SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer «Die Zeit, als eine Person allein entschieden hat, ist vorbei»

Von Alex Rudolf, Fabienne Berner, Christian Thumshirn und Elia Lavater

7.3.2022

Mattea Meyer im Interview: «Es tat gut, einen halben Schritt weg vom Politalltag zu sein»

Mattea Meyer im Interview: «Es tat gut, einen halben Schritt weg vom Politalltag zu sein»

Als erste Chefin einer nationalen Partei ging Mattea Meyer von der SP in den Mutterschaftsurlaub. Im Interview verrät sie blue News, ob sie trotz Urlaub hin und wieder ins Geschehen eingegriffen hat.

01.03.2022

Als erste Co-Präsidentin einer nationalen Partei ging Mattea Meyer von der SP in den Mutterschaftsurlaub. Im Interview verrät sie blue News, ob sie trotz Urlaub hin und wieder ins Polit-Geschehen eingegriffen hat.

Von Alex Rudolf, Fabienne Berner, Christian Thumshirn und Elia Lavater

Beinahe unbemerkt zog sich Mattea Meyer Ende 2021 in den Mutterschaftsurlaub zurück. Dies, obwohl sie als SP-Co-Präsidentin eine der Schlüsselrollen in der Schweizer Politik einnimmt. Noch immer ist es für Frauen und Männer in Führungspositionen eine Seltenheit, sich auch um die Familie zu kümmern. Teilzeit-Arbeit ist in den Teppichetagen von Schweizer Unternehmen oft nicht möglich. Im Video-Interview mit blue News erklärt Meyer, wo die Herausforderungen lagen und was es noch braucht für die Gleichstellung zwischen Mann und Frau.

Gleichzeitig herrscht Krieg in der Ukraine und die Schweiz wird international so scharf kritisiert wie selten zuvor: Übernahme der EU-Sanktionen gegen Russland, Aufrüstungsdebatte, Suisse Secrets – Meyer steht blue News Rede und Antwort.

Verteidigungsministerin Viola Amherd fordert die linken Parteien und die GSoA dazu auf, die Initiative gegen den Kampfjet F-35 zurückzuziehen. Wie reagieren Sie darauf?

Dass sich eine Bundesrätin in dieser schwierigen Zeit gegen das demokratische Recht der Volksinitiative ausspricht, ist sehr irritierend. Zudem empört es mich, wie gewisse Kreise den Vernichtungskrieg Putins in der Ukraine nun dazu nutzen wollen, ihre militärpolitische Agenda durchzusetzen. Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, alles zu tun, um den Menschen in der Ukraine beizustehen und diesen Krieg zu stoppen. Keine Debatte um das Schweizer Armeebudget und F35 wird dazu irgendeinen Beitrag leisten.

Mattea Meyer

1987 wurde Meyer in Basel geboren, wuchs aber in Winterthur auf. Seit 2005 ist sie Mitglied der dortigen SP. Das politische Handwerk habe sie aber bei der JUSO Zürich und Schweiz gelernt, wie sie auf ihrer Homepage schreibt. An der Uni Zürich studierte Meyer Geschichte, Geografie und Politikwissenschaften und schloss ihr Masterstudium 2015 in Wirtschaftsgeographie ab. Im selben Jahr wurde sie für die SP in den Nationalrat gewählt. Seit Oktober 2020 leitet sie gemeinsam mit Cédric Wermuth die SP Schweiz. Meyer ist liiert, hat zwei Kinder und lebt in Winterthur.

Die Schweiz steht in der Kritik. Noch vor der zögerlichen Übernahme der EU-Sanktionen gegen Russland, sorgten die Suisse Secrets für Aufregung. Doch mehrheitlich im Ausland. In der Schweiz blieben die Wogen tief – warum?

Ich habe mich sehr empört. Die Suisse Secrets sind nicht die ersten Daten, die zeigen, dass Schweizer Banken mit unsauberen Methoden arbeiten. Das Verstecken von Oligarchen-Geldern ist nicht tolerierbar. Das zeigt sich auch jetzt wieder. Als zentraler Aufenthalts- und Vermögensverwaltungsort der russischen Oligarchie und als Hauptdrehscheibe des Handels mit russischen Rohstoffen kann die Schweiz eine wichtige Rolle spielen, um dem Kriegsverbrecher Putin das Handwerk zu legen.

