Drogen-Drehscheibe in Zürich Wie ein verurteilter Rocker vor Bundesgericht einen Teilsieg errang

Lea Oetiker

26.10.2024

Die Rockerbar Neugasshof im Zürcher Kreis 5.
Die Rockerbar Neugasshof im Zürcher Kreis 5.
Screenshot Google Maps

Die Zürcher Rockbar Neugasshof war jahrelang Dreh- und Angelpunkt eines millionenschweren Drogenhandels. Besitzer Roland Gisler wurde 2021 verurteilt. Nun erhält er vor Bundesgericht teilweise Recht.

Lea Oetiker

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  • Die Rockerbar Neugasshof in Zürich war über Jahre ein Zentrum für den Handel mit Marihuana und Haschisch.
  • Im Jahr 2017 führte die Polizei eine Razzia durch, bei der der Besitzer Roland Gisler und vier weitere Personen festgenommen wurden. Die Bar wurde daraufhin geschlossen.
  • 2021 wurde Gisler verurteilt. Er zog den Fall aber weiter bis ans Bundesgericht, wo er nun teilweise Recht bekam.

Die Rockerbar Neugasshof im Zürcher Kreis 5 war jahrelang ein grosser Umschlagplatz für Marihuana und Haschisch. Kundinnen und Kunden gingen ein und aus.

Von hier aus schickten einst Rotlichtbosse ihre Frauen auf den Strich. Später hatten in der Rockerbar die Hells Angels ihren Stammtisch, Motorradgangs aus ganz Europa kamen zu Besuch.

Im Jahr 2008 übernahm Roland Gisler, eine stadtbekannte Milieufigur, die Bar. 

Das Geschäft mit den Drogen

Im Obergeschoss des Lokals gab es einen nur mit Badge zugänglichen Member-Raum, in dem die Deals stattfanden. Nur ausgewählte Käufer erhielten diesen. Wer keinen Badge hatte, musste ein Getränk und ein Trinkgeld von 2 Franken hinterlassen. 

Durch den 2-Franken-Deal sollen Serviererinnen monatlich rund 300 Franken Trinkgeld erwirtschaftet haben, die Bar 60'000 Franken Umsatz.

Doch am 12. Juni 2017 war damit Schluss. Die Polizei führte an jenem Montagmorgen eine Razzia durch. Fünf Personen wurden festgenommen, unter ihnen der Besitzer des Neugasshofs, Roland Gisler. Daraufhin wurde die Bar von der Gewerbepolizei geschlossen. Ein Zettel an der Tür wies darauf hin, dass das Betreten der Bar verboten und strafbar sei.

434 Kilo Marihuana und 25 Kilo Haschisch

Drei Jahre später, im März 2021, fand die Gerichtsverhandlung statt. Gisler gestand den Drogenhandel.

Vorgeworfen wird Roland Gisler der Kauf von 434 Kilo Marihuana und 25 Kilo Haschisch zwischen 2013 und 2017. Davon verkaufte er den grössten Teil und erzielte bei einem Umsatz von 3,3 Millionen Franken einen Gewinn von rund 760'000 Franken.

Dieses Geld muss er abgeben. Abzüglich der vorgefundenen und beschlagnahmten Summe von knapp 660'000 Franken, die vornehmlich in die Deckung der Verfahrenskosten von über einer halben Million fliessen, bleibt eine Ersatzforderung von 633'000 Franken bestehen. Um dieses Geld eintreiben zu können, hat das Gericht eine Grundbuchsperre für den Neugasshof erlassen und zwei Firmenkonti von Gisler gesperrt.

Das Bezirksgericht Zürich verurteilte Gisler schliesslich wegen Drogenhandels und weiterer Delikte wie illegalen Waffenbesitzes und Gewaltdarstellungen zu einer Freiheitsstrafe von 36 Monaten und einer Geldstrafe von 75'000 Franken.

Doch Gisler lässt nicht locker. Er zieht den Fall im Jahr 2022 vor Zürcher Obergericht. Dort verurteilen ihn die Richter zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 48 Monaten. Zudem bestätigt das Obergericht die Geldstrafe von 300 Tagessätzen à 250 Franken (75'000 Franken).

Bundesgericht fällt ein milderes Urteil

Doch jetzt hat das Bundesgericht erneut entschieden: Die Strafe war zu hart und muss teilweise neu beurteilt werden. 

Der 60-Jährige und sein Anwalt Valentin Landmann beschwerten sich vor Bundesgericht wegen diverser Punkte. Sie forderten eine Reduktion der Freiheitsstrafe. Als Argument: Sie führten zum Beispiel an, dass inzwischen sogar der Staat diverse Pilotversuche mit kontrollierter Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken bewilligt hat oder dass der angebotene Hanf stark mit legalem CBD-Hanf gestreckt war. Damit drangen sie beim Bundesgericht aber nicht durch.

Mehr Erfolg hatten sie bei zwei weiteren Punkten: Das Bundesgericht hat entschieden, dass die Einzelstrafe von sieben Monaten Gefängnis für den Besitz eines IS-Videos, das eine Hinrichtung zeigt, zu hoch sei.

Sechs Monate davon flossen in die Gesamtstrafe des Obergerichts. Normalerweise würde bei einem Ersttäter eine Geldstrafe verhängt, was in Gislers Fall angemessen wäre. Der 60-Jährige hatte das Video zwar auf seinem Computer gespeichert, nicht aber verbreitet.

Beteiligung an Verfahrenskosten war zu hoch verhängt

Auch muss Gisler sich weniger stark an den Verfahrenskosten des Berufungsprozesses vor Obergericht beteiligen als vorgesehen. Das Zürcher Gericht hatte ihm drei Viertel der Kosten von mehreren Zehntausend Franken aufgebrummt.

Zu viel, wie das Bundesgericht findet, zumal der Beschuldigte seine Berufung zehn Monate vor der Verhandlung zurückgezogen hatte. Diese fand nur deshalb statt, weil die Staatsanwaltschaft wiederum an ihrer Berufung festhielt. Sie forderte eine Erhöhung der Freiheitsstrafe von drei auf sechs Jahre.

Gemäss Anwalt Valentin Landmann freut sich Roland Gisler, der mittlerweile wieder als Geschäftsführer des Neugasshofs arbeitet, über den Teilerfolg.