Gleichberechtigung Der Frauenstreik spaltet die Frauen

Von Anna Kappeler

3.6.2019

Eine Frau macht das Feministinnen-Zeichen an einer Frauen-Kundgebung.
Eine Frau macht das Feministinnen-Zeichen an einer Frauen-Kundgebung.
Bild: Keystone/Adrien Perritaz

In zwei Wochen ist der Frauenstreik. Keine Freude daran hat Arbeitgeberpräsident Valentin Vogt – er appelliert an die Frauen, sich nicht von linken Kreisen instrumentalisieren zu lassen. Ein Streifzug durch die Parteien.

Der Frauenstreik 1991 schrieb Geschichte. Die Historikerin Brigitte Studer sieht darin sogar den bisher grössten Mobilisierungserfolg in der Schweiz, wie sie jüngst in einem Interview sagte. Jetzt soll der zweite Streich folgen.

Am 14. Juni rufen die Gewerkschaften erneut zum nationalen Frauenstreik auf, unterstützt von SP und Grünen. Mitstreiken werden längst nicht nur Linke, sondern etwa auch die Bäuerinnen. Und die Kirchenfrauen, die in Gummistiefeln auf die Strasse gehen, um gut durch Sumpf und Schmutz zu kommen, wie sie mitteilen. Selbst die bürgerliche GLP ruft in einem Schreiben zur Arbeitspause und Demonstration auf.

Gar keine Freude daran hat Arbeitgeberpräsident Valentin Vogt: «Den Frauenstreik unterstützen wir nicht, weil er das falsche Mittel ist, um auf die Anliegen der Frauen aufmerksam zu machen», sagt Vogt. Er habe grossen Respekt vor dem, was die Frauen in der Schweiz leisten. Aber: «Die Frauen sollten auch bedenken, dass wir uns in einem Wahljahr befinden und dass die Gefahr besteht, dass sie von linken Kreisen mit dem Frauenstreik instrumentalisiert werden.» Das politische System kenne andere Möglichkeiten, um Forderungen nach Lohngleichheit und der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie durchzusetzen.

«Nur im statistischen Fehlerbereich»

Für Vogt ist das Thema «sachlich anzugehen und nicht emotional». Man sei beim Thema Gleichstellung auf gutem Weg, auch wenn selbstverständlich alles schneller gehen könnte. Doch die Situation der Frauen verbessere sich von Jahr zu Jahr, von Generation zu Generation.

Dass Frauen immer noch weniger verdienen als Männer, gibt auch Vogt zu. Er kritisiert die Studie des Bundes, die einen unerklärten Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern von 7,4 Prozent festmacht. «Darin werden Faktoren wie Weiterbildungen, Sprachkenntnisse und die Leistung am Arbeitsplatz nicht berücksichtigt», sagt Vogt. In Branchen, wo differenziertere Lohnanalysesysteme verwendet würden, ergäben sich Lohndifferenzen von weniger als zwei Prozent. «Diese befinden sich somit im statistischen Fehlerbereich», so Vogt weiter.



Der Frauenstreik indes spaltet auch die Frauen selber, wie das Beispiel des Frauendachverbands Alliance F verdeutlicht. Dieser vertritt 400'000 Frauen in der Schweiz, darunter die Organisationen SP Frauen, CVP Frauen und FDP Frauen. Doch nur die SP Frauen unterstützen den Frauenstreik, die anderen beiden nicht. Was also tun? Alliance F-Co-Präsidentin und Grünen-Nationalrätin Maja Graf rettet sich in die Formulierung, der Dachverband unterstütze den Frauenstreik offiziell. «Dabei ist der Streik eine Möglichkeit», sie wünsche sich an vielen Orten eine grosse Vielfalt an Aktionen von Frauen.

Fiala: «Da mache ich nicht mit»

Von der Möglichkeit des Streiks gar nicht erst Gebrauch machen, das tun die FDP Frauen. «Ein Streik ist für mich heute schlicht zu konnotiert mit dem Gewerkschaftsbund, da mache ich nicht mit. Damit erreicht man zu wenig», sagt deren Präsidentin, FDP-Nationalrätin Doris Fiala.

