte würden es früher oder später merken, wenn die Kantone in die Pflicht genommen werden, ist sich auch sein Stadtzürcher Amtskollege Raphael Golta sicher. Er und Galladé beziehen sich demnach auf die Erfahrungen der letzten Monate, als die Gemeinden wegen der vielen Flüchtlinge aus der Ukraine innerhalb kurzer Zeit Unterkünfte finden und Schulplätze organisieren mussten.
Kantone und Gemeinden sehen Rückfall in alte Zeiten
Kantone und Gemeinden sehen im Entscheid des Bundes, Asylsuchende zu verteilen, bevor die Verfahren abgeschlossen sind, denn auch einen Rückfall in vergangene Zeiten. Gerade die Asylgesetzrevision von 2019 solle solche Entwicklungen nämlich verhindern. Zwar sieht auch das revidierte Gesetz die Möglichkeit einer vorgezogenen Verteilung vor, allerdings sei diese Massnahme laut den Sozialvorstehern erst dann zu ergreifen, wenn der Bund alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft habe.
Zudem habe Bern laut Galladé kürzlich noch ganz andere Signale ausgesendet: Nämlich, dass er alles unternehme, damit Asylsuchende eben nicht vor Ablauf der Verfahren auf die Kantone verteilt würden. Dieses Versprechen erscheine nun als «Makulatur». Ihn und Golta irritiert zudem, dass angesichts der angespannten Situation die Armee mit ihren Baulichkeiten bislang nicht stärker herangezogen werde.