Schweizer Medienhäuser Corona-Krise: Leserzahlen steigen, aber die Einnahmen bleiben aus

Von Jennifer Furer

20.3.2020

Medienhäusern droht wegen der Corona-Krise die Kurzarbeit.
Medienhäusern droht wegen der Corona-Krise die Kurzarbeit.
Keystone

Menschen dürsten in Zeiten des Coronavirus nach Informationen von klassischen Medien. Das beweisen auch die derzeit steigenden Leserzahlen. Trotzdem: Die Printmedien kämpfen ums Überleben.

Kaum einer informiert sich derzeit nicht in den Medien über die neuesten Entwicklungen zum Coronavirus: neueste Zahlen zu Erkrankten, Umsetzung der Massnahmen oder Homeoffice-Tipps. Die Menschen lechzen geradezu nach Informationen.

Die SRF-Tagesschau meldet Rekordzahlen. Am Dienstagabend schauten 1,35 Millionen Menschen die Newssendung. Auch Zugriffszahlen auf Online-Newsportale steigen, und Abonnement-Bestellungen für Printzeitungen stossen auf eine steigende Nachfrage.

Doch nutzen tut dies den Printmedien nicht. Das klassische Newsmedium kämpft schon seit Jahren mit sinkenden Werbeeinnahmen. Nun, zu Zeiten des Coronavirus, wird Werbung noch weniger geschaltet, und der Schaden fällt deshalb noch heftiger aus.

Kürzung von Werbebudgets

So heftig, dass Schweizer Medienhäuser eine Kurzarbeitsentschädigung in Betracht ziehen. Journalisten, die derzeit doch allerhand zu tun haben, droht eine Lohnkürzung.

Stefan Heini, Leiter Unternehmenskommunikation bei CH Media, sagt, dass wegen der Corona-Krise die Buchungen von Werbeplätzen besonders in den Bereichen Reisen, Auto und Veranstaltungen zurückgingen.

«Diese Branchen inserieren momentan weniger oder gar nicht mehr», so Heini. Wie in jeder Krise würden bei Unternehmen Einnahmen wegfallen, weshalb sie Werbebudgets kürzten.

CH Media gibt unter anderem die «Aargauer Zeitung» und die «Schweiz am Wochenende» heraus.
CH Media gibt unter anderem die «Aargauer Zeitung» und die «Schweiz am Wochenende» heraus.
Keystone

Bis jetzt gehe es um einen tiefen siebenstelligen Betrag. «Aber da die Situation noch lange nicht ausgestanden ist, sagt diese Zahl wenig aus», so Heini. Die tieferen Einnahmen hätte unter anderem als Konsequenz, dass der Zeitungsumfang reduziert werden müsse.

Auch für Angestellte könnten die Werbeeinbussen Folgen haben: CH Media bittet diese, Überstunden abzubauen. Der Grund: Kurzarbeit wird auch bei Medienhäusern zum Thema. Heini sagt: «Es ist eine Option, die wir in Betracht ziehen. Es ist aber noch zu früh, das abschliessend zu beurteilen.»

Ähnlich gestaltet sich die Situation bei der Zürcher Oberland Medien AG. CEO Daniel Sigel sagt: «Wie hoch der Buchungsrückgang tatsächlich sein wird, ist abzuwarten. Dieser ist sicherlich aber auch abhängig davon, wie lange die aktuelle Lage anhalten wird.»

Um dieser Krise entgegenzuwirken, prüfe man momentan intern, ob und in welchem Umfang die Zürcher Oberland Medien AG Kurzarbeit beantragen werde. Als Herausgeber von Lokalblättern konnte das Unternehmen bisher auf die Inserate von Veranstaltungsorganisatoren zählen. Diese würden nun auch im Online-Bereich wegfallen.

«Dennoch ist der Einsatz von Online-Werbung jetzt sicher ein gutes Mittel, um sich online zu platzieren. Gerade weil viele Geschäfte nicht mehr offen sind, ist das umso wichtiger», sagt Sigel.

Die Redaktion der Zürcher Oberland Medie AG gibt neben dem «Zürcher Oberländer» weitere Lokalblätter heraus. Daneben betreibt sie die Online-Newssite «Zueriost».
Die Redaktion der Zürcher Oberland Medie AG gibt neben dem «Zürcher Oberländer» weitere Lokalblätter heraus. Daneben betreibt sie die Online-Newssite «Zueriost».
Keystone

Auch die NZZ-Mediengruppe und die TX-Group leiden unter den wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus. Beide Unternehmen kämpfen mit sinkenden Werbebuchungen bei ihren Printprodukten.

Seta Thakur, Leiterin Unternehmenskommunikation der NZZ-Mediengruppe, sagt: «Die Verunsicherung ist vielerorts gross und entsprechend spürbar für uns. Seit einiger Zeit erhalten wir zudem Stornierungen beziehungsweise Aufträge werden verschoben.» Dies betreffe insbesondere die Veranstaltungs-, Tourismus- und Uhrenbranche.

Iris Blättler, Kommunikationsverantwortliche Unternehmenskommunikation, formuliert es ähnlich: «Fast alle Branchen sind von der aktuellen Krise aufgrund des Coronavirus betroffen. Die Unternehmen prüfen daher natürlich ihre Kosten, wozu auch die kommerzielle Kommunikation gehört.» Folglich komme es zu Stornierungen oder Wegfall von geplanten Kampagnen in allen Mediengattungen. TX Group hat inzwischen ein Gesuch um Kurzarbeit eingereicht. Betroffen sind Tamedia, 20 Minuten, Goldbach, TX Markets.

Anders gestaltet sich die Situation beim Medienhaus Somedia, das die «Südostschweiz» herausgibt. Thomas Kundert, CEO und vorsitzender der Unternehmensleitung, sagt, dass es zwar zu Buchungsrückgängen im Printbereich komme. «Es treffen umgekehrt auch täglich neue Buchungen ein von Unternehmen mit Onlineshops oder solchen, die normal geöffnet haben.»

Kurzarbeit sei für Somedia deshalb kein Thema. «Die Redaktionen sind in diesen Wochen ganz besonders gefordert. Für einzelne Betriebsteile ist das eine Option», so Kundert.


Online-Zahlen im Rekordbereich

Die Schweizer Medienhäuser stellen auf ihren Online-Portalen ein deutliches Traffic-Wachstum fest. Bei CH Media nahm dieser um 30 bis 60 Prozent in den drei Regionen Ostschweiz, Zentralschweiz und Nordostschweiz zu, so Stefan Heini, Leiter Unternehmenskommunikation.

Auch bei Somedia stiegen. Die Zugriffszahlen markant. «Wir verspüren auf allen Kanälen von Somedia – Zeitung, Online, Radio und TV – eine deutlich erhöhte Nachfrage nach unseren Inhalten», sagt Thomas Kundert, CEO und vorsitzender der Unternehmensleitung.

Bei der TX Group stechen die Zahlen von «20 Minuten online» hervor. Sie sind laut Iris Blättler, Kommunikationsverantwortliche Unternehmenskommunikation, um 30 bis 60 Prozent gestiegen.

Bei der NZZ-Mediengruppe sei nicht nur der Online-Traffic gestiegen, so Seta Thakur, Leiterin Unternehmenskommunikation: «Bei der NZZ haben sich sowohl das Interesse an unseren Artikeln zum Coronavirus sowie die Kaufbereitschaft in den letzten Tagen und Wochen markant erhöht.»

Die Coronavirus-Krise: Eine Chronologie

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