BundesratswahlenDarum ist Bern Zürich meilenweit voraus
Von Alex Rudolf
4.11.2022
Egal, ob in der SP oder der SVP: Berner*innen sind rasch zur Stelle, wenn es einen Sitz im Bundesrat zu besetzen gibt. Zürich als grösster Kanton der Schweiz hinkt hinterher – wieso eigentlich?
Von Alex Rudolf
04.11.2022, 12:04
04.11.2022, 12:12
Alex Rudolf
Nur Stunden, nachdem Simonetta Sommaruga diese Woche ihren Rücktritt angekündigt hat, schossen sie wie Pilze aus dem Boden. Die Rede ist von Namen möglicher Nachfolgerinnen aus dem Kanton Bern. Von Nationalrätin Flavia Wasserfallen über Nationalrätin und Konsumentenschützerin Nadine Masshardt bis hin zu Regierungsrätin Evi Allemann. Klingende Namen, die intakte Chancen auf eine Nomination haben.
Ähnliches spielte sich ab, als Ende September Ueli Maurer seinen Rücktritt bekannt machte. Innert kürzester Zeit berichteten die Medien von den Favoriten Albert Rösti und Werner Salzmann, die tatsächlich von ihren Kantonalparteien auf den Schild gehoben wurden.
Ein anderes Bild geben die Zürcher ab. Aussichtsreiche Kandidat*innen der SVP erteilten einer Kandidatur eine Abfuhr, sodass die Kantonalpartei mit dem Überraschungskandidaten Hans-Ueli Vogt vorpreschte.
Auch bei der Zürcher SP trudelten bereits die ersten Absagen von möglichen Sommaruga-Nachfolgerinnen ein. blue News macht sich auf die Suche nach den Gründen für diese unterschiedliche Formstärke der Kantonalparteien.
Das sagen die Chef*innen
Ueli Egger, Präsident der SP Bern, freut sich über dieses «Luxusproblem», wie er es nennt. Eine genaue Erklärung, warum so viele Bernerinnen im Gespräch für einen Sitz im Bundesrat sind, hat er nicht. «Fakt ist, wir haben sehr fähige Frauen.»
Auch Aliki Panayides, Geschäftsführerin der SVP Kanton Bern, verweist auf das tolle Personal, das man habe. «In Zürich reisst man sich wohl auch nicht um einen Job in Bern, da man in der Wirtschaftshauptstadt mehr Geld verdienen kann», sagt sie mit einem Augenzwinkern. Und wie kommt es, dass die Namen so rasch kamen? «In den Partei-Sekretariaten kennt man die Persönlichkeiten, die für solche Ämter infrage kommen und kann rasch reagieren», sagt sie.
Doch wie kommt man in Bern zu diesem Personal? «Indem man Sorge trägt für die Menschen, die etwas für dieses Land machen möchten, und die Vereinsstrukturen gut organisiert», so Panayides.
Priska Seiler Graf, Co-Präsidentin der SP Kanton Zürich, findet, man könne die Situation nicht 1:1 vergleichen, da Bundesratswahlen ihren ganz eigenen Regeln unterstellt seien.
Domenik Ledergerber, Präsident der SVP Kanton Zürich, sagt zu blue News: «Berner Kandidaten müssen die Frage nach einem Wohnortwechsel nicht stellen. Für Zürcher ist das ein schwieriger Entscheid.» Und zudem: «Leider kann ich mir keinen Bundesrat züchten.»
Schlechtes Timing für die Zürcher*innen
Ein Grund ist die kantonale Wahlagenda: Am 12. Februar 2023 wird in Zürich die Regierung neu gewählt. Die amtierende SVP-Regierungsrätin Nathalie Rickli verzichtete auf eine Bundesratskandidatur, weil sie sich auf diesen Wahlkampf konzentrieren wolle. Auch ihre Amtskollegin von der SP, Jacqueline Fehr, und Regierungsratskandidatin Priska Seiler Graf nahmen sich innert kürzester Zeit aus dem Rennen.
Ihr Problem: Sollte es mit der Wahl in den Bundesrat am 7. Dezember nicht klappen, würde dies wie ein dunkler Schatten über der Kandidatur für die Zürcher Regierung schweben. «Unter Umständen ist die politische Karriere dann vorbei», sagt Ledergerber.
Flavia Wasserfallen, die für den Berner Ständeratssitz kandidiert, hat dieses Problem nicht. Denn ihr Wahlkampf steht erst bei den Gesamterneuerungswahlen im Herbst 2023 an. Eine misslungene Bundesratskandidatur wäre dann bereits längst vergessen.
Die Berner*innen sind grösser
Mit 1,56 Millionen Einwohner *innen zählt der Kanton Zürich satte 500'000 Menschen mehr als der Kanton Bern, der mit 1,047 Millionen der zweitgrösste Kanton ist. Aus diesem Grund belegt Zürich 36 Sitze im Nationalrat, während für Bern 24 der 200 Posten reserviert sind.
Anders sieht es aber bei den Kantonalparteien aus. Die Berner Sektion der SP hat 6500 Mitglieder und ist somit die grösste SP-Sektion der Schweiz. In Zürich kommt man lediglich auf 5000 Mitglieder. Die Berner SVP hat 13'500 Mitglieder und sei damit eine der grössten Sektionen der Schweiz, während die Zürcher SVP keine Zahlen bekannt gibt. Man befinde sich aber auf ähnlichem Niveau wie die Berner SVP.
Die Berner Sektionen der SVP und der SP haben also schlichtweg auch einen grösseren Pool an möglichen Bundesratskandidat*innen aufgrund der blossen Mitgliederzahl.
Berner haben mehr Glück
Kurz nach dem Rücktritt traten das Co-Präsidium der Partei, Mattea Meyer und Cédric Wermuth, gemeinsam mit Fraktionschef Roger Nordmann vor die Medien und verkündeten: Man will ein Frauen-Zweierticket. Für den Zürcher Rechtsprofessor und Ständerat Daniel Jositsch ist dies eine Enttäuschung. Dass er Ambitionen für einen Einzug in den Bundesrat hat, ist ein offenes Geheimnis. Ober er eine Sprengkandidatur lanciert, ist derzeit noch offen, aber unwahrscheinlich.
Für eine Zürcher SVP-Kandidatur wäre auch Regierungsrat Ernst Stocker bestens qualifiziert. Doch auch er kandidiert trotz seiner knapp 68 Jahre für eine weitere Legislatur, weil seine Kantonalpartei offenbar keine würdige Nachfolge finden konnte. Als langjähriger Finanzvorsteher des grössten Kantons wären seine Chancen sehr gut gewesen.