Sich für die Gleichstellungspolitik einsetzen, den Frauenstreik aber nicht unterstützen, ist für sie kein Widerspruch: «Die FDP Frauen setzen sich sehr für Frauenrechte ein. Wir motivieren und befähigen Frauen, ein politisches Amt zu übernehmen und sich beruflich durchzusetzen.» Die FDP Frauen würden bald eine landesweite Antidiskriminierungskampagne starten. Bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie etwa müsse sich noch viel tun. Fiala: «Auch für Forderungen wie einen Vaterschaftsurlaub bin ich grundsätzlich offen.»

Dass es der FDP-Frauen-Präsidentin mit der Frauenförderung ernst ist, zeigt ihr Abstimmungsverhalten im Nationalrat. Als es vor einem Jahr darum ging, geschlechtsspezifische Richtwerte bei Unternehmen zu verankern, hat Fiala gegen die haushohe Mehrheit ihrer Partei Ja gestimmt. Auch hat sie für eine angemessene Geschlechter-Vertretung in den Bundesbehörden votiert – bei der Abstimmung um eine ausgeglichene Geschlechter-Vertretung im Parlament war sie laut Parlamentsseite entschuldigt.

CVP-Frauen-Präsidentin für Frauenquote

Am Frauenstreik nicht teilnehmen werden zudem die CVP-Frauen. Präsidentin Babette Sigg sagt: «Wir bürgerlich-liberalen Frauen haben schlicht keine Demonstrations- und Streikkultur..» Ein Tag Streik bedeute am nächsten Tag doppelte Arbeit.

Sigg verneint, das Thema der Linken zu überlassen. «Natürlich geht Gleichberechtigung alle etwas an – gerade die Lohnungleichheit muss endlich verschwinden.» Es dauere viel zu lange, bis es ausreichend viele Frauen in Führungspositionen oder in der Politik gebe. „Wir müssen unbequem sein, um etwas zu erreichen.“ Sigg nehme hier klar auch die Wirtschaft in die Pflicht. Da sich trotz Gesetzen nicht genug getan habe, sei sie inzwischen – wenn auch widerwillig – für eine Frauenquote. «Ich bin lieber eine Quotenfrau und zeige so, was ich kann, als dass ich gar nicht erst in eine verantwortungsvolle Position mit Entscheidungskompetenzen komme», sagt Sigg.

Nationalrätin Min Li Marti von den SP Frauen sagt, dass die Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Frauen vor allem im Frauendachverband Alliance F stattfinde. Es gebe inhaltliche Berührungspunkte, doch Streik sei nun einmal kein bürgerliches Mittel. «Der 14. Juni ist nicht zwingend ein Aufruf zur Arbeitsniederlegung, es gibt verschiedene Formen der Beteiligung.» Und: Der Tag sei kein Wahlkalkül der SP, die Bewegung sei von unten gekommen. «Natürlich aber unterstützen wir sie.»

«Wir Frauen sollen Bogen nicht überspannen»

Anders klingt es bei der SVP. Dort gibt es seit der Auflösung der SVP Frauen vor einigen Jahren seit Kurzem wieder einen losen Zusammenschluss der Frauen-Bundeshausfraktion. Streiken werde wohl keine von ihnen, sagt Nationalrätin Diana Gutjahr. «Auf der Strasse schafft man keine Gleichberechtigung.»

Gutjahr setzt sich lieber persönlich für Frauenförderung ein. «Unser Stahl- und Metallbaubetrieb ist sehr männerlastig – darum ist es umso wichtiger für mich, aktiv an Ort und Stelle für die gewünschte Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern zu sorgen.» Vorkämpferinnen hätten viel erreicht, sie sei dankbar dafür, so Gutjahr. «Aber jetzt müssen wir Frauen aufpassen, dass wir den Bogen nicht überspannen mit Forderungen.»

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