Niedrige Inflation, starker Franken Deutsche schauen neidisch auf die stabile Schweiz

Von Andreas Fischer

28.8.2022

Die Inflation in der Schweiz ist so gering, dass sich der Einkaufstourismus nach Deutschland teilweise nicht mehr lohnt.
Die Inflation in der Schweiz ist so gering, dass sich der Einkaufstourismus nach Deutschland teilweise nicht mehr lohnt.
KEYSTONE/MICHAEL BUHOLZER

Die Inflation ist vergleichsweise niedrig, der Franken dafür umso stärker: In Deutschland blickt man neidisch auf das «Schweizer Wunder». Doch was steckt eigentlich dahinter?

Von Andreas Fischer

Die Schweiz, das kann man nicht anders sagen, kommt derzeit gut weg. Zumindest bei der Inflation. Während in Deutschland die Preise zuletzt um 7,5 Prozent gestiegen sind, in der Eurozone gar um 8,9 Prozent, sorgt die Schweizer Teuerungsrate von zuletzt 3,4 Prozent weltweit für Erstaunen.

Das deutsche Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» schreibt gar von einem «Wunder der niedrigen Schweizer Inflation». Ein Wunder, das unter anderem dafür sorgt, dass man beim Wocheneinkauf in Deutschland derzeit nicht mehr grundsätzlich besser wegkommt als in der Schweiz: Der Einkaufstourismus in grenznahen Regionen lohnt sich nicht mehr bei jedem Produkt.

Wenn das Inflationsgeschehen hierzulande sogar in Deutschland für anerkennendes Kopfnicken sorgt, dann muss die Schweiz ziemlich viel richtig machen. Dabei sind 3,4 Prozent Inflation für Schweizer Verhältnisse kein Pappenstiel: Das normale Inflationsniveau der letzten Jahre lag zumeist unter einem Prozent, wie der Ökonom Yngve Abrahamsen von der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) blue News erklärte.

Schweizer Besonderheiten drücken Inflationsrate

Dass die Schweiz in Sachen Teuerungsrate gut dasteht, hat verschiedene Gründe. «Die Schweiz ist zum einen nicht in den europäischen Binnenmarkt integriert. Dadurch unterliegen zum Beispiel die Strompreise in der Schweiz nicht dem freien Markt, sondern sind geregelt», sagt Abrahamsen. Während der Strompreis in der Schweiz im vergangenen Jahr um 2,4 Prozent stieg, schoss er in Deutschland um mehr als 22 Prozent nach oben.

Dazu spielt Gas, einer der grossen Inflationstreiber in Europa, in der Schweiz als Energieträger kaum eine Rolle. Preissprünge bei Heizöl, Gas und Kraftstoffen fallen bei der Inflationsrate in der Schweiz daher wenig ins Gewicht.

Eine weitere Besonderheit ist der stark regulierte Lebensmittelmarkt der Schweiz. Die Preise sind zwar generell hoch, aber auch «ziemlich geschützt gegen ausländische Konkurrenz», so Abrahamsen. Billigere Lebensmittel aus dem Ausland werden mit Einfuhrzöllen an das Schweizer Preisniveau angepasst: Dadurch kommen extreme Preissteigerungen nicht so schnell in der Schweiz an.

Werden importierte Äpfel aus der Eurozone teurer, spüren das Konsumenten hierzulande gar nicht. «Das Einzige, was jetzt passiert, ist, dass die Zolleinnahmen sinken», sagt Abrahamsen.

Alle wollen in den «sicheren Hafen»

Dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) im Juni den Leitzins überraschend deutlich angehoben hat, war ein starkes Signal. Mit einer strafferen Geldpolitik soll verhindert werden, dass die Inflation breiter übergreift – was bislang gelungen ist.

Hinzukommt ein starker Schweizer Franken, «der Importe tendenziell vergünstigt», analysiert Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der Liechtensteiner VP Bank, in einem Dossier.  Anfang der Woche war der Euro auf ein neues Rekordtief von unter 96 Rappen gefallen.

Diese Entwicklung führt zu einem Wechselspiel zwischen Währung und Teuerung: Bedingt durch die niedrige Inflation wird der Franken aufgewertet, was importierte Waren wiederum billiger macht. Weil aber importierte Waren günstig sind, hält der starke Franken die Inflationsrate niedrig.

Der Franken wird tendenziell sogar noch stärker. In Krisenzeiten gilt die Schweizer Währung als sicherer Hafen. Volkswirt Gitzel beobachtet, wie er im «Spiegel» sagt, dass viele Geldinstitute eine verstärkte Nachfrage von Anlagen in der Schweizer Währung verzeichnen.

Durch die Aufwertung des Frankens erhöht sich die Kaufkraft der Schweizer Konsument*innen im Ausland. «Die Kaufkraftparität verschiebt sich derzeit mit hoher Dynamik zugunsten der eidgenössischen Valuta», so Gitzel. Allerdings wird die grössere Kaufkraft teilweise von hohen Teuerungsraten wieder einkassiert. 

Wirtschaftsminister Guy Parmelin zur Erhöhung des Leitzinses

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