Doch rücken solche Enthüllungen immer wieder in den Hintergrund.

Daher ist es zentral, dass die Politik endlich etwas unternimmt. Im Fall von Suisse Secrets ist das Problem aber weitreichender, da es Schweizer Journalisten aufgrund der Schweizer Rechtsprechung nicht möglich war, mitzuarbeiten. Das finde ich hochproblematisch und das müssen wir als Erstes angehen.

Die Säuberung der Bankgeschäfte in der Schweiz ist ein SP-Thema, bereits im Dezember wurden dazu Vorstösse eingereicht. Wie nehmen Sie den Schwung mit?

Ich hoffe, dass die neuen Enthüllungen dem Parlament zeigen, dass wir ein Problem haben. Mit viel Überzeugungsarbeit – aber auch mit öffentlichem Druck, suchen wir Mehrheiten. Das Bankgeheimnis im Inland muss fallen und Steuerhinterziehung darf nicht mehr als Kavaliersdelikt angesehen werden.

Sind Sie zuversichtlich?

Im September kommt die Abschaffung der Verrechnungssteuer auf Obligationen an die Urne. Das ist ein Freipass zur Steuerkriminalität für Vermögende aus dem In- und Ausland, weil die Verrechnungssteuer Steuerhinterziehung verhindern will. Dagegen werden wir uns wehren und ich bin zuversichtlich, dass eine Mehrheit es auch so sieht.

Jacqueline Badran errang beinahe im Alleingang einen Sieg, als sie die Abschaffung der Stempelsteuer zu Fall brachte. Stiehlt sie Ihnen und Ihrem Co-Präsidenten Cedric Wermuth die Show?

Wir haben bei uns in der SP viele starke Persönlichkeiten, die für ihre Themen brennen. Das macht auch unsere Stärke aus, dass wir nicht nur eine oder zwei Persönlichkeiten haben, auf die alles aufbaut. Jacqueline Badran erarbeitete sich einen Namen besonders in Steuer-Geschäften, was uns – gerade in solchen Abstimmungskämpfen – stärkt.

Im kommenden Jahr wird gewählt. Wie drehen Sie diesen Abwärtstrend, der sich in den Zürcher Städten gezeigt hat, um?

Natürlich gewinne ich lieber, als dass ich verliere. Bei den Ergebnissen aus Zürich und Winterthur ist es etwas Spezielles. Denn hier gewann die SP vor vier Jahren sehr viel hinzu. Auf lange Sicht stehen wir somit trotz dieser schmerzlichen Verluste noch immer sehr gut da. Optimistisch stimmen mich aber auch die Erfolge an der Urne – wie etwa bei der Abstimmung zur Stempelsteuer.

Ihre beiden Bundesräte Simonetta Sommaruga und Alain Berset sind seit über zehn Jahren dabei. Die Grünen werden nach den Wahlen 2023 erneut ihren Anspruch auf einen Sitz in der Landesregierung anbringen. Machen Sie sich Sorgen, einer der Ihren könnte abgewählt werden?

Alain Berset und Simonetta Sommaruga sind beide enorm engagiert und ihre Politik wird von der Bevölkerung getragen. Das zeigen verschiedene Umfragen. Versuchen die Bürgerlichen der SP zugunsten der Grünen einen Sitz abzujagen, hilf das dem Klima rein gar nichts. Mit Simonetta Sommaruga haben wir eine grüne und soziale Umweltministerin, was ein Garant für eine nachhaltige Energie-Politik ist.

War dies eine Drohung an die Adresse der Grünliberalen, falls sie Hand zur Abwahl eines SP-Bundesrats bietet?

Fakt ist. Wir haben mit je zwei Vertreter*innen der FDP und der SVP eine bürgerliche Mehrheit im Bundesrat, die weder im Parlament noch in der Bevölkerung abgebildet ist. Daher: Der GLP muss bewusst sein, dass der Angriff von Rechts auf Simonetta Sommaruga ein Angriff auf eine nachhaltige Energiepolitik ist.