Single-Mann fühlt sich diskriminiert Der einsame Kampf für ein neues TV-Gebühren-Modell

Von Oliver Kohlmaier

27.6.2022

Stein des Anstosses: Die Radio- und Fernsehgebühren werden pro Haushalt in Rechnung gestellt, nicht pro Kopf. 
Stein des Anstosses: Die Radio- und Fernsehgebühren werden pro Haushalt in Rechnung gestellt, nicht pro Kopf. 
Bild: Keystone

Diskriminiert die Radio- und Fernsehabgabe Singles? Nein, sagt das Bundesverwaltungsgericht. Doch der Jurist Alex Bauert will seinen Kampf für eine Pro-Kopf-Abgabe weiterführen.

Von Oliver Kohlmaier

27.6.2022

Die Sendungen des SRF kosten nicht für alle gleich viel. Wer alleine wohnt, bezahlt mehr für «Tagesschau», «Arena», Filme und Dokumentationen als die Mitglieder eines mehrköpfigen Haushalts.

Denn seit dem 1. Januar 2019 gibt es in der Schweiz keine gerätebezogene Radio- und Fernsehabgabe mehr. Stattdessen wird diese pro Haushalt berechnet, egal wie viele Menschen unter einem Dach zusammenleben. Kostenpunkt: 335 Franken pro Jahr.

Alex Bauert lebt allein, muss als Single aber den gleichen Gebührenbetrag bezahlen wie eine fünfköpfige Familie. Dies — so sagt der Jurist und Psychologe — sei diskriminierend. Er wandte sich daher mit einer Beschwerde an die Erhebungsstellle für die Radio- und Fernsehabgabe (Serafe). Es liege eine offensichtliche Ungleichbehandlung gegenüber Personen in Mehrpersonenhaushalten vor.

Singles fallen laut Bakom nicht unter Diskriminierungsschutz

Bei der Serafe wies man ihn ab, worauf er sich an das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) wandte. Dort verlangte Bauert, von der Zahlungspflicht befreit zu werden, bis eine neue, diskriminierungsfreie Gesetzesgrundlage geschaffen werde.

Doch auch das Bundesamt folgte seinen Argumenten nicht. Schliesslich, so das Bakom, sei ein Single eine Person, die gewollt oder ungewollt ohne Beziehung lebe. Zudem müsse diese auch nicht alleinstehend sein, ein möglicher Partner oder eine Partnerin könne an einem anderen Ort leben. Beide Modelle seien veränderbar und fielen damit auch nicht unter den Diskriminierungsschutz.

Ob jemand allein lebe, sage auch nichts über die finanzielle Situation des Haushalts aus, so das Bakom weiter. Schliesslich falle der jährliche Gesamtbetrag von 335 Franken «nicht unverhältnismässig hoch aus».

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Sollten die TV- und Radio-Gebühren pro Kopf erhoben werden?

Bauert zog vor das Bundesverwaltungsgericht – doch dieses gab jetzt dem Bakom recht. In der Urteilsbegründung, die blue News vorliegt, folgen die Richer*innen den Argumenten des Bundesamts.

So habe das Bakom laut Bundesverwaltungsgericht zu Recht auf den hohen administrativen Aufwand verwiesen, müsste jeder Person eine individuelle Rechnung gestellt werden. Des Weiteren habe der Gesetzgeber auf Empfänger*innen von Ergänzungsleistungen Rücksicht genommen, indem er sie von der Abgabe befreit. 

Bauert will vor das Bundesgericht ziehen

Im Gespräch mit blue News zeigt sich Alex Bauert enttäuscht von dem Urteil. Er fühlt sich als Single in einem Einpersonenhaushalt durch die Haushaltsabgabe diskriminiert und fordert weiterhin eine Pro-Kopf-Gebühr. Dafür will er vor das Bundesgericht ziehen.

Er kann insbesondere jenes Argument des Bakom nicht nachvollziehen, das auf eine Veränderbarkeit des Single-Daseins abzielt. Er wendet ein, dies gelte schliesslich auch für eine politische Meinung oder die Religionszugehörigkeit.

Bauert findet: «Das Single-Dasein kombiniert mit allein lebend müsste als Kategorie für Diskriminierung anerkannt werden.» Nun hofft er auf das Bundesgericht und möglicherweise auch auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Denn für ihn ist klar: «Die Vorinstanzen haben sich unqualifiziert mit Diskriminierung auseinandergesetzt.»

Für Sylvia Locher ist die Frage der Ungleichbehandlung bei der Haushaltsabgabe ein «Anliegen, das alle Singles angeht». Als Präsidentin von Pro Single Schweiz setzt sie sich seit Jahren für die Interessen von Alleinstehenden ein.

Der Verein liess bereits 2020 im Auftrag seiner Mitglieder ein Rechtsgutachten bei Urs Saxer erstellen, Professor für Medienrecht an der Universität Zürich. Er kam zu dem Schluss, dass eine Erhebung auf Basis der Personenzahl in Haushalten «mit der Rechtsgleichheit weitaus besser in Übereinstimmung» stünde als die derzeitige Praxis.

Wie Bauert stört sich auch Sylvia Locher vor allem an der Begründung, das Single-Dasein sei veränderbar: «Das ist das Hinterletzte», findet sie. «Diese Argumentation kann man auch beim Ehestand bringen. Wenn Ehepaare sich das nächste Mal benachteiligt fühlen, sagt man einfach ‹Verheiratet sein ist veränderbar›.»

«Vermeintliche Höherwertigkeit der Familie»

Locher sieht in dem Urteil einmal mehr ein Exempel, das belege, wie «Alleinstehende als finanzieller Puffer herhalten» müssten. In der Gerichtsentscheidung werde somit auch die «vermeintliche Höherwertigkeit der Familie in einer Gerichtsentscheidung zementiert».

Für Locher hat der Streit um die Haushaltsabgabe nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine emotionale Komponente: «Wörter wie single oder alleinstehend wecken in vielen Leuten eine Abwehr, die sich kaum erklären lässt.» Auch deshalb sagt sie: «Ich unterstütze das Vorgehen von Herrn Bauert ausdrücklich.»

Der Verein Pro Single erwägt nun sogar, die SRG-kritische Initiative «200 Franken sind genug!» zu unterstützen. Das dahinterstehende Komitee aus bürgerlichen Politikern will erreichen, dass die Serafe-Gebühren von 335 auf 200 Franken pro Jahr gesenkt werden.

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