Schreiben vom Umweltministerium Deutschland drängt Schweiz zu schnellem Atomausstieg

tafu

17.10.2019

Das grenznahe Atomkraftwerk Beznau im Kanton Aargau soll schnellstmöglich vom Netz gehen, fordert das deutsche Umweltministerium.
Das grenznahe Atomkraftwerk Beznau im Kanton Aargau soll schnellstmöglich vom Netz gehen, fordert das deutsche Umweltministerium.
Bild: Keystone

Das deutsche Umweltministerium hat sich mit einem Schreiben an die Schweiz gewandt. Die Forderung: die Abschaltung des AKW Beznau sowie ein schnellstmöglicher Ausstieg aus der Atomenergie.

Die deutsche Bundesregierung beschloss bereits 2011, nach dem Reaktorunglück von Fukushima in Japan, aus der Kernenergie auszusteigen. Nun erwartet sie von den Schweizern denselben Schritt.

In einer Pressemitteilung, die das deutsche Umweltministerium bereits am 11. Oktober veröffentlichte, fordert es die schnelle Abschaltung der Schweizer Atomkraftwerke. In einem Schreiben an die zuständige Bundesrätin Simonetta Sommaruga setzt sich die Parlamentarische Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter aus Deutschland dafür ein, dass nicht nur das AKW Beznau schnellstmöglich abgeschaltet werden solle, auch die anderen Schweizer AKWs müssten zeitnah ihren Betrieb einstellen. 

Fürs Atomkraftwerk Mühleberg ist bald Schluss

Während Deutschland bis 2022 komplett aus der Atomenergie ausgestiegen sein will, gibt es eine ähnliche Strategie in der Schweiz bisher nicht. Zwar ist der Bau neuer Atomkraftwerke verboten, doch bereits bestehende Anlagen dürfen weiter betrieben werden, solange die Behörden sie als sicher einstufen. Dass das Atomkraftwerk Mühleberg im Dezember 2019 vom Netz gehen wird, hat nichts mit sicherheitstechnischen Bedenken zu tun, sondern ist eine wirtschaftliche Entscheidung des Betreibers.

Bei den Schweizer AKWs Beznau, Gösgen und Leibstadt rechnen die Behörden noch mit Laufzeiten von bis zu 60 Jahren. «Dass die Schweizer Atomkraftwerke in Beznau, Gösgen und Leibstadt nach dem Willen der Betreiber nicht nur 50 Jahre, sondern sogar 60 Jahre und länger laufen sollen, ist eine fatale Fehlentwicklung», erklärt Schwarzelühr-Sutter in der Pressemitteilung. Aus ihrer Sicht sei es zwingend notwendig, dass die Schweiz bei Entscheidungen über längere Laufzeiten die Bevölkerung der Nachbarstaaten mit einbeziehe.

Insbesondere das grenznahe AKW Beznau soll zeitnah vom Netz gehen. Mit über 50 Jahren Betriebszeit zählt der Reaktorblock 1 zum dienstältesten der Welt. Wie NZZ berichtet, habe der Betreiber Axpo den Reaktor aufwendig nachgerüstet und gehe nun von einer Laufzeit von bis zu sechzig Jahren aus. Wegen «besorgniserregender Sicherheitsmängel» poche Schwarzelühr-Sutter bereits seit Jahren auf die Abschaltung des AKW Beznau, das nur wenige Kilometer von ihrem Wahlkreis Waldshut entfernt liegt.

Es ist nicht das erste Mal, dass Deutschland von seinen Nachbarländern fordert, AKWs älteren Baujahrs, die in Grenznähe stehen, zu schliessen. So setzte sich beispielsweise die damalige deutsche Umweltministerin Barbara Hendricks im Jahr 2016 dafür ein, das französische Kernkraftwerk Fessenheim zu schliessen. Mit Erfolg: 2020 wird die Anlage vom Netz gehen.

Zwei Volksabstimmungen massgeblich

Auf die Forderung von Rita Schwarzelühr-Sutter scheint das Eidgenössische Department für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation allerdings sehr entspannt zu reagieren. Auf Nachfrage von NZZ teilte es mit, man habe den Brief zur Kenntnis genommen. Doch die Energiepolitik der Schweiz basiere auf zwei Volksabstimmungen: 2016 wurde von den Schweizern die Atomausstiegsinitiative abgelehnt. Im Jahr darauf sprach man sich für die Energiestrategie 2050 aus, welche kein Abschaltdatum für die AKWs vorsieht.

Der SVP-Politiker Christian Imark reagierte heftiger auf das Schreiben aus Deutschland: «Wir sind keine Befehlsempfänger, weder von Baden-Württemberg, Berlin oder Brüssel», zitiert der «Tagesanzeiger» den Solothurner Nationalrat. Die Schweiz entscheide selbst, was richtig und was falsch sei.